Kritik an Einschränkungen der Pressefreiheit "gerade in der Krise"
Morgen, Sonntag, ist der Tag der Pressefreiheit. Schon am Samstag wurden Rufe nach mehr Pressefreiheit in Österreich "gerade in der Coronakrise" laut - unter Kritik von Gewerkschaft und Opposition an der Medienpolitik der Regierung. Gefordert wurde eine Reform der Medienförderung und die Zurücknahme der Beschränkungen beim Zugang zu Regierungspressekonferenzen.
Österreich stürzte im internationalen Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen zweimal ab, von Platz 11 zuletzt auf Platz 18. Das sei Folge der "heftigen Attacken" auf die Pressefreiheit unter Türkis-Blau gewesen, aber auch unter Türkis-Grün sei sie weiter gefährdet, meinte die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp - unter Hinweis auf den beschränkten Zugang zu den Corona-Pressekonferenzen der Regierung, aber auch auf "Versuche, in einer auch für etliche Medien existenzbedrohenden finanziellen Situation per Inseratenkeule wohlwollende Berichterstattung zu befördern".
Medienförderung an Qualitätskriterien binden
Gerade jetzt zeige sich, wie wichtig verlässliche Information und sorgfältig recherchierte Beiträge seien. Um qualitätsvollen Journalismus zu stärken, müsse die Medienförderung neu ausgerichtet werden, forderte Gewerkschafts-Vorsitzender Eike-Clemens Kullmann deutlich mehr Mittel und deren Vergabe nach Qualitätskriterien wie Einhaltung von Gesetzen und Kollektivverträgen oder Mitgliedschaft beim Presserat.
Und die Gewerkschaft stellte fest, dass es "wohl nicht sein kann, dass ArbeitnehmerInnen per Kurzarbeit, Personalabbau, Arbeitslosigkeit und in verschlechterten Beschäftigungsverhältnissen den Großteil der Zeche" für die Coronakrise zahlen.
Drozda kritisiert Message Control
Ausreichende Finanzierung des Qualitätsjournalismus verlangte auch die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr: "Gerade in der Krise ist es besonders wichtig, dass JournalistInnen frei arbeiten können." Eine Reform der Presseförderung in Richtung Digitalisierung, Stärkung des dualen Systems und Sicherstellung der Finanzierung auch freier Medien verlangte SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda.
Er kritisierte die Regierungs- und Medienarbeit unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP): "Message Control" sei das oberste Gebot, "unabhängige freie Medien, die kritisch berichten und nachhaken, sind da natürlich unerwünscht", meinte er - und verlangte, dass ausländische Journalisten wieder zur den Regierungs-Pressekonferenzen zugelassen werden.
Auch Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter beklagte den Ausschluss von Auslandskorrespondenten von den Corona-Pressekoferenzen - und übte insgesamt scharfe Kritik an der Regierung: "Kanzler Kurz eifert dem autoritären Medienverständnis von Viktor Orban nach. Mit aufgeblasenen PR-Abteilungen in den Ministerien will er das Machtverhältnis gegenüber den Medien für sich begünstigen." Brandstötter forderte "mehr journalistische Freiheit in Österreich" - und dafür auch "endlich" ein Informationsfreiheitsgesetz.
Kurz verteidigt Sonder-Medienförderung
Kurz reagierte auf die Kritik mit einer Aussendung, in der er betonte, dass sich die Regierung "uneingeschränkt" zur Pressefreiheit bekenne. Die von der Regierung geschaffene Sonderförderung diene "dem Erhalt einer unabhängigen, pluralistischen und vielfältigen Medienlandschaft". Auf die Kritik am eingeschränkten Zugang zu den Regierungs-Pressekonferenzen ging der Bundeskanzler nicht ein.
"Pressefreiheit und ein starker sowie unabhängiger Medienstandort sind wesentliche Eckpfeiler unserer Demokratie", meinte Kurz. Dazu bekenne sich die Regierung auch im Regierungsprogramm. Und "wir bekennen uns zu einer Medienpolitik, die Grundwerte sicherstellt und Innovationen fördert". Zentrale Aufgabe sei auch, auf die durch Digitalisierung und Globalisierung veränderten Rahmenbedingungen zu reagieren.
"Auf das Allerschärfste zu verurteilen" sei es, so Kurz, wenn in anderen Ländern die Medienfreiheit massiv eingeschränkt und mit Polizeirepression und Haftstrafen gegen die Presse vorgegangen wird. "In jeder Form inakzeptabel" sei Gewalt gegen Journalisten, "es ist auch erschütternd, wenn wie gestern in Berlin Kamerateams brutal angegriffen werden," so Kurz.
EU kritisiert "bedenkliche" Entwicklungen
Auch die Europäische Union hat vor dem Tag der Pressefreiheit Hindernisse für Medien in der Corona-Krise scharf kritisiert. "Es ist sehr bedenklich, dass die Covid-19-Pandemie in einigen Ländern als Vorwand benutzt wird, um der Pressefreiheit unzulässige Beschränkungen aufzuerlegen", heißt es in einer Erklärung, die der Außenbeauftragte Josep Borrell am Samstag im Namen der 27 EU-Staaten abgab.
Borrell betonte, die Krise zeige, wie wichtig die Arbeit von Journalisten sei. In Zeiten der Unsicherheit sei der Zugang zu zuverlässiger und faktengeprüfter Information ohne unzulässige Einflussnahme unverzichtbar. "Journalisten müssen ungehindert arbeiten können", heißt es weiter. Die Pressefreiheit sei der Grundstein demokratischer Gesellschaften.
Doch gebe es in allzu vielen Ländern restriktive Vorschriften, Abschaltungen des Internets oder einzelner Websites sowie Hetzkampagnen, finanziellen Druck und Angriffe. Zu viele Reporter seien Opfer von Schikanen, zu viele hätten ihre Arbeit bereits mit dem Leben bezahlt.
"Die Europäische Union arbeitet innerhalb und außerhalb ihres Hoheitsgebiets daran, den Folgen entgegenzuwirken, die die Pandemie für die Gesundheit, die Menschenrechte und die sozioökonomischen Bedingungen, auch der Medienunternehmen, mit sich bringt", erklärte Borrell. Dazu gehöre die Förderung glaubwürdiger Quellen, die Entkräftung falscher und die Löschung illegaler Inhalte.
Kommentare