Opposition hilft Kanzler gegen die Volkspartei

APA9185990 - 24082012 - ST. JOHANN IM PONGAU - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT II - Grünen-Chefin Eva Glawischnig (l.) und Bundeskanzler Werner Faymann bei einem gemeinsamen, sommerlichen Hintergrundgespräch über Umwelt, Gerechtigkeit und Europa am Freitag, 24. August 2012, in der Liechtensteinklamm in St. Johann im Pongau. APA-FOTO: BARBARA GINDL
Grün/Orange/Stronach bieten SPÖ an, Lehrer-Dienstrecht ohne ÖVP durchzusetzen.

Heute Abend findet im Parlament die 30. Verhandlungsrunde über ein neues Lehrerdienst- und Besoldungsrecht auf Minister-Ebene statt. Die Chancen steht weiterhin sehr schlecht. Denn die Gewerkschaft hat bisher im Grunde alles, was von den SP-Ministerinnen auf den Verhandlungstisch gelegt wurde, abgelehnt. Und die ÖVP will jedenfalls nichts gegen die (ÖVP-dominierte) Lehrergewerkschaft beschließen. Das Patt scheint zementiert.

Ohne ÖVP ?

Doch am Donnerstag erreichten die SPÖ Signale aus der Opposition, vielleicht doch noch eine Mehrheit vor der Nationalratswahl im Herbst zu bekommen: Die Klubchefs der Grünen, vom BZÖ und vom Team Stronach zeigen sich für eine Reform offen: „Wenn es der SPÖ ernst ist, stehen wir für Verhandlungen ohne ÖVP und das Suchen anderer parlamentarischer Mehrheiten zur Verfügung“, heißt es aus dem Büro der Grünen Eva Glawischnig.

„Aber solange die SPÖ nicht erklärt, dass die Verhandlungen mit den Blockierern der ÖVP gescheitert sind, ist das reine Show, für die die Grünen nicht zur Verfügung stehen.“

Auch BZÖ-Chef Josef Bucher stünde bereit: „Wir werden uns vernünftigen Reformen, die dazu dienen, den ÖVP-Reformstau im Bildungsbereich aufzuheben, sicher nicht verschließen. Ein neues Lehrerdienstrecht hat das BZÖ immer verlangt und steht für Verhandlungen offen“, erklärt der Parteichef im KURIER-Gespräch. Er werde sich aber sicher nicht „für koalitionäre Spielchen“ missbrauchen lassen.

Da auch der Klubchef vom Team Stronach, Robert Lugar, wäre willens, eine Reform mitzutragen, käme die rot-grün-orange-gelbe Koalition locker auf eine Mehrheit. „Wenn die Gewerkschaft nur blockiert, muss man über sie drüberfahren“, sagt Lugar zum KURIER. Er stehe für Verhandlungen jederzeit zur Verfügung.

SPÖ bleibt pakttreu

Damit liegt der Ball wieder bei den Sozialdemokraten. Inoffiziell wird das Angebot der Opposition bei den Roten freudig begrüßt. Aber offiziell heißt aus dem Kanzlerbüro von Werner Faymann nur knapp: „Natürlich ist es unser Ziel, eine Mehrheit für ein neues Dienstrecht zu finden. Es ist aber nicht unsere Intention, gegen die ÖVP zu stimmen.“

Damit erhöht sich noch mehr der Druck auf die ÖVP, nicht als Blockierer-Partei übrig zu bleiben.

Am Mittwoch hatte die 29. Verhandlungsrunde über ein neues Lehrerdienstrecht ein unrühmliches Ende genommen: Sowohl Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) als auch der Chef der Lehrergewerkschaft Paul Kimberger baten um Vertagung, da sie den leicht modifizierten Vorschlag der SP-Ministerinnen erst durchrechnen wollten.

Beamtenministerin Gabi Heinisch-Hosek hat die Mehrkosten beider Systeme bereits ausrechnen lassen, dem KURIER liegen die Daten vor: Demnach würde das Modell der Gewerkschaft (GÖD) ab 2015 um rund 25 Millionen Euro mehr kosten, bis 2020 sogar 60 Millionen Euro mehr als jenes der SPÖ. Und bis 2050, wenn alle Lehrer nach dem neuen Dienstrecht angestellt sein werden, gar um 350 Millionen mehr.

Im KURIER-Gespräch schießt Heinisch-Hosek scharf gegen den Verhandlungspartner: Das Modell der Gewerkschaft beinhalte nur höhere Einstiegsgehälter für Junglehrer ohne eigentliche Reform. „Nur mehr Geld und gleiche Arbeitsleistung kann nur teurer werden“, ärgert sich die Ministerin. Sie biete höhere Einstiegsgehälter – und verlange dafür von den Pädagogen mehr Anwesenheit in den Schulen.

Außerdem widerspricht sie dem Argument von Lehrergewerkschafter Paul Kimberger, wonach beim neuen Modell die Lebensverdienstsumme geringer ausfällt: „Die Lebensverdienstsumme aller, die neu beginnen, würde höher werden. Die Gewerkschaft macht unzulässige Vergleiche, wenn sie das behauptet.“

Nicht nur die Regierung, auch die Lehrergewerkschaft hat zuletzt ihr Modell adaptiert, wie Lehrer künftig bezahlt werden sollen. Im Folgenden ein Überblick über die derzeit gültige Regelung und die adaptierten Vorschläge der Lehrer sowie der Regierung. Letzterer wird derzeit in den Verhandlungen allerdings nur noch von Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Gabriele Heinisch-Hosek (beide SPÖ) vertreten, die ÖVP und ihre Lehrerdienstrechts-Verhandlerin Finanzministerin Maria Fekter haben sich zuletzt wiederholt von dem im Mai 2012 gemeinsam vorgelegten Regierungsvorschlag distanziert. Die SPÖ beharrt indes darauf, dass es nur eine Regierungsposition gebe.

STATUS QUO: Derzeit steigen Bundeslehrer (AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen) mit rund 2.220 Euro in den Dienst ein, Landeslehrer (Volks-, Haupt-, Neue Mittelschule (NMS), Sonder-, Berufs- Polytechnische Schule) mit 2.025 Euro. Alle zwei Jahre gibt es automatische Gehaltssprünge, insgesamt sind es 17 bzw. 18, bis Bundeslehrer bei einem Höchstgehalt von 5.140 Euro und Landeslehrer bei 4.500 Euro landen. Hintergrund für den Unterschied ist die derzeit unterschiedliche Dauer der Ausbildung (Bundeslehrer: neun Semestern an der Uni sowie einjähriges Unterrichtspraktikum, Landeslehrer: sechssemestrige Bachelorausbildung).

Für ihr Gehalt müssen Pflichtschullehrer derzeit 20 bis 22 Wochenstunden unterrichten, wobei ihr Jahresarbeitszeitmodell ihnen zusätzlich vorgibt, wie viel Zeit etwa für Vor- und Nachbereitung und andere Tätigkeiten vorzusehen ist. Insgesamt gilt für sie eine Normarbeitszeit von 1.776 Stunden pro Jahr. Lehrer an Bundesschulen müssen grundsätzlich 20 Wochenstunden unterrichten, wobei bestimmte Fächergruppen wie Schularbeitsfächer aber wegen des Korrekturaufwands höher beurteilt werden und damit de facto zu weniger Zeit in der Klasse führen, andere mit wenig Vorbereitungsaufwand (z.B. Turnen) zu geringerer Bewertung und damit zu mehr Stunden. In der Praxis ergibt das zwischen 18 und 22 Stunden pro Woche, dazu kommt die nicht in Stunden angegebene Vor- und Nachbereitung des Unterrichts.

REGIERUNGSVORSCHLAG: Das Einstiegsgehalt soll für alle Lehrer bei 2.420 Euro brutto bei einer Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden liegen. Dabei sollen sich Klassenvorstände (und damit de facto alle Volksschullehrer) sowie Mentoren, die Junglehrer künftig in den Beruf einführen sollen, eine Stunde ersparen. Eine weitere Stunde könnte laut aktuellem Vorstoß von Schmied und Heinisch-Hosek durch die Abhaltung einer Betreuungs- und Beratungsstunde wegfallen. Vorgesehen sind sieben Gehaltsstufen, die erste Vorrückung soll erst nach 13 Jahren erfolgen. Gehaltsstufe 2 liegt bei 2.760 Euro, nach 17 Arbeitsjahren sind es 3.100 Euro, nach 22 Jahren 3.440 Euro, nach 27 Jahren 3.780 Euro, nach 33 Jahren 4.120 Euro und in der letzten Gehaltsstufe nach 39 Jahren 4.330 Euro.

Ein direkter Vergleich derzeitiger Gehälter mit der geplanten Kurve ist nicht möglich: Anders als bisher sollen die Lehrer nämlich je nach Fach Zulagen erhalten. In der Sekundarstufe I (AHS-Unterstufe, Hauptschule, NMS) wären das etwa für Deutsch und Fremdsprachen, Mathematik etc. 24 Euro pro Wochenstunde zusätzlich, in der Sekundarstufe II (AHS-Oberstufe, BMHS) in diesen Fächern 36 Euro. Zwölf Euro zusätzlich sollen Lehrer bekommen, die in der Oberstufe Geografie, Geschichte oder ähnliche Fächer unterrichten. Extra Geld ist auch vorgesehen für Bildungs- und Schülerberatung oder Berufsorientierung.

GEWERKSCHAFTSVORSCHLAG: Er sieht wie der Vorschlag der Regierung eine gleichbleibende Lebensverdienstsumme bei einer flacheren Gehaltskurve vor. Dabei rechnet allerdings die Gewerkschaft mit Echtzahlen, die Regierung mit der "Barwert-Methode", die angibt, welchen Wert künftige Zahlungen in der Gegenwart haben. Das Anfangsgehalt soll beim Gewerkschaftsmodell für Landeslehrer 2.420 Euro, für Bundeslehrer 2.430 Euro brutto betragen und ab der ersten Gehaltssteigerung nach fünf Jahren wegen der derzeit noch unterschiedlichen Ausbildungsdauer verschieden stark ansteigen.

So würde ein Bundeslehrer nach neun Jahren die 3.000 Euro-Marke knacken, ein Landeslehrer aber erst nach elf Jahren an diese Summe herankommen. Das Endgehalt würde nach 40 Jahren erreicht und läge bei rund 4.400 Euro für Bundes- und rund 3.800 Euro für Landeslehrer. Ab jenem Zeitpunkt, zu dem die Absolventen der neuen Lehrerausbildung mit verpflichtendem Master für alle ihren Dienst antreten, soll laut Gewerkschaftsmodell dann für alle Lehrer die Bundeslehrer-Staffel gelten.

Zusätzlich soll es von Anfang an ein Prämiensystem geben: Dafür soll ein Budget von 2,5 Prozent aller Lehrergehälter entsprechend der Personalzahlen an die Schulen verteilt werden, damit die Schulleiter gemeinsam mit der Personalvertretung Prämien an jene Lehrer vergeben können, die etwa in ihrer Freizeit Theaterprojekte durchführen. Die Einzelprämie soll dabei mindestens zehn Prozent der jeweiligen Gehaltsstufe betragen. Um Willkür zu verhindern, sollen Kriterien für die Vergabe festgelegt werden.

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