Kritik an Abkühlphase bei Scheidung

Gabriele Heinisch-Hosek und Justizministerin Beatrix Karl
Experten befürchten, dass das geplante Gesetz alles andere als deeskalierend wirkt.

Wir katapultieren das Familienrecht ins 21. Jahrhundert.“ Euphorisch haben die Ministerinnen Beatrix Karl und Gabriele Heinisch-Hosek im Oktober die Reform präsentiert. Es ist Ernüchterung eingetreten – bei jenen, die das neue Familienrecht genau studiert haben. Betroffenen und Experten missfällt Wesentliches, wie aus den Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf hervorgeht.

Abkühlphase

Sechs Monate nach einer strittigen Trennung entscheidet ein Richter, ob es gemeinsame Obsorge geben soll oder nur ein Elternteil erziehungsberechtigt ist. Bis dahin bleibt das Sorgerecht so, wie es vor dem Beziehungs-Aus war. Der Bundesverband für Psychotherapie befürchtet, dass die Abkühlphase „nicht zur Deeskalation führt, sondern eine eskalierende Zuspitzung der Auseinandersetzung befördert oder sogar provoziert“. Die Therapeuten warnen: Weil das halbe Jahr maßgeblich für das Urteil des Richters ist, würden sowohl Mütter als auch Väter versuchen, „Fakten in ihrem Interesse zu schaffen“. Die Abkühlphase sollte ein Jahr dauern. Die Informationsstelle gegen Gewalt ist gegen verordnete Mediation für Frauen, die misshandelt wurden. „Diese dürfen nicht zu Sitzungen mit dem Kindesvater verpflichtet werden.“

Standesamt

Das gemeinsame Sorgerecht sollen ledige Eltern künftig beim Standesamt beantragen können (bisher bei Gericht). Das behagt vielen nicht. Der Oberste Gerichtshof (OGH) weist darauf hin, dass die Standesbeamten die Eltern rechtlich informieren müssen. Dafür seien diese nicht geschult. Es müssten „entsprechende Ressourcen für Ausbildungsmaßnahmen bereitgestellt werden“ – also Geld und Personal.
Der Fachverband der Standesbeamten plädiert dafür, alles zu belassen, wie es ist – also bei den Gerichten. Städte und Gemeinden seien „finanziell und personell an der Grenze des Belastbaren“. Zudem gehe es um komplexe, rechtliche Bestimmungen.
Ähnlich argumentiert das Wirtschaftsressort: „Es ist nicht einsichtig, weshalb die in Familienrechtsangelegenheiten versierten Familiengerichte in dieser sensiblen Rechtsmaterie nicht ansprechbar sein sollen.“

Den Verein Autonome Frauenhäuser/Informationsstelle gegen Gewalt sorgt, dass ledige Mütter „massiv unter Druck geraten“ könnten, einem Antrag auf gemeinsame Obsorge zuzustimmen – und die Standesbeamten diesen nur entgegennehmen, aber nicht ablehnen können.

Kosten

Dem Rechnungshof fehlen konkrete Angaben darüber, wie sich die Familienrechtsreform finanziell auswirkt. Und der OGH prophezeit einen „nicht unbeträchtlichen Aufwand“, der im geplanten Gesetz nicht berücksichtigt sei.

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