Mauthausen-Gedenken: Appell an Solidarität

Ehemalige KZ-Häftlinge bei der Befreiungsfeier in Mauthausen.
Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komittee-Österreich: Europäische Regierungen derzeit "nur solidarisch im Wegschauen".

Rund 6.000 Menschen aus aller Welt haben am Sonntag in Mauthausen der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers vor 71 Jahren gedacht. Das Motto der europaweit größten derartigen Feier lautete "Internationale Solidarität". Am Rande der Veranstaltung wurde auch ein Buch präsentiert, in dem mehr als 84.000 Opfer namentlich verzeichnet sind.

"Die Überlebenden haben uns gezeigt, was internationale Solidarität bedeuten kann"

Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich, erinnerte daran, dass in den Konzentrationslagern Solidarität überlebensnotwendig war, etwa um kranke Häftlinge zu versorgen oder Spitzel zu enttarnen. "Die Überlebenden haben uns gezeigt, was internationale Solidarität bedeuten kann. Und ich würde mich schämen, wenn ich diesen Menschen sagen würde, das geht heute nicht." Angesichts von "Menschen, die vor dem Krieg nach Europa flüchten und dann scheitern, weil die europäischen Regierungen nur solidarisch im Wegschauen sind", forderte er "echte und internationale" Solidarität auch heute ein.

Die Zeremonie folgte heuer einem neuen Ablaufschema: Anstatt nacheinander einzuziehen, versammelten sich die Delegationen der verschiedenen Opferverbände gleich am Appellplatz und verließen nach einer symbolischen Toröffnung alle zusammen das Lager - in Erinnerung an die Befreiung durch US-Truppen im Mai 1945. Auch hier wurde ein Brücke zur heutigen Flüchtlingskrise geschlagen: Teilnehmer hielten Zettel, die an ertrunkene Flüchtlinge erinnerten, in die Höhe.

"Die Befreiung war die nächste Katastrophe"

Ganz vorne dabei beim Auszug waren auch sechs ehemalige Häftlinge. Einer von ihnen ist Aba Lewit, der die Lager Kostrze bei Krakau, Plaszow, Mauthausen und Gusen überlebt hat. Nach der Befreiung war aber noch längst nicht alles gut, erinnert er sich: "Die Befreiung war die nächste Katastrophe. Wie sind befreit worden, hatten aber kein Dach über dem Kopf, nichts zu essen." Es habe zwei oder drei Monate gedauert, bis er wieder Unterkunft hatte, "inzwischen ein bisschen betteln, schnorren um etwas zu essen". Und ironisch: "Die Österreicher waren sehr freundlich, sie können sich vorstellen, wie freundlich die waren."

Das offizielle Österreich war durch Bundespräsident Heinz Fischer, Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP), Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) repräsentiert. Für das Land OÖ kam als Vertretung von LH Josef Pühringer der Nationalratsabgeordnete Nikolaus Prinz (beide ÖVP) sowie die Dritte Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer (SPÖ).

Entschiedenes Auftreten für Demokratie

Vize- beziehungsweise Interimskanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) mahnte in einer Presseaussendung eine lebendige Erinnerungskultur ein, "um die richtigen Lehren aus dem dunkelsten Kapitel unserer Geschichte ziehen zu können". Aufgrund antisemitischer und rassistischer Anschläge und Entwicklungen in ganz Europa brauche es ein entschiedenes Auftreten für Demokratie, Menschenrechte und Toleranz. "Wir müssen wachsam bleiben und den Anfängen wehren, wenn sich die Muster der Vergangenheit wiederholen und Menschen verfolgt oder gegeneinander aufgehetzt werden", so Mitterlehner.

Am Rande der Befreiungsfeier wurde am Sonntag auch ein Gedenkbuch für die Opfer veröffentlicht. Die dreibändige Edition ist das Ergebnis eines der umfangreichsten Forschungsprojekte, das die Gedenkstätte bisher umgesetzt hat. Die Identitäten und Lebensdaten von 84.270 Opfern wurden in jahrelanger Kleinarbeit rekonstruiert und zusammengetragen. Rund 200.000 Personen aus aller Welt waren im KZ Mauthausen und seinen 49 Außenlagern interniert, mindestens 90.000 davon wurden ermordet oder starben unmittelbar nach der Befreiung an den Folgen der Gefangenschaft.

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