Lehrerdienstrecht: "Den Karren flottkriegen"

Die ÖVP schlägt einen Kompromiss vor, SPÖ und Gewerkschaft reagieren positiv.

In die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaft über ein neues Lehrerdienstrecht kommt doch noch Bewegung. Die ÖVP präsentierte gestern einen Kompromissvorschlag. „Wir wollen den Karren flottkriegen“, sagte Finanzministerin Maria Fekter, als sie den Entwurf gemeinsam mit Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle erläuterte.

Kern des neuen Dienstrechts sollen höhere Einstiegsgehälter sein, dafür flachere Lohnerhöhungen im Lauf des Berufslebens. Fekter: „Die Verdienstsumme über ein Arbeitsleben bleibt gleich.“ Die ÖVP will Pflichtschullehrern und Bundeslehrern 2400 € Einstiegsgehalt bezahlen. Anders als im bisherigen Regierungsentwurf soll die Lohnkurve jedoch nicht für alle Lehrer vereinheitlicht werden, sondern nach Lehrergruppen ausgerichtet bleiben. Fekter: „Die einheitliche Gehaltsstaffel hat sich in den bisherigen Verhandlungen mit der Gewerkschaft als unüberwindliche Hürde erwiesen.“

Kein „Stundenzählen“

Bei der Lehrverpflichtung will die ÖVP vom „Unterrichtsstundenzählen wegkommen“, sagte Töchterle. Pädagogische Aufgaben seien heute mehr als der konventionelle Unterricht in der Klasse. Dazu würden auch Förderkurse, gemeinsamer Projektunterricht und pädagogische Tätigkeiten am Nachmittag gehören. Die ÖVP will statt der Unterrichtsverpflichtung eine „Präsenzpflicht an der Schule“ einführen, die all diese Aufgaben umfasst. Diese Präsenzpflicht soll „über dem Niveau der derzeitigen Unterrichtsverpflichtung liegen“ und zwischen Dienstgeber und Gewerkschaft noch ausgehandelt werden.

Als Basis für diese Verhandlungen sollen die Aufgaben des Lehrers definiert werden. Nichtpädagogische Aufgaben sollen wegfallen, und im selben Ausmaß soll die Präsenzverpflichtung steigen. Zur Erfüllung der nichtpädagogischen Tätigkeiten sollen jährlich 100 Personen Unterstützungspersonal beschäftigt werden, im Vollausbau könnten es bis zu 2000 Personen sein. Gemeint sind Schulpsychologen, Personal für Administratives und zur Sprachunterstützung.

Als weiteren wichtigen Punkt kündigte Fekter an, dass bei allen Schulrenovierungen künftig Arbeitsplätze für Lehrer außerhalb des Klassenzimmers eingerichtet werden.

Erklärtes Ziel der ÖVP ist, dass das neue Dienstrecht für neu eintretende Lehrer bereits ab Herbst gilt. Es könne entweder mittels Initiativantrag noch in der Juli-Sitzung des Nationalrats beschlossen werden. Oder, was wegen der Zeitknappheit wahrscheinlicher erscheint, in einer Sondersitzung des Nationalrats rechtzeitig vor Schulbeginn.

Fekter und Töchterle gaben sich gestern überzeugt, die Lehrergewerkschaft für ihr Modell gewinnen zu können. Beide Minister führten in letzter Zeit viele Gespräche mit der Lehrergewerkschaft, Fekter über das Dienstrecht, Töchterle über die Lehrerausbildung, die gerade im Nationalrat behandelt wird. „Wir wissen, wo die neuralgischen Punkte sind“, sagten die beiden. Töchterle räumte ein, dass ihn „das Gezänk“ über das Lehrerdienstrecht schon nerve, weil es große Fortschritte wie die Reform der Lehrerausbildung überdecke.

Hinter den Kulissen hatte freilich auch ÖVP-Chef Michael Spindelegger Druck gemacht und auf Beamtenboss Fritz Neugebauer eingewirkt. Die ÖVP fürchtet, dass aus Anlass des Schulbeginns im Herbst ihre Blockadehaltung beim Lehrerdienstrecht erneut durch den Kakao gezogen wird – und das wenige Wochen vor der Nationalratswahl am 29. September.

Mit einem neuen Dienstrecht würde nicht nur die ÖVP diesen Makel loswerden, sondern auch die große Koalition Lösungskompetenz beweisen – verbunden mit der Hoffnung, dass die Wähler das honorieren ...

Was schreibt die Gewerkschaft der ÖVP ins Mitteilungsheft? Also, wie beurteilen die Standesvertreter den neuen Vorstoß zum Lehrerdienstrecht der Minister Fekter und Töchterle?

„Dieser Vorschlag ist grosso modo mit einem starken Realitätssinn ausgestattet. Das ist schon einmal ein Quantensprung. Ich halte ihn für einen sehr guten Ansatz. Da sind wir mit an Bord. Nun werden wir im Detail weiterreden.“ So sieht Fritz Neugebauer, Chef der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst (GÖD), das Papier seiner Parteikollegen. Besonders erfreut ist er über „das eindeutige Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft“ – ein Seitenhieb auf Kanzler Werner Faymann, der erklärt hat, das Dienstrecht könnte auch ohne Zustimmung der Lehrer beschlossen werden.

Positiv ist für Neugebauer auch, dass es eine „wissenschaftliche Analyse des neuen Lehrerbildes“ geben soll. Die Aufgaben der Pädagogen sollen genau festgehalten werden. In Sachen Arbeitszeit sagt Neugebauer zum KURIER: „Das muss man noch vertiefen. Da steht wenig drinnen.“ Kann die Lehrverpflichtung auch höher werden? „Das werden wir alles sehen.“

Budgetzwänge

Wie sieht es mit dem Supportpersonal aus? Die Gewerkschaft hat sich 13.500 Sozialarbeiter, Verwaltungsbedienstete und Schulpsychologen gewünscht. Die ÖVP spricht von maximal 2000. „Ich freue mich, dass das Thema des Unterstützungspersonals konkreter wird.“ Es sei zumindest erkannt worden, „dass ein Gutteil der Arbeit in die Bürokratie hineinfließt“. Dass es viel weniger Hilfskräfte geben soll als gefordert wurden, versteht Neugebauer: „Ich weiß natürlich, wie das Budget ausschaut.“ Wird es eine Einigung vor der Wahl geben? „Ja, wenn der Inhalt passt, sind wir dabei.“

So sieht das auch Lehrervertreter Paul Kimberger. Ihm gefällt am ÖVP-Vorstoß „die differenzierte Herangehensweise“. Im Gegensatz zum bisherigen Entwurf, will die Volkspartei ja, dass die unterschiedlichen Gehaltsstaffeln (Volksschul-, Hauptschullehrer; AHS-/BHS-Lehrer etc.) beibehalten werden. „Man kann einen Volksschullehrer schwer mit einem HTL-Lehrer vergleichen“, meint Kimberger.

Und was sagt die SPÖ? „Wir werden das Papier in Ruhe anschauen und auf Machbarkeit hin überprüfen“, kündigte Bildungsministerin Claudia Schmied an. Sie betonte auch, die SPÖ sei „froh“ darüber, „dass der ÖVP-Chef (Michael Spindelegger) nun das Thema ernst nimmt – und die ÖVP auch dank des Drucks des Bundeskanzlers offenbar Interesse hat, das gemeinsame Regierungsprojekt ins Ziel zu bringen“.

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