Lehrerdienstrecht: Trendwende in Runde 30

APA13576216 - 05072013 - WIEN - ÖSTERREICH: vlnr.: BM Gabriele Heinisch-Hosek, BM Maria Fekter und BM Claudia Schmied und gegenüber die Vertreter der Gewerkschaft am Freitag, 05. Juli 2013, anl. einer Verhandlung zum Lehrerdienstrecht in Wien. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Gewerkschaft und Regierung sehen erstmals Annäherung. Keine Ferien für Verhandler.

Eine Einigung beim Lehrerdienstrecht gab es auch bei der 30. Verhandlungsrunde Freitagabend nicht. Doch erstmals zeigten sich beide Seiten nach den Gesprächen optimistisch: „Die Regierung hat uns einen adaptierten Gesetzesentwurf überreicht, der ordentlich nachgebessert wurde. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der oberste Lehrer-Verhandler Paul Kimberger zum KURIER. Auch Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sah eine Annäherung. Die Gewerkschaft habe „zum Vorschlag nicht Nein gesagt“, die Gespräche seien konstruktiv verlaufen, hieß es.Man werde sich „in absehbarer Zeit wieder zusammensetzen.“

Geldfrage

Die Wende brachte offenbar der Griff der Verhandlerinnen in die Geldbörse: Die SPÖ-Ministerinnen Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek hatten den Gewerkschaftern am Mittwoch einen modifizierten Entwurf vorgelegt. Der bringe einem Lehrer im Durchschnitt 2000 Euro zusätzlich pro Jahr, warb im Vorfeld Finanzministerin Maria Fekter. Die Lebensverdienstsumme würde sich für jeden der 120.00 Lehrer im Vergleich zum Status quo um über 90.000 Euro erhöhen. „Die Regierung hat sich entschlossen, deutlich mehr Geld in die Hand zu nehmen“, sagt Kimberger.

Der Regierungsvorschlag sieht unter anderem ein Einstiegs-Grundgehalt von 2.420 Euro brutto und ein Endgehalt von 4.330 Euro für alle Lehrer vor, unabhängig von Schultyp oder Fach. Das Anfangsgehalt der Lehrer läge damit über, das Endgehalt unter dem derzeitigen Verdienst. Die Gewerkschaft hatte zuvor ein Modell gefordert, dass laut Heinisch-Hosek bis 2020 zusätzliche Kosten von 60 Millionen Euro gegenüber dem SP-Modell verursacht hätte.

Zum Grundgehalt kommen nach dem neuen Schema unterschiedliche Zulagen nach Fächern, Schulstufe und Zusatzaufgaben hinzu. Bei der Arbeitszeit wird die von Schmied geforderte „pädagogische Kernzeit“ von 20 bis 22 auf 24 Unterrichtsstunden erhöht. Allerdings werden Nebenleistungen angerechnet: Wer Schüler eine Stunde pro Woche betreut, soll zu nur 23 Stunden verpflichtet werden, ein Klassenvorstand zu einer weiteren Stunde weniger.

Das stößt auf Lob bei den Lehrergewerkschaftern: „Es gab auch bei der Arbeitszeit Nachbesserungen. Die Regierung hat verstanden, dass Lehrerarbeit mehr ist als bloßer Unterricht“, sagt Kimberger. „Die konsequente Verhandlungsführung hat sich bezahlt gemacht.“ Der Gewerkschafter ortet ein Zeichen, dass die Regierung nicht mehr nur auf ein Sparpaket setze.

Keine Ferien

In den kommenden Tagen will die Gewerkschaft den Vorschlag im Detail durchrechnen. Auch die Regierung sicherte zu, dass Beamte und Ministerien für Rückfragen jederzeit zur Verfügung stehen. Viel zu tun also in der Urlaubszeit. Kimberger auf Nachfrage: „Die Lehrergewerkschaft geht jetzt nicht in die Ferien.“

Faymann: Kein Beschluss ohne Opposition

Das neue Lehrerdienstrecht gemeinsam mit der Opposition gegen die ÖVP zu beschließen, ist für Werner Faymann keine Option. Man wolle das gemeinsam beschließen sagte der Bundeskanzler im "Ö1"-Journal am Samstag. Er "bedanke" sich aber für die "Worte" und für die "Unterstützung" aus der Opposition, so Faymann.

Trotzdem drängt er auf ein Ergebnis noch vor der Wahl. Den Freitagabend erzielten Fortschritt bei den Verhandlungen zwischen Regierung und Lehrergewerkschaft sehe er "sehr positiv". "Wir brauchen die beste Ausbildung für unsere Kinder - und wir brauchen sie rasch. Die Basis dafür bildet ein modernes Dienstrecht", sagte Faymann. Bei gutem Willen sei eine Einigung vor der Wahl möglich. Das sei deshalb so wichtig, denn "das Schlimmste ist Stillstand für die nächsten Jahre".

Nach Lektüre des Freitag-KURIER war die Aufregung in der ÖVP und der Lehrergewerkschaft groß. Wie berichtet, offerierten Grüne, Orange und das „Team Stronach“ den Roten, mit ihnen ein neues Lehrerdienstrecht zu beschließen. Gegen die ÖVP, ohne Sanktus der Standesvertreter. Die nötige Mehrheit hätte das Viergespann.Grund für das Lockangebot an die SPÖ: Die Pattstellung beim Lehrerdienstrecht.

Am Freitag schoss die ÖVP den Giftpfeil retour: „Wir gehen davon aus, dass Werner Faymann nicht gegen die Gewerkschaft stimmt und die Sozialpartnerschaft in Österreich zu Grabe trägt. Sollte das aber so sein, dann gibt es eine Reihe von Initiativen, die die SPÖ seit langem blockiert: ein neues ÖBB-Dienstrecht mit der Lockerung des Kündigungs- und Versetzungsschutzes, flexiblere Arbeitszeiten, eine Steuer- und Gebührenbremse. Für die Umsetzung könnte es im Nationalrat jedenfalls eine Mehrheit geben“, heißt es in der Partei.

Dass die ÖVP die Lehrer-Reform blockiere, wird einmal mehr dementiert: „Wir arbeiten an einer Lösung.“

Ab heute, Samstag, sind die Parlamentarier freilich in der Sommerpause. Eine Sondersitzung wäre nötig, um etwas zu beschließen. Dass sich SPÖ und ÖVP überstimmen, ist ausgeschlossen. Beide denken an die Zeit nach der Wahl; sie wollen sich wieder zusammentun. Die Drohungen bleiben so lange Verhandlungstaktik. Die SPÖ wollte die ÖVP als Betonierer darstellen; die wollte das verhindern.

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