Kurz trifft auf Erdogan: Gespräch "wahrscheinlich"

Sebastian Kurz sieht die Sache "locker".
Im Vorfeld posten Hacker eindeutige Botschaft an Außenminister: "Wer bist du denn Kleiner!"

Tagelang wurde darüber spekuliert, jetzt dürfte es fix sein. Wie der KURIER aus der Umgebung von Außenminister Sebastian Kurz erfuhr, ist ein Treffen zwischen dem heimischen Außenamtschef und Tayyip Erdogan sehr "wahrscheinlich". Der türkische Premier wird am Donnerstag einen umstrittenen Auftritt in Wien haben.
Bei der Begegnung will Kurz den österreichischen Standpunkt darlegen. Zusammengefasst laute dieser: Man wolle keinen türkischen Wahlkampf hierzulande (die Türkei wählt im August einen neuen Staatspräsidenten, Erdogan gilt als möglicher Kandidat). Und eine aggressive Sprache sei abzulehnen. Kurz habe im Vorfeld des Besuches von Erdogan mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu telefoniert und sich mit dem türkischen Botschafter in Wien getroffen.

"Wer bist du denn Kleiner!"

Genau diese kritische Position des Außenministers brachte Kurz am Montag einen Hacker-Angriff auf seine Website ein. Eine türkische Hackergruppe hatte die Seite des österreichischen Außenministers mit der eindeutigen Botschaft "Wer bist du denn Kleiner!" verunstaltet. Aggressive Worte, die wohl als Reaktion auf seine kritischen Worte im Vorfeld des Erdogan-Besuchs zu sehen sind.

"Erdogan können mit falschen Aufrufen einen Spalt in die Gesellschaft treiben, den wir hier in Österreich definitiv nicht brauchen", hat Sebastian Kurz nämlich vor einigen Tagen in einem Interview gesagt. Das blieb in der Türkei offenbar nicht ohne Nachhall. Auf türkisch, englisch und deutsch postete die Hackergruppe, die sich Akincilar (Räuber) nennt: "Du kannst nicht entscheiden, wie unser Premierminister zu reden hat". Neben dem Bild des türkischen Ministerpräsidenten prangt jenes von Sultan Süleyman dem Prächtigen, der als einer der bedeutendsten Osmanenherrscher gilt.

Kurz trifft auf Erdogan: Gespräch "wahrscheinlich"

Die Gruppe, die sich selbst als "Wir sind Akincilar, Wir sind Osmanen, Wir sind die Türkei!" vorstellt, rückt Premier Erdogan in holprigem Deutsch in die Nähe der großen Osmanenherrscher. "Erdogan ist der Nachkommen der Ahnen, die bis nach Wien vorgedrungen sind, dem Grund und Boden" (auf dem ihr euch jetzt befindet).

Kurz sieht die Sache "locker"

Der Sprecher von Kurz, Gerald Fleischmann, bestätigte, dass auf der Fan-Seite des Außenministers, auf der Fotos hochgeladen werden könnten, eine entsprechende Botschaft drei Stunden lang zu sehen gewesen sei. Den Außenminister lasse der Vorfall aber unbeeindruckt, er sehe die Sache "locker".

In der Vergangenheit sollen die selbst ernannten "Osmanen" bereits katholische Webseiten aufgrund missionarischer Aktivitäten aufs Korn genommen haben, ebenso wie kurdische Websites oder Internetauftritte, die die Leugnung des Genozids an den Armeniern durch die Türkei anprangern.

Ebenfalls kritisch sieht Kurz das Vorhaben der Islamischen Föderation: Sie plant laut Salzburger Nachrichten eine türkischsprachige Predigerschule in Österreich. An einem entsprechenden Bildungszentrum in Wien-Simmering wird laut Sprecher Yakup Gecgel bereits gebaut. Bei der "Imam-Hatip"-Schule soll es sich demnach um ein türkischsprachiges Privatgymnasium zur Prediger-Ausbildung handeln. "Das ist der völlig falsche Weg", so Kurz. Er tritt demnach für eine öffentliche Imam-Ausbildung ein.

7169 Zuschauer in der Albert-Schultz-Eishalle, bis zu 10.000 beim Public Viewing davor – sämtliche Gegendemonstrationen noch nicht mitgezählt: der Wien-Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag wird für die Exekutive zu einer immensen Herausforderung.

Am Montagnachmittag wurde die Veranstaltung der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), die Erdogan offiziell anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens nach Wien eingeladen hatte, von den Behörden genehmigt. Nun kann die Polizei die Sicherheitsbewertung und die Strategie für den Einsatz in Angriff nehmen. Laut Wiener Magistratsdirektion muss aber auch der Veranstalter einen Beitrag leisten und 100 Ordner stellen. Zudem müssen 14 Eingangsschleusen eingerichtet werden. Genehmigt ist das Event von 12.00 bis 17.00 Uhr. Um 14.00 Uhr beginnt das Programm.

Auswirkungen auf Öffis

Erdogans Besuch in der Schulz-Halle wird laut Wiener Linien auch Auswirkungen auf die öffentlichen Verkehrsmittel haben. Demnach werden die Linien 22A, 26A, 27A, 93A und 94A von etwa 10.30 Uhr bis voraussichtlich 20.00 Uhr kurz- bzw. abgelenkt geführt. Die Linie 25 kann nur bis etwa 10.00 Uhr fahren. Auf sicherheitspolizeiliche Anordnung wird bei der U-Bahn-Linie U1 die Station Kagran ab etwa 13.00 Uhr durchfahren. Die Wiener Linien empfehlen Besuchern der Veranstaltung, rechtzeitig mit der U1 anzureisen und für Hin- und Rückfahrt etwas mehr Zeit einzuplanen.

"Wir möchten eine Veranstaltung ohne Hetzkampagnen. Weil nachher müssen wir alle wieder miteinander leben", erklärte UETD-Vorsitzender Abdurrahman Karayazili im Vorfeld. "Wir sind keine Gefahr", betont er.

Bunt gemischte Gegner

Allerdings bestehen keine Zweifel daran, dass es Proteste gegen Erdogan geben wird. Bei der Polizei waren am Montag zwar noch keine Demos angemeldet, doch auf Facebook rufen mehrere Initiativen zu Kundgebungen auf.

Und die sind bunt gemischt: Türkische Organisationen wollen etwa auf dem Columbusplatz, auf dem Opernring oder in der Venediger Au protestieren; das linke "Demokratische Bündnis gegen Erdogan" versammelt sich auf dem Praterstern und die rechte Bewegung "Die Nationale Österreich" auf dem Heldenplatz. Der "Verein zur Förderung des Gedankenguts Atatürks in Österreich" kündigte dagegen eine Gegen-Demo mit mehr als 1000 Teilnehmern in der Nähe des Veranstaltungsorts an.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner: "Wir stellen uns darauf ein. Neben einem Groß-Aufgebot von Uniformierten werden auch der Verfassungsschutz, die Terrorismusbekämpfung und die Cobra-Einheit vor Ort sein." Wie viele Kripobeamte sich unter die türkische Community mischen werden, wurde nicht bekannt gegeben.

Ob es bei der Kundgebung zu Ausschreitungen kommen wird, machte Mikl-Leitner von Erdogan abhängig: "Es hängt vom Auftreten des Premierministers ab. Die Aufforderung von Außenminister Kurz, sensibel vorzugehen, ist der richtige Weg. Falsche Worte können schnell vieles kaputt machen."

Dass die eher kleine Albert-Schultz-Halle nicht die ideale Auswahl für die populistische Erdogan-Kundgebung ist, bestätigte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner indirekt: "Wir können uns den Veranstaltungsort nicht aussuchen."

Sorge um Ordnung und Sicherheit macht man sich auch bei den Grünen. Erdogan habe vor, "seinen geplanten privaten Aufenthalt in Österreich gezielt zur politischen Verhetzung von hier leben türkischen Staatsbürgern zu nützen", meint etwa Peter Pilz angesichts einer Rede, die Erdogan kürzlich vor Anhängern in Köln gehalten hatte. In einer parlamentarischen Anfrage fordert er Außenminister Sebastian Kurz zur Stellungnahme auf.

Sorgen der Anrainer

Unterdessen bereiten sich die Anrainer rund um die Eishalle auf das Groß-Event vor. Während Kebap-Standler das Geschäft des Jahres wittern, sind andere besorgt, wenn nicht sogar wütend. "Der türkische Premierminister soll samt seinen Parolen zu Hause bleiben, wo er hingehört", sagt eine Trafikantin, die namentlich nicht genannt werden will.

Blumenhändlerin Susanne Kuppelwieser befürchtet wiederum, dass ihr Geschäft bei möglichen Ausschreitungen in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Sie will noch mit der Polizei beraten, ob sie es am Donnerstag lieber geschlossen lassen soll – "bevor noch meine Blumentöpfe durch die Gegend fliegen. Ich habe nichts gegen Türken, einige sind enge Freunde von mir", sagt sie. "Aber dass hier ein solcher Zirkus veranstaltet wird, ist für mich unverständlich."

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