Werbeagentur-Chef: "Die FPÖ ist schlagbar"

Alexander Van der Bellen konnte auf breite Unterstützung aus Bevölkerung bauen
Weil sie den Rechtspopulismus niederrang, ist Van der Bellens Wahlkampf-Agentur heißt begehrt.

Die FPÖ ist den anderen Parteien bei der politischen Kommunikation weit voraus. Die FPÖ nutzt Internet-Foren wie Facebook, um sich direkt an Wähler zu wenden und ihnen allerlei Behauptungen mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt aufzutischen. Das läuft im Prinzip ab wie früher mit Parteizeitungen, nur dass für Adressaten im Internet oft nicht sofort ersichtlich ist, ob es sich bei einer "Nachricht" um Partei-Propaganda handelt.

Botschaften wirksam im weiten Web zu verbreiten – darin ist FPÖ-Kampagnenleiter Herbert Kickl ein Meister. Das gesteht ihm auch die Konkurrenz zu. "Die FPÖ ist hier tatsächlich weit voraus. Aber ihre vermeintliche Unbesiegbarkeit ist jetzt angeknackst, die FPÖ ist schlagbar", sagt Andreas Putz, Chef jener Agentur, die Alexander Van der Bellen zum Sieg führte.

Werbeagentur-Chef: "Die FPÖ ist schlagbar"
Martin Radjaby-Rasset Jung von Matt/Donau Werbeagentur GmbH Bei Nennung HONORARFREI

Die Agentur Jung von Matt wurde bereits mehrfach preisgekrönt. Seit die ganze Welt Zeugin wurde, wie Österreich den Brexit-Trump-Trend durchbrach, haben Putz & Co Guru-Status erreicht. Aus Frankreich, Großbritannien, Deutschland und der Schweiz werden sie bestürmt: Wie habt Ihr das bloß gemacht? Wie habt Ihr den Populismus besiegt? "Interessiert sind nicht nur politische Parteien. Die Wirtschaft hat überraschend schnell reagiert", erzählt Co-Geschäftsführer Martin Radjaby. "Es herrscht großes Interesse an unserem Know-how, wie man komplexe Themen einfach kommuniziert und wie man einen vermeintlichen Trend bricht."

Werbeagentur-Chef: "Die FPÖ ist schlagbar"
Martin Radjaby-Rasset Jung von Matt/Donau Werbeagentur GmbH Bei Nennung HONORARFREI

Begonnen hat alles mit einem Regelbruch. Die Werbe-Profis haben den intellektuellen Städter Van der Bellen als Landmenschen porträtiert und von einer Seite gezeigt, die der Öffentlichkeit unbekannt war. "Auch wir waren überrascht, wie sehr Van der Bellen im Kaunertal verankert ist", sagt Radjaby. Ein weiterer Regelbruch war, den vermeintlich rechten Begriff "Heimat" den Rechten wegzunehmen, um Van der Bellen aus dem zu engen Grün-Bereich zu holen.

Eine harte Nuss gab Van der Bellen den Werbern zu knacken, indem er darauf bestand, das sperrige und wenig beliebte Europa-Thema als zentrale Botschaft in seine Kampagne einzubauen.

Zusammenarbeit in Europa. Hm. Heimat und Europa. "Du brauchsch mi und i brauch di" wurde schließlich daraus. Eine Kopf-Botschaft in einer Weise formuliert, sodass sie emotional berührt.

Das Genie bei Jung von Matt ist Putz. In den späten 1980ern lernte er in der damals legendären GGK unter Hans Schmid (dieser machte für Franz Vranitzky Wahlkämpfe) das Handwerk von der Pike auf. Wie damals die GGK ihrer Zeit voraus war, ist es Putz heute. 266 Videos produzierte seine Agentur im VdB-Wahlkampf und schickte sie ins Netz. Putz: "Unser Ziel war, selbst Themen zu setzen und für etwas einzutreten, nicht nur dagegen zu sein." Außerdem berühren Videos emotional und machten Individuen aus der Masse der VdB-Unterstützer sichtbar. Am berühmtesten wurde Frau Gertrude.

Doch kreativ zu sein, reicht nicht. Wahlkampf im Internet heißt, bis zur Erschöpfung zu schuften. Radjaby: "Wir haben ununterbrochen unzählige Foren durchforstet, wir haben jedes einzelne Posting, das gegen Van der Bellen gerichtet war, aufgespürt und eine Antwort gepostet. Wir waren always on, weil auch die FPÖ always on war. So etwas ist mühselige Kleinarbeit, eine echte Hacke."

Das Ergebnis habe die Mühe gelohnt. Putz: "Wie man sieht, ist der Rechtspopulismus kein Schicksal, das wir erdulden müssen."

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