Bäuerin sucht Anerkennung

Die Tiroler Landtagsabgeordnete Kathrin Kaltenhauser berichtet stolz von der "Weiberwirtschaft" bei ihr zu Hause
Frauen führen 40% der Bauernhöfe. Ihre Rolle wird oft verkannt.

Was in europäischen Königshäusern mittlerweile Normalität ist, hat sich auch an österreichischen Bauernhöfen vollzogen: Bleibt der männliche Hoferbe aus, wird das Zepter eben an die Tochter übergeben.

Bäuerin sucht Anerkennung
Der Hof, dem Österreichs Vorzeige-BäuerinElisabeth Köstingerentstammt, wird von deren Schwester geführt. Die Tiroler LandtagsabgeordneteKathrin Kaltenhauserberichtet stolz von der "Weiberwirtschaft" bei ihr zu Hause: Mit Oma, Mutter und den beiden Töchtern betreiben vier Frauen den Familienhof. Und das sind keine Einzelfälle. Auf vierzig Prozent der 170.000 Bauernhöfe sind Frauen offiziell die Betriebsführerinnen.

Die Bäuerinnen gewinnen, unabhängig davon, ob sie nun offiziell Betriebsführerinnen sind oder nicht, an Einfluss in der Politik. Der mächtige Arm der Landwirtschaft in der Politik ist der ÖVP-Bauernbund. Da kommen langsam, aber stetig Frauen in höhere Positionen. So sitzt an der Schaltstelle der niederösterreichischen Landesdirektion mit Klaudia Tanner eine Frau, ebenso wie in Salzburg mit Maria Sauer. Theresia Meier ist Obfrau der Bauernversicherung, Köstinger Vizepräsidentin des Bauernbunds. Und es ist beileibe nicht so, dass diese Frauen nur die Auslage behübschen sollen. Als EU-Abgeordnete war Köstinger Chefverhandlerin für die europaweite Vergabe von 90 Fördermilliarden in den nächsten sieben Jahren.

Bäuerin sucht Anerkennung
Tiroler Bauernbund_Dir. Tanner: © Niederösterreichischer Bauernbund
Der Weg nach oben, wo man wirklich etwas zu sagen hat, war nicht einfach. "Ich war mitunter die einzige Frau in männerdominierten Gremien. Ich musste mir meine Anerkennung beinhart erarbeiten", erzählt Köstinger. Die Akzeptanz laufe über inhaltliche Kompetenz. "Da ist es schon so, dass Frauen drei Mal mehr beweisen müssen als Männer, dass sie wissen, wovon sie reden", sagt Köstinger.

Dass noch nie eine Frau die Spitze von Landwirtschaftskammern und Bauernbund erklomm, liege jedoch nicht an hinhaltendem Widerstand von Männern, sagen die Bäuerinnen. Frauen würden neben der Arbeit auf dem Hof und mit den Kindern oft nicht auch noch die Zeit für politische Funktionen finden. Und so kommt es, dass Bauernbund-Präsident Jakob Auer im Bemühen, mehr Frauen in Funktionen zu holen, Körbe einsammelt.

Die Bundesbäuerinnen, eine überparteiliche Frauenorganisation mit Sitz und Stimme im Bauernbund-Präsidium, will gegensteuern. In eigenen Workshops werden Bäuerinnen für eine politische Tätigkeit ausgebildet und ermuntert, sich zu engagieren.

Bäuerin sucht Anerkennung
Tiroler Bauernbund_Dir. Sauer: © Peter Cristian Mayr
Die Tatsache, dass nur 3,5 Prozent der Österreicher in der Landwirtschaft beschäftigt sind, verstellt oft den Blick auf die Größe und den Einfluss dieser Branche. Über die Sozialpartnerschaft und die Regierungsbeteiligung der ÖVP, wo 25 Prozent der Abgeordneten aus dem Bauernbund kommen, erlangt kein Steuer-, kein Umwelt- und schon gar kein Lebensmittelgesetz ohne Placet der Bauern Rechtskraft.

44.447 Quadratkilometer oder 53 % der Fläche Österreichs werden von Bauern bearbeitet, 20 % davon biologisch (EU-Schnitt: 5,6 %). Ein heimischer Bauer ernährt heute 109 Menschen, im Jahr 2000 waren es 68.

Die Menge an produzierten Lebensmitteln im Jahr ist beeindruckend: 4,8 Milliarden Kilogramm Getreide; 3,5 Milliarden Liter Milch; 3,1 Milliarden Kilo Zuckerrüben; 928 Millionen Kilo Fleisch; 775 Millionen Kilo Gemüse; 665 Millionen Kilo Erdäpfel; 529 Millionen Kilo Obst; 220 Millionen Liter Wein und 1,68 Milliarden Stück Eier. Agrarprodukte und Lebensmittel im Wert von fast zehn Milliarden Euro werden exportiert, das sind 7,5 Prozent der heimischen Ausfuhren.

Bäuerin sucht Anerkennung
Tiroler Bauernbund_KR Schwarzmann: © LK Österreich
In der Anerkennung für diese Arbeit siehtAndrea Schwarzmann,Chefin der Bundesbäuerinnen, das größte Problem. "Die einen halten uns für Tierquäler in Massenproduktion, bei den anderen dominiert das Kitsch-Bild von der Heidi-Alm. Wir wollen beides nicht, weil beides falsch ist. Wir führen Wirtschaftsbetriebe, in denen wertvolle Produkte hergestellt werden." In Zeiten der Tiefkühlpizza aus dem Supermarkt gehe vielen Konsumenten zunehmend das Gefühl dafür verloren, wie viel Arbeit in der Produktion von Lebensmitteln steckt. "Wir haben uns vorgenommen, nicht nur in Kindergärten und Volksschulen, sondern verstärkt in höhere Schulen zu gehen, um die Jugendlichen dafür zu sensibilisieren, was auf den Teller kommt. Wir wollen ihnen vermitteln, dass das, was im Supermarkt-Regal liegt, hohen Wert hat."

Dass die Bäuerinnen-Organisation durchaus etwas bewegen kann, hat sie mit ihrer Kampagne gegen die Lebensmittelverschwendung bewiesen. Die Berichte über die Tonnen von Brot, die täglich weggeworfen werden, blieben im Bewusstsein hängen.

Dass das arbeitsame Bäuerinnendasein für Frauen generell unattraktiv ist, weist Schwarzmann zurück. "Ein Bauernhof bietet viel Raum für persönliche Entfaltung. Wir tun auch sehr viel, um die Lebensqualität zu steigern. Dass Bauern auf Urlaub fahren und sich vertreten lassen können, ist heute selbstverständlich." Es sei sogar wieder ein kleiner Aufbruch zurück zum Landleben spürbar.

Wenn dennoch ein Bauer keine Frau findet, solle er den Fehler bei sich selbst suchen, rät die resolute Vorarlbergerin unverblümt. Schwarzmann: "Auch Bäuerinnen wollen partnerschaftlich behandelt werden. Das werden die Männer anerkennen und sich ändern müssen. Sie müssen eine Frau zum Leben suchen und nicht eine Arbeitskraft."

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