Kurz verpatzt Kern die Bilanz
Reinhold Mitterlehners Abschied, Sebastian Kurz’ Aufstieg und der unmittelbar einsetzende Wahlkampf machen sie zunichte: Die geplante Feier zum einjährigen Jubiläum von Christian Kern als Bundeskanzler am 17. Mai.
Dabei hatte alles so schön begonnen, die Post-Faymann-Inszenierung als der coole Kanzler, als ein Medienkanzler, der die Macht über seine Bilder behält und sich nicht auf ein paar "Soundbites" reduzieren lässt. Der Dauerstreit in der Koalition kam freilich dazwischen.
Von Kern selbst stammt: "95 Prozent der Politik besteht aus Inszenierung". Und er selbst stellt das – gepaart mit geschliffener Rhetorik – ab Tag eins im Amt unter Beweis. "Ab heute läuft der Countdown um die Herzen in diesem Land", sagt Kern bei seinem Antritt und, dass er das Land "mit jeder Faser unseres Wollens" in die richtige Richtung bringen will.
"Die SPÖ hat sich vom Inhalt wenig verändert – vom Stil sehr wohl", sagt SP-Kenner und Politologe Anton Pelinka. "Solange die Partei wahrnimmt, dass Kern populärer als die Partei ist, hat er viel Freiraum. Kerns Bonus sind Rhetorik, Stil – ein Auftreten wie Emmanuel Macron. Man könnte glauben, wüsste man es nicht besser, Macron hat Kern studiert. Kern ist sehr flott, sehr cool, sehr in. Und das bringt ihm offenkundig Bonuspunkte."
Verstärkt wird dieser Bonus durch des Kanzlers durchaus erfolgreichen Umgang mit den sozialen Medien. Instagram und Facebook lässt er von seinem Team bespielen – Twitter ist Chefsache, Kern schreibt seine Botschaften "ausschließlich persönlich".
Auch für Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer ist die Inszenierungsstrategie Kerns "aufgegangen" – bis hin zu seinem "Plan A" und der Retro-Broschüre der ÖVP gegen ihn. Bachmayer: "Das war sehr geschickt von Kern. Nicht nur hat er dieses seltsame Manifest übergangen, er hat es zu seinem eigenen Werbemittel gemacht." Inhaltlich ist für den OGM-Chef in Wirtschaft und Bildung etwas gelungen, wobei die Schulautonomie noch nicht in trockenen Tüchern ist. In der Flüchtlingspolitik ist die SPÖ unter Kern nach rechts gerückt. Offen sind etwa die Abschaffung der kalten Progression und andere Reformen – etwa der Sozialversicherungen.
Unterm Strich, so Bachmayer, habe der Kanzler "gute Persönlichkeitswerte, er habe auch der Bundes-SPÖ leicht verbesserte Werte beschert – im Gegensatz zum Zustand so mancher Landespartei. Der ist eher ein Jammer."
Nicht nur Inszenierung sieht die Linguistin und Ideologieforscherin Elisabeth Wehling. Kern sei in vielen seiner Aussagen authentisch. Er rede nicht nur kleinteilig über das politische Tagesgeschäft, er präsentiere auch immer wieder seine größere politische Vision. Damit gebe er den Menschen Orientierung und sage wofür die SPÖ steht. Wehling: "Das ist Kern mit seinem Plan A sicher gelungen."
Nicht gelungen ist freilich seine Umsetzung. Aber dafür dient Plan A nun als 145-Seiten starke Wahlkampfbroschüre der SPÖ.
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