Mahnwache und Mahnmal: Gedenken zum 8. Mai

Fest der Freude und Konzert der Symphoniker
Vor 69 Jahren kapitulierte Nazi-Deutschland: Österreich gedachte mit Heeres-Mahnwache, Mahnmal und einem Fest der Freude.

Donnerstagabend pilgerten mehr als 12.000 Besucher auf den Heldenplatz zum Fest der Freude. Mit der Veranstaltung wurde der 69. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung vom NS-Regime begangen. Die Worte des Zeitzeugen Aba Lewit ließen am „Tag der Freude“ keinen Zweifel darüber, dass Nationalsozialismus weltweit nie mehr wieder auch nur die kleinste Auferstehung erfahren dürfte.

„Die Vielzahl an Besuchern an diesem Tag der Freude und des Gedenkens bei diesem großartigen Konzert der Wiener Symphoniker ist überwältigend“, resümierte Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich. Moderiert von Schauspielerin Katharina Stemberger gedachten Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Kanzler Werner Faymann, Minister Wolfgang Brandstetter, Wiens Stadtpolitiker Maria Vassilakou und Andreas Mailath-Pokorny sowie Veranstalter Mernyi in ihren Reden den Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. „Das Ende des NS-Terrors und des Krieges war für die Österreicher tatsächlich ein Freudentag. Österreichs Zukunft konnte endlich beginnen. Es ist unsere Aufgabe, auch für die kommenden Generationen die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass ein Leben in Demokratie und Frieden in der europäischen Union möglich ist“, erklärte Prammer auf dem Heldenplatz.

Kurz nach 17 Uhr gingen 500 Teilnehmer, von der Wiener Uni aus, gegen den Nationalsozialismus und gegen Rassismus auf die Straße. Die Demo verlief ohne Zwischenfälle.

Mahnwache und Mahnmal: Gedenken zum 8. Mai
APA18244866-2 - 08052014 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Verteidigungsminister Gerald Klug (m.) am Donnerstag, 08. Mai 2014, im Weiheraum der Krypta anlässlich der Mahnwache des Bundesheeres zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am Heldenplatz in Wien. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER
Mit einer Mahnwache des Bundesheeres am Äußeren Burgtor vor der Krypta haben Donnerstagfrüh die Gedenkveranstaltungen begonnen. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) erklärte, das Bundesheer leiste damit einen aktiven Beitrag zum Gedenken an die Opfer der von den Nazis verübten Gräuel.

Klug sieht in der Mahnwache auch ein bewusstes politisches Signal an rechte Gruppierungen und Burschenschafter. Vor der ihm Vorjahr erstmals abgehaltenen Mahnwache hatten diese auf dem Heldenplatz ihr "Totengedenken" abgehalten. Die Burschenschafter hätten versucht diesen Tag umzudeuten im Sinne einer Niederlage. Es sei wichtig klar zu signalisieren, dass für eine solche Geschichtsumdeutung kein Platz ist, betonte Klug vor Journalisten.

Jährliche Mahnwache geplant

Der Verteidigungsminister hat sich "fest vorgenommen", dass diese Mahnwache des Bundesheeres nun jährlich stattfinden soll. "So lange ich die politische Verantwortung trage, wird es die Mahnwache auch in Zukunft geben."

Klug kann sich auch vorstellen, den 8. Mai zu einem Feiertag zu machen, wie das zuletzt die Hochschülerschaft gefordert habe. "Ich schließe das nicht aus", sagte er. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass es wichtig sei, der Opfer zu gedenken und die Geschichte ins Bewusstsein zu rücken.

Plädoyer für Demokratie

Zu der am Mittwoch präsentierten Umfrage, wonach sich 29 Prozent nach einem "starken Führer" sehnen, verwies Klug darauf, dass autoritäre Führungsstrukturen viel Leid und Elend gebracht haben. Millionen von Menschen seien ermordet, Länder in Schutt und Asche gelegt worden. Deshalb müsse die Demokratie "gehegt und gepflegt" werden. Der Politik komme da eine wichtige Rolle zu, er sei aber nicht sicher, ob sich wirklich alle Politiker dessen bewusst seien, meinte der Verteidigungsminister mit Blick auf manche Wahlkämpfe.

Neben dem Gedenken an die Opfer hat der 8. Mai für Klug aber auch das zweite Gesicht der Befreiung vom Nationalsozialismus. In diesem Zusammenhang verwies er auf das "Fest der Freude", bei dem am Abend die Wiener Symphoniker ein Gratis-Konzert geben. Veranstalter der Feier sind das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) in Kooperation mit dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands, der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und dem Verein Gedenkdienst. Festreden werden u.a. von Bundeskanzler Werner Faymann und Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (beide SPÖ) erwartet.

Bereits am Nachmittag laden Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) zu einem Staatsakt ins Bundeskanzleramt. Der Künstler Arik Brauer wird eine dabei Rede halten.

Am Campus der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) erinnert ab sofort ein Mahnmal an Studenten und Mitarbeiter, die in der NS-Zeit von der früheren Hochschule für Welthandel (HWL) vertrieben wurden. Am Donnerstag, exakt 69 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde die Skulptur, bei der die Namen von fast 120 Vertriebenen zu einer Weltkugel verbunden sind, in einer feierlichen Zeremonie enthüllt.

Die Vertreibung nach dem "Anschluss" Österreichs an Nazi-Deutschland hatte damals massive Auswirkungen auf die HWL: Jüdische Studenten wurden von Studien und Prüfungen ausgeschlossen, Dozenten und Verwaltungsangestellte entlassen und akademische Grade aberkannt. 150 der damals 750 Studenten sowie ein Fünftel der damals rund 50 Mitarbeiter waren betroffen, berichtet der Leiter des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der WU, Peter Berger. Neben 80 Personen, die laut den Nürnberger Rassegesetzen als Juden eingestuft wurden, finden sich auch die Namen politisch Verfolgter auf der Skulptur. Nur eine einzige Person sei nach 1945 nach Österreich zurückgekommen, so Berger.

Diskriminierung vor dem "Anschluss"

Schon vor dem "Anschluss" seien jüdische Studenten mit Billigung oder stillschweigender Duldung von Rektoren und Professoren diskriminiert, schikaniert und sogar physisch misshandelt worden. Die Folge laut Berger, der seit zwei Jahren mit Johannes Koll die Geschichte der HWL vor und in der NS-Zeit erforscht: Der Anteil an jüdischen Hörern, der etwa 1920/21 noch bei 50 Prozent lag, ging bis 1938 deutlich zurück.

"Das Mahnmal soll bewegen und künftige Generationen von Studenten daran erinnern, was hier passiert ist. Und es soll Anreiz sein, sich im besten Sinne politisch zu engagieren, damit nie wieder so etwas passieren kann", beschrieb WU-Rektor Christoph Badelt bei einer Pressekonferenz die Beweggründe für die Aufstellung des Denkmals gegenüber vom Herzstück des Campus, dem Library and Learning Center von Zaha Hadid.

"Kein Ende des Erinnerns"

Eva Blimlinger, Historikerin und Rektorin der Akademie der Bildenden Künste in Wien, an der der Wettbewerb für die Gestaltung des Mahnmals stattgefunden hat, hob die Symbolik der Skulptur von Alexander Felch hervor: Der freigelassene Platz in der stählernen Weltkugel ermögliche, jederzeit Namen von weiteren Vertriebenen, die im Rahmen der Forschungen entdeckt werden, hinzuzufügen. "Und er ist ein Zeichen, dass es kein Ende des Erinnerns gibt." Für den Forscher Berger gab es laut eigener Aussage in seinen 35 Jahren an der WU "wenige Tage, an denen ich so stolz auf diese Uni war": "Ich glaube, das ist ein großer Moment für diese Hochschule."

Auslöser für das Forschungsprojekt zur NS-Geschichte an der WU war laut Badelt die Initiative der Tochter eines früheren HWL-Studenten, der unter den Nazis trotz bereits approbierter Dissertation nie seinen Doktor machen durfte und schließlich in die USA emigriert war. "Das Thema ist offen geblieben und er hat sich sein Leben lang ungerecht behandelt gefühlt", so Badelt. Nachdem eine posthume Verleihung des Doktortitels juristisch nicht möglich gewesen sei, habe die WU diesen Fall zum Anlass genommen, in einem Forschungsprojekt die Schicksale der Vertriebenen zu dokumentieren und auch versucht, Kontakt zu noch lebenden Betroffenen aufzunehmen.

Auf einer mehrsprachigen Internetseite werden seither die Forschungsergebnisse gesammelt, die Forscher hoffen dabei auf weitere Informationen durch Verwandte oder Bekannte von Betroffenen. "Es ist sehr schwer herauszufinden, was mit den Menschen nach dem Anschluss passiert ist", verwies Berger auf den großen Anteil an (meist jüdischen) Studenten polnischer Staatsbürgerschaft. Doch er berichtete auch von Erfolgen: So konnte mit einem mittlerweile 96-jährigen Betroffenen, der mittlerweile in Malta lebt, Kontakt aufgenommen werden.

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