Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat am 1. Jänner den Vorsitz in der Landeshauptleutekonferenz übernommen.
KURIER: In wenigen Tagen wird in Niederösterreich gewählt und viele Beobachter glauben, dass es danach wegen der Ergebnisse von ÖVP und SPÖ auch ein bundespolitisches Beben geben wird. Wie sehen Sie das?
Hans Peter Doskozil: Es ist für die ÖVP eine angespannte Situation. Sie braucht für die Wahl der Landeshauptfrau ein Übereinkommen, weil sie die absolute Mehrheit im Landtag verliert. Da kommt es dann auf den Veränderungswillen der anderen Parteien an, wie gut sie sich akkordieren können. Man hat ja in Wiener Neustadt gesehen, was alles möglich ist. Da hat auch eine bunte Mehrheit die SPÖ abgelöst, obwohl diese damals die stärkste Partei gewesen ist. Da entsteht schon ein Druck in Richtung ÖVP.
Gibt es nicht auch einen Druck in Richtung SPÖ, falls man diesmal hinter der FPÖ landet?
Natürlich, weil die Erwartungshaltung ist, Zweiter zu bleiben. Ich wünsche den Freunden in Niederösterreich ein gutes Ergebnis. Ich habe bei meinem Besuch in Wiener Neustadt eine ambitionierte, motivierte Truppe gesehen.
Aber Niederösterreich wird nicht die Bundespolitik verändern, weder die Regierung noch die Bundes-SPÖ?
Unmittelbar wird sich nichts ändern. Wenn, dann spitzt sich die Situation zu, aber es gibt keine Veränderungen.
Die nächste logische Frage wäre eine in Richtung der SPÖ-Bundesvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner. Aber Sie haben sich dazu ja ein Schweigegelübde auferlegt.
Ich bin kein Mönch, der sich ein Schweigegelübde auferlegt. Ich will aber auch nicht immer das Herz auf der Zunge tragen. Aber ich scheue auch nicht, bei sachpolitischen und parteipolitischen Themen meine Meinung zu sagen. Ich will nicht – wie andere Politiker – viel reden und wenig sagen, sondern immer auch konkret bleiben. Natürlich ist der Zustand der Sozialdemokratie derzeit nicht optimal, wenn man die Umfrageergebnisse anschaut. Aber es ist jetzt nicht die Zeit, angesichts der Wahlen in Niederösterreich, Kärnten und Salzburg öffentlich darüber zu diskutieren. Daher ist es besser, nicht allzu großartig darüber zu philosophieren.
In den momentanen Umfragen ist die FPÖ an erster Stelle. Wenn man sich in den anderen Parteien umhört, dann will niemand mit ihr regieren. Ist das zu viel Scheu?
Wenn es darum geht, die Macht zu erhalten, wenn es um Ministerposten geht, ist die ÖVP schon wieder bereit, mit der FPÖ in eine Koalition zu gehen. Da ist die Situation aber eher umgekehrt. Die FPÖ will höchstwahrscheinlich mit der ÖVP nicht mehr in eine Koalition gehen, weil sie genau gesehen hat, was die ÖVP mit ihr gemacht hat. Da geht es nicht nur um die Person Sebastian Kurz, das liegt vielmehr in der DNA der ÖVP.
Ist das in der SPÖ ähnlich?
Wir merken das auch bei uns. Im Hinblick auf die kommende Wahl entsteht derzeit ein gewisses Vakuum. Und jetzt sind ÖVP-Funktionäre plötzlich auf Kuschelkurs in Richtung SPÖ. Wenn es aber am Ende des Tages wieder darum geht, die Macht zu erhalten oder zu bekommen, dann ist alles wieder vergessen. Dann gibt es beinharte Parteipolitik. Dafür ist die ÖVP bekannt. Das hat nicht nur die FPÖ, das haben wir auch schmerzhaft mitbekommen.
Daraus höre ich, dass bei einer Koalitionsmöglichkeit Ihnen die FPÖ lieber wäre als die ÖVP.
Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube aber, dass es der ÖVP guttun würde, darüber nachzudenken, was von der Bevölkerung geliehene Macht bedeutet. Deswegen wäre es für sie gar nicht schlecht – das meine ich jetzt nicht polemisch –, auch die Erfahrung der Opposition zu machen. Damals, nachdem Kurz ausgeschieden ist, war ich im Präsidium als Einziger gegen eine Vierer-Koalition mit den Freiheitlichen, auch wegen ihrer Corona-Politik. Daher ganz konkret: Ich würde derzeit eine Dreierkoalition mit Grünen und Neos bevorzugen. Österreich hat sich eine neue Konstellation verdient.
Die FPÖ ist aber nicht tabu?
Das sagt auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, dass keine demokratische Partei tabu ist, wenn sie unseren Wertekompass teilt.
Aber ist Herbert Kickl tabu?
Er ist eine Symbolfigur, es gibt aber auch andere in der FPÖ. Das müsste man ad hoc beurteilen. Welches Angebot kommt, welche Personen im Vordergrund stehen, was ist die realpolitische Ausrichtung in der Migrationsfrage, was bedeutet Integration. Gerade an solch sensiblen Bereichen müsste man die FPÖ messen und danach entscheiden. So wie sich die freiheitliche Partei jetzt gibt, wäre das sicherlich extrem schwierig. Meine Präferenz ist daher klar eine Dreierkoalition mit Neos und Grünen, weil man da viele Dinge neu denken könnte.
Sie stehen seit 1. Jänner an der Spitze der Landeshauptleutekonferenz. Eines der wichtigsten Themen wird der Anstoß für eine Gesundheitsreform sein. Was sind da Ihre Ansätze?
Man muss das aus dem Blickwinkel aus der Bevölkerung beurteilen. Wenn heute jemand eine ärztliche Leistung dringend braucht, hat man kaum mehr eine Chance, das sofort zu bekommen – außer man zahlt es privat. Im niedergelassenen Bereich gibt es keine Wochenenddienste mehr. Das ist ein Ergebnis, dass man beim Ärztegesetz dem Lobbyismus der Ärztekammer erlegen ist, wodurch die Kurie jetzt für sich selbst per Verordnung entscheiden kann, wie sie den Wochenenddienst gestaltet. Und die möchte das nur noch auf freiwilliger Basis anbieten. Die letzte Konsequenz ist, dass die Menschen in die Spitäler gehen und die Ambulanzen überfüllt sind. Das ist eine Negativspirale nach unten.
Wie kann man diese durchbrechen?
Das System gehört komplett neu gedacht. Zuerst einmal bei den Studenten. Wenn jemand in Österreich studiert und der Steuerzahler zahlt dieses Studium, dann muss der eine gewisse Zeit in Österreich bleiben. Das will aber die Ärztekammer nicht, weil es dann wieder unter den Ärzten einen Wettbewerb um die Posten geben würde. Dann muss man sich überlegen, was die Rolle der öffentlichen Hand sein soll. Man muss den Spitalsträgern auch die Möglichkeit geben, zu schauen, wo sie Einnahmen lukrieren können. Dass das geht, sieht man an den Spitälern im Westen.
Beim Neudenken des Systems wird man bei der Ärztekammer auf Widerstände stoßen.
Ich brauche die Ärztekammer nicht dabei, man muss endlich einmal seitens des Bundes so weit sein, dass wir das gesetzlich regeln. Die Ärztekammer hat nur deswegen so viel Macht, weil wir sie bundesgesetzlich mit so viel Macht ausgestattet haben. Wer sagt denn, dass die Ärztekammer diese Macht braucht. Das gehört beseitigt.
Kommen wir noch zum ORF. derzeit wird diskutiert, wie er in Zukunft finanziert werden soll. Und gleichzeitig wird über die Unabhängigkeit des ORF diskutiert, vor allem am Beispiel des ORF-Landesdirektors in Niederösterreich. Sie haben bei diesem Thema den Verfassungsgerichtshof bemüht.
Die aktuelle Debatte in Niederösterreich ist bis zu einem gewissen Grad scheinheilig, weil derzeit Führungsfunktionen vielfach parteipolitisch besetzt werden. Vom Generaldirektor abwärts. Das müsste neu diskutiert und geregelt werden. Daher haben wir die VfGH-Beschwerde eingebracht.
Und die Finanzierung?
Da müsste man sich zuerst über den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF unterhalten. Nehmen wir den Breitensport oder die Kultur her: Da kommt zwar der ORF, aber nur, wenn solche Sendungen von außen mitfinanziert werden. Und dann muss erst recht wieder das Land einspringen.
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