Macron will Gelbwesten die Show stehlen

Macron will Gelbwesten die Show stehlen
Nach Beginn seiner Debattentour durchs Land sieht es nach Aufwind für den Präsidenten aus.

Es ist noch keine Jubelstimmung, aber ein lautes Aufatmen, das sich die Kreise um Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gönnen. Zum ersten Mal seit Beginn des Gelbwesten-Aufruhrs scheinen etliche Abgeordnete seiner Partei, die sich wochenlang kaum mehr auf die Straße trauten, wieder Zuversicht zu schöpfen.

Der Wendepunkt heißt Bourgtheroulde. Das ist der (auch für Franzosen auf Anhieb kaum aussprechbare und auf die Wikinger zurückgehende) Name einer 3600-Einwohner-Gemeinde in der Normandie. Neuerdings steht der Name auch für eine körperliche und intellektuelle Sonder-Performance von Macron.

In der Sporthalle von Bourgtheroulde hatte der Staatschef am Dienstag den „Grand Débat National“ gestartet, also den auf drei Monate anberaumten, landesweiten Diskussionszyklus, der die Regierungspolitik unter breitest möglicher Einbeziehung der Bevölkerung „neu strukturieren“ soll. Sieben Stunden dauerte die Debatte zwischen Macron und 600 Bürgermeistern.

Macron souverän

Zur Begrüßung hatten nur wenige geklatscht. Am Ende gab es frenetischen Applaus für Macron. Die Bürgermeister hatten nichts ausgespart: Vernachlässigung der Landgemeinden und die allgemeine Untergangsstimmung in Frankreich, Schließung von Schulen, Geburtskliniken und Ämtern, Ärzteschwund und Nicht-Anbin-

dung an öffentliche Verkehrsmittel, Abgabenflut für Auto-Pendler, Verarmung von Rentnern bei gleichzeitiger Steuerreduzierung für Vermögende, Krise der Karotten-Anbauer angesichts des Verbots von Schadstoffen und Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h auf Landstraßen. Macron hatte den Anzug abgestreift und Punkt für Punkt geantwortet – mit Fachwissen, und Selbstironie und offen für alle Vorschläge.

Macron wird heute in einer kleinen Landgemeinde in Südfrankreich eine weitere Versammlung mit Bürgermeistern absolvieren. Das ist geschickt: 58 Prozent der Franzosen vertrauen noch ihren Bürgermeistern, aber nur mehr 31 Prozent den Parlamentariern und 23 Prozent dem Präsidenten.

Gelbwesten vermag Macron kaum umzustimmen, ihre Demos werden auch diesen Samstag das Land unter Strom setzen. Aber mit einer Flut von Bürger-Diskussionen – allein an diesem Wochenende sind 200 geplant – soll den Gelbwesten die Show gestohlen werden. Darüber hinaus hofft Macron, den wachsenden Teil der Bevölkerung, der unter den Aktionen der Gelbwesten wirtschaftlich leidet, auf seine Seite zu ziehen.

Zum ersten Mal seit Wochen hat Macrons Partei laut Umfragen einen Anstieg für die EU-Wahlen verzeichnet: Sie käme auf 24 Prozent und würde die Partei der Nationalistin Marine Le Pen (21 Prozent) wieder überholen. Unter Zugzwang musste Le Pen jetzt ihre Bereitschaft ankündigen, am „Grand Débat“ teilzunehmen.

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