Leere Batterien: Wer tut sich die Politik noch an?

Leere Batterien: Wer tut sich die Politik noch an?
Arbeitstempo und Anfeindungen haben ein Niveau erreicht, vor dem selbst Minister und Landeshauptleute zunehmend kapitulieren. Wie kommt die Politik da wieder raus?

„So brutal war’s noch nie, jetzt sind nur noch die Allerhärtesten dabei.“ Als Werner Kogler Anfang der Woche bei einem Gartenfest in kleiner Runde von den Mühen der Politik erzählte, da traute manch Zuhörer seinen Ohren nicht.

Der Vizekanzler ist nachweislich belastbar. Vier Jahrzehnte hat er es bei den bisweilen streitlustigen Grünen ausgehalten; er musste die desperate Partei übernehmen, nachdem man 2017 aus dem Parlament geflogen war. Und dieser Mann sprach nun von einer neuen Härte?

Kogler konnte nicht wissen, dass keine 48 Stunden später ein neuer Beleg für seine These folgen sollte: Vorarlbergs Landeshauptmann verabschiedete sich vorübergehend aus dem Amt. Und er war nicht alleine: Schon davor waren mehrere Spitzenpolitiker einem Druck gewichen, der auch die Experten beschäftigt. „Es sollte nachdenklich stimmen, wenn zwei Gesundheitsminister und mehrere Landeshauptleute bei ihren Rücktritten erzählen, dass Gewalt- und Morddrohungen gegen die Familie bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt haben“, sagt etwa Politik-Analyst Peter Filzmaier.

Tatsächlich hatten Markus Wallner, Günther Platter und zuvor schon die Minister Anschober und Mückstein explizit erwähnt, dass Stress und Anfeindungen mittlerweile einfach zu viel seien.

Ist die Spitzenpolitik einfach nicht mehr aushaltbar?

Einer, der beide Welten – also Politik und Privatwirtschaft – gut vergleichen kann, ist Matthias Strolz. Nachdem er vor zehn Jahren die Neos gegründet und ins Parlament gebracht hat, zog sich der dreifache Familienvater 2018 zurück.

Mit ein Grund war das durch Digitalisierung und Soziale Medien gestiegene Tempo. „Ein Kreisky hat sich morgens seinen Kaffee geholt, die Zeitung gelesen und im Büro telefoniert und Termine gemacht. Heute hängt man ständig auf Twitter, schaut um halb zwei in der Früh noch online TV-Sendungen nach, und man weiß, dass man die 100 unbeantworteten eMails zwischen 9 und 22 Uhr nicht beantworten wird, weil alles mit Veranstaltungen und Terminen durchgetaktet ist.“ Politikfreie Zeit? Fehlanzeige! „Du könntest eventuell im Auto eMails erledigen, aber du hast mitunter keinen Chauffeur, weil das als pompöse Geste verpönt ist.“

Das Tempo ist also enorm. Hinzu kommt ein Mehr an negativer Energie. „Die Politik ist das verletzendste Teilsystem unserer Gesellschaft“, sagt Strolz. „Nirgendwo sonst gibt es Hundertschaften, die in der Früh aufstehen und sich überlegen: ,Wie kann ich der Konkurrenz höchst effektiv und kunstvoll Schaden zufügen. Es wäre naiv zu glauben, dass das mit einer Branche nichts tut.“

Kommentare