Die Liebe in den Zeiten von Ibiza: Wie Polit-Paare den Wahlkampf überstehen
Erst Koalitionskrach, dann Wahlkampf: Beziehungen und Freundschaften über Parteigrenzen hinweg müssen derzeit einiges aushalten – der KURIER fragte nach.
Wer täglich berufliche Differenzen ausstreiten muss, für den wird privates Geplänkel wie die offene Zahnpastatube oder der vergessene Jahrestag rasch zur Nebensache.
Jener Politiker, der das (halb) im Scherz sagt, will lieber nicht in der Zeitung stehen. Seine Frau wäre sonst böse. Sie ist nämlich auch Politikerin. Bei einer anderen Partei. Schwierig.
Wobei Liebe im Job ja per se nichts Ungewöhnliches ist: Jeder dritte Österreicher, so die Statistik, hat sich schon einmal am Arbeitsplatz verliebt. Ein Online-Ratgeber erklärt, dass „Professionalität und körperliche Anziehung kein Widerspruch“ seien. Oder dass man berufliche Konflikte im Büro lassen soll, private im Privaten. Kollegen und Chefs stünden der Beziehung dann auch positiver gegenüber.
Wenn es aber für Berufliches und Privates keinen fixen Zeitplan gibt, wenn die jeweiligen Chefs und Kollegen verfeindet sind, und dann auch noch eine intensive Phase (zum Beispiel ein Wahlkampf) kommt, wird deutlich: In der Politik findet Liebe unter erschwerten Bedingungen statt. Das weiß nicht nur jener ungenannte Herr zu Beginn dieses Textes.
Alles andere als einfach
Der Wahlkampf wird eine „besondere Zeit“, sagt Johanna Jachs, ÖVP-Abgeordnete. Sie und ihr Kollege von der FPÖ, Hannes Amesbauer, werden kurz zuvor Eltern – Ende Juli. Amesbauer tritt für die FPÖ in der Steiermark auf Platz 1 an, die Mühlviertlerin hofft auf einen guten Listenplatz in Oberösterreich.
Frischgebackene Eltern, die sich volée in die Wahlschlacht werfen müssen. Na gut – „alles andere als einfach“, trifft die Situation wohl eher, sagt die 27-Jährige.
Konflikte sind den beiden Mandataren nicht fremd. Sie wurden ein Paar, da waren ihre Parteien schon einige Monate als Koalition vereint. Türkis-Blau zerbrach, ihre Beziehung hielt stand – aber auch das war wohl „alles andere als einfach“.
Jachs sagt, sie hätten „unterschiedliche Wahrnehmungen“ zum Ibiza-Video und seinen Folgen gehabt. Amesbauer ergänzt dazu, es sei ganz gut, dass Politik in der Beziehung kaum ein Thema sei. Der 38-Jährige sagt aber auch: „Es liegt auf der Hand, dass wir in vielen Punkten völlig andere Ansichten haben. Aber wir haben uns verliebt, da spielt Parteipolitik keine Rolle.“
Das gemeinsame Kind – es wird ein Mädchen – werde seinen eigenen Weg gehen. Da sind sich die ÖVP-Frau und der FPÖ-Mann einig.
Krisenresistent
Ihre Beziehung haben sie zunächst aus dem Job herausgehalten. Ängste, die Chefs könnten etwas dagegen haben, zerstreuten sich aber: ÖVP-Klubchef August Wöginger rechnete es ihr hoch an, dass sie ihn eingeweiht hat, bevor er es in den Klatschspalten lesen musste. Und Amesbauers steirischer Landeschef Mario Kunasekfreute sich für das junge Paar.
Die beiden sind schon das zweite türkis- bzw. schwarz-blaue Paar im Nationalrat – und sie sind auch das zweite, das eine verkrachte Koalitionsehe überstanden hat. Harald Stefan, FPÖ, zog 2008 in den Nationalratswahl ein – nach dem Ende von Schwarz-Blau II und einem knapp zweijährigen Intermezzo von Rot-Schwarz unter Kanzler Gusenbauer – und lernte die damalige ÖVP-Mandatarin aus Tirol, Karin Hakl, kennen.
Der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache soll das sogar begrüßt haben – es sei doch gut, wenn man gute Beziehungen zu anderen Parteien hat, wird er zitiert.
Die Tiroler ÖVP aber soll gegen die Beziehung zu dem schlagenden Burschenschafter gewesen sein. 2013 wurde Hakl, die damals vermeintlich in die Telekom-Affäre verwickelt war, nicht mehr für die Landesliste nominiert. Die Beziehung hielt das aus: Stefan und Hakl sind seit 2017 verheiratet und haben einen gemeinsamen Sohn.
Versöhnung beim Wein
Knapp verpasst haben einander Susanne Riess, Ex-Vizekanzlerin der FPÖ, und EU-Kommissar Johannes Hahn. Sie trat 2005 aus der Partei aus, er wurde 2007 Minister. Die beiden führen seit 2016 eine Fernbeziehung – am Wochenende treffen sie einander in Wien, Brüssel oder Salzburg, wo sie gemeinsam ein Bauernhaus renovieren.
Zwei, die über jeden parteipolitischen Streit zu stehen schienen, sind die früheren Landeskaiser Michael Häupl und Erwin Pröll – kein Liebespaar, aber etwas Artverwandtes: enge Freunde.
Zwischen dem roten Bürgermeister und dem schwarze Landeshauptmann dürften öfter die Fetzen geflogen sein – sie seien ja beide recht emotionale Typen, erzählte Pröll in einem KURIER-Interview. Zur Versöhnung gab es ein Ritual: „Wir setzten uns eine Viertelstunde auf ein Glaserl Wein zusammen und blendeten aus, was es bedeutet, wenn der eine oder der andere als Gewinner aussteigt. Dann ging es nur um die wesentlichen Argumente.“
Rot-schwarze Bande haben Andreas Schieder und Reinhold Lopatka geknüpft. Zu ihrer Zeit als Klubchefs von SPÖ bzw. ÖVP waren sie miteinander sporteln und im Fußballstadion (Schieder: Rapid; Lopatka: Sturm). Auch Rot-Grün funktioniert: Die Grüne Nationalratskandidatin Ewa Ernst-Dziedzic hat sich im Bundesrat mit SPÖ-Mandatar Mario Lindner angefreundet.
Schöne Herausforderung
Ihr Kampf gegen die Einführung von Deutschförderklassen hat Stephanie Cox (30) und Sonja Hammerschmid (51) einst im Unterrichtsausschuss zusammengeschweißt. Die Liste-Jetzt-Mandatarin und die SPÖ-Abgeordnete bzw. Ex-Bildungsministerin wollen miteinander gut Freund bleiben, wenn Cox aus der Politik ausgestiegen ist, wie sie diese Woche angekündigt hat.
Überparteiliche Beziehungen haben durchaus Vorteile, sagt FPÖ-Mann Harald Stefan: „Man kann nicht billig argumentieren. Der andere durchschaut das sofort und vertritt auch vehement seine Meinung. Man führt jede Diskussion auf einer höheren Ebene.“ Das sei schon eine Herausforderung, sagt er. „Aber eine sehr schöne.“
Fußball, Feindesliebe und Wein
Auch im Parlament sind enge Kontake quer über Fraktionsgrenzen hinweg zu finden. Mitunter werden diese auch am Rasen gepflegt. Denn Österreich ist Fußball-Europameister. Pardon – nicht die österreichische Nationalmannschaft, sondern die österreichische Nationalratsmannschaft. „Wenn man miteinander und nicht nebeneinander arbeitet, dann kann man große Erfolge für Österreich einfahren“, sagte Teamkapitän Rudolf Plessl (SPÖ) im Juni, als der „FC Nationalrat“ beim Internationalen Parlamentarier-Fußball-Turnier in der Schweiz den Pokal holte.
Mitgespielt haben im Finale gegen die Schweiz auch Niki Berlakovich (ÖVP), Christian Ries (FPÖ) und Rouven Ertlschweiger (früherer Mandatar bei Team Stronach bzw. ÖVP). Im Parlament haben sich schon alleine durch regionale bzw. berufliche Gemeinsamkeiten Grüppchen gebildet: Die steirischen und die oberösterreichischen Abgeordneten hätten etwa im Nationalrat eine starke Community, hört man; auch die Anwälte sind vernetzt. Ein Stammtisch für unter 30-Jährige wurde nach wenigen Treffen eingestellt – schade, wie einige Jung-Mandatare finden.
Überparteiliche Kontakte werden offenbar nicht nur gutgeheißen, sondern auch gefördert. Da tauscht man sich aus, da findet man Halt – das verspricht zumindest ein „parteiübergreifender Gebetskreis“, der federführend von ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler und vom FPÖ-Abgeordneten Christian Ragger organisiert wird.
Beten in der Krise
Ende Mai, kurz nach dem Koalitionsende, lud Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zum „parlamentarischen Gebetsfrühstück“ für alle Glaubensbekenntnisse.
Im Sinne der von Christus geforderten „Feindesliebe“ betete man gemeinsam für den politischen Gegner. „Aber nicht, dass er so wird, wie ich will, sondern dass man ihn in seinem Anderssein annimmt“, hieß es da.
Weder Sebastian Kurz noch Heinz-Christian Strache dürften teilgenommen haben. Die Abgeordneten Elisabeth Feichtinger (SPÖ), Martin Engelberg (ÖVP) und Efgani Dönmez (Ex-ÖVP) sprachen Fürbitten.
Als eine Art „Friedensbewegung“ versteht sich die „Initiative für politische Qualität“, die ihre Charta auf allen Ebenen etablieren will und zur Vernetzung regelmäßig Treffen organisiert. Am vergangenen Nationalfeiertag wanderten etwa der EU-Mandatar Lukas Mandl (ÖVP), die Nationalratsabgeordneten Philipp Schrangl (FPÖ) und Alma Zadic (damals Liste Jetzt) sowie der Wirtschaftskämmerer Hans Arsenovic (Grüne) durch die Wiener Weinberge.
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