Manfred Ainedter: "Grasser war ein völliger Ausnahmefall"

Er wirbt für Sachverstand, Respekt und Leidenschaft: Manfred Ainedter, den viele nach 50 Jahren im Geschäft als „Strafverteidiger-Legende“ bezeichnen. Zu seinen prominentesten Mandanten zählte zuletzt der Buwog-Verurteilte und Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, den Ainedters Frau einst als „sein drittes Kind“ bezeichnet hat.
Im „Milchbar Spezial“-Podcast spricht der 74-Jährige über ...
die mediale Aufmerksamkeit und die Aufregung um Entscheidungen der Justiz: Ainedter sieht derzeit eine Häufung, was ein Zufall sein könne. „Die Justiz ist momentan permanent im Gerede, was an sich nicht gut ist“, sagt er. Zwar bestätigt er, dass Gerichtsurteile für die Allgemeinheit und nicht nur für Juristen nachvollziehbar sein sollten, sagt aber: „Die Justiz kann sich nicht danach richten und – Zitat Martin Luther – „dem Volk aufs Maul schauen“, sondern muss dem Gesetz entsprechend urteilen.

Manfred Ainedter geboren 1951 in Wien als Sohn eines Rauchfangkehrmeisters, hat 1980 seine Rechtsanwaltskanzlei eröffnet, die er seit rund zwölf Jahren mit seinem Sohn Klaus Ainedter führt.
Promi-Mandanten Ainedter verteidigte zuletzt Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in der Buwog-Causa. Zuvor zählten Ex-Radrennfahrer Bernhard Kohl in dessen Dopingfall sowie der ehemalige kasachische Botschafter Rachat Alijew zu seinen Mandanten.
die Freisprüche im Fall Anna: „Das Verfahren ist vollkommen korrekt abgelaufen“, sagt der Strafverteidiger, „auch, wenn das Volk den Galgen sehen möchte.“ Er spricht damit an, dass es Drohungen gegen den Richter, aber auch die Verteidiger der Burschen gegeben habe, was er „unglaublich“ findet. Ainedter stellt für seine Zunft klar: „Wir verteidigen die Täter, nicht die Tat.“ Und er betont nochmals: Das Beweisverfahren habe ergeben, dass die Beschuldigten freizusprechen sind, „das ist der Rechtsstaat, und das ist zu akzeptieren“.
die Verantwortung des Opfervertreters angesichts der hohe Wellen, die der Fall öffentlich geschlagen hat: Der „geschätzte Kollege“, wie Ainedter sagt, habe „vielleicht ein bisschen über die Stränge geschlagen. „Er hat Erwartungshaltungen geschürt und das als das Riesenverbrechen des Jahrhunderts hingestellt, und das war es dann eben nicht.“

die Medienarbeit, die er selbst für seinen Mandanten Karl-Heinz Grasser betrieben hat und dessen legendären Auftritt bei „Im Zentrum“: Ainedter betont, er sei nie proaktiv an Medien herangetreten, Grasser sei aber ein Sonderfall gewesen: Dieser habe „von der ersten Sekunde an“, als das Buwog-Verfahren begann, viel preisgegeben, weil er überzeugt gewesen sei, er habe eine „blütenweiße Weste“. Als Grasser 2011 zu der ORF-Sendung eingeladen wurde, habe er als sein Anwalt erst abgesagt. Grasser ging dann doch hin, las einen Fanbrief vor – und prägte einen Sager, der ihm bis heute vorgehalten wird: Er, Grasser, sei „zu jung, zu intelligent, zu schön“, deshalb werde er jetzt verfolgt. Ab da habe Grasser dann auf seinen Rat gehört, sagt Ainedter lachend.

Grassers Zustand in Haft: „Es geht ihm nicht gut“, sagt der Anwalt. Er sei vorher schon „dürr“ gewesen, jetzt schaue er „furchtbar“ aus, wie er sich von seinem Kollegen Norbert Wess, der Grasser besuchte, erzählen ließ. Nach seiner Erkrankung – er musste im September notoperiert werden – gehe es dem 56-Jährigen aber schon besser.

„böse“ KURIER-Artikel zur schiefen Optik von Grassers Haftausgängen: Die mediale Aufregung kann Ainedter nicht nachvollziehen. Dass Grasser im Zuge eines Haftausgangs, bei dem er seine Eltern besucht hat, danach in einem Nobellokal ging, sei „vollkommen legitim“, jeder andere Häftling dürfe das auch. Grasser habe nur das „Pech“ gehabt, gesehen worden zu sein (zur Mittagszeit am Wörthersee, Anm.), weshalb alle Medien aufgesprungen seien und das als „Skandal“ hingestellt hätten, wie er sagt. „Das ist es, was ich den Prominenten-Malus nenne. Es heißt immer, die können es sich richten, das Gegenteil ist der Fall.“ Nachsatz: „Leicht haben es die nicht!“
den „Promi-Malus“ konkret bei Grasser: Ainedter kritisiert, dass seinem Mandanten, der sich in Haft „mustergültig“ verhalten würde, der Freigang nicht gewährt worden sei – ohne Begründung. Im Zuge eines Freigangs hätte er regelmäßig das Gefängnis verlassen können, um zu arbeiten. Zudem warte Grasser schon seit Anfang September auf ein Ergebnis seines Antrags auf die Fußfessel: „Schwere Jungs mit Drogendelikten, die die Fußfessel nach ihm beantragt haben, haben sie jetzt schon.“ Ainedter schließt auf Nachfrage nicht aus, dass die Justiz nach der Aufregung um die Ausgänge vorsichtiger geworden ist, um nicht wieder ins Gerede zu kommen.

die Unterschiede zwischen Grassers und Benkos medialer Präsenz: Benko habe sich von Anfang an bedeckt gehalten. „Es ist nicht immer gut, zu schweigen“, sagt Ainedter zu Benkos Auftritt diese Woche am Innsbrucker Landesgericht – der Signa-Gründer gab in seinem ersten Prozess keine Stellungnahme ab. Aber das müsse der Verteidiger entscheiden. Grasser sei ein „völliger Ausnahmefall“ gewesen. Noch vor Prozessstart habe es 12.000 negative Medienberichte über ihn gegeben.

mediale Berichterstattung und ihren „generalpräventiven Effekt“: Die vorsitzende Richterin im Prozess gegen ÖVP-Klubchef August Wöginger in Linz hat die Diversion unter anderem mit dem Argument akzeptierte, dass die Beschuldigten durch die Berichterstattung schon sanktioniert worden seien. Ainedter findet das „toll und positiv“, und erinnert daran, dass auch der Oberste Gerichtshof in der Buwog-Causa die „mediale Vorverurteilung“ als Grund dafür nannte, die Strafen zu reduzieren. Wobei Ainedter durchaus Verständnis dafür zeigt, wie Medien ticken – er selbst sei in seiner Schulzeit Chefredakteur der Internatszeitung gewesen.

Benkos (nicht rechtskräftigem) Schuldspruch: „Ich bin erschüttert“, sagt Ainedter, dass Benko als Unbescholtener wegen 300.000 Euro (die er vor Gläubigern vorenthalten haben soll), zwei Jahre ausgefasst hat. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Urteil in zweiter Instanz hält.“ Benkos Anwalt Wess hat bereits angekündigt, das Urteil bekämpfen zu wollen, so auch die WKStA.

seine Erfolgsbilanz nach 50 Jahren als Anwalt: Gewinnen, verlieren – das dürfte sich die Waage halten, sagt Ainedter. „Oft gibt es Fälle, da kannst du nichts gewinnen, sondern nur den Schaden begrenzen.“ Häufig kämen Menschen zu spät mit Fällen zu ihm, in der Hoffnung, er könne sie noch retten. Das erspare er sich aber lieber. „Ich sage dann immer: Ich bin Anwalt, kein Zauberer.“
über seine Zukunftspläne: Aus heutiger Sicht werde er sich in gut einem Jahr, aus der Kanzlei, die er gemeinsam mit seinem Sohn Klaus Ainedter hat, zurückziehen. Im August 2026 wird er 75 Jahre alt, „dann ist es Zeit, sich langsam in den Ruhestand zu verabschieden“, sagt er. Sein Sohn habe vorgeschlagen, einen Podcast zu machen, er habe aber auch schon daran gedacht, ein Buch über seine spannendsten Fälle zu schreiben.
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