Krise im VfGH: Höchstgericht in tiefen Nöten

Krisenhaft: VfGH-Präsident Gerhart Holzinger muss die von Richter-Kollege Johannes Schnizer ausgelöste Krise nun meistern
13 Verfassungsrichter müssen nun entscheiden, ob sie gegen einen Kollegen ein Verfahren einleiten.

Für gewöhnlich, soviel Ehrlichkeit ist zumutbar, ist der vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) ausgerichtete "Verfassungstag" keine Angelegenheit, die die innenpolitische Berichterstattung rasend beschäftigt.

Für gewöhnlich feiern das offizielle Österreich, Rechtsgelehrte und Höchstrichter den "Geburtstag" der Bundesverfassung (1. Oktober 1920) eher unter sich: Eine Festrede im Verhandlungssaal, klassische Musik, ein Steh-Empfang – alles keine große Sache.

Doch am Freitag war vieles anders.

Ein halbes Dutzend Journalisten hatte sich unter die Zuhörer gemischt. Kameras und Mikrofone wurden aufgebaut, und immer wieder wurde in den getäfelten Räumen in der Wiener Renngasse gefragt: Würde er kommen? Und falls ja, würde er über die Angelegenheit noch einmal sprechen?

Mit der "Angelegenheit" sind jene beiden Interviews gemeint, die Verfassungsrichter Johannes Schnizer Anfang der Woche gab, und die im Höchstgericht zu einer ernsten Krise geführt haben (der KURIER berichtete).

Enormer Schaden

Wie am Tag zuvor, als der VfGH öffentlich über Agrargemeinschaften verhandelt hat, ließ sich Schnizer gestern entschuldigen. Doch auch so drückte er dem Tag den Stempel auf.

VfGH-Präsident Gerhart Holzinger vermied es, die Debatte erneut anzufachen. Die meisten Gäste wussten ohnehin, was er davon hielt, dass Schnizer einen Verfahrensbeteiligten öffentlich verunglimpft und seine politische Haltung wie sein Wahlverhalten preisgeben hatte. – Der Schaden war groß genug, allfällige Erwähnungen würden ihn nur noch vergrößern.

Holzinger hatte die Rechnung ohne Thomas Drozda gemacht. Der Kanzleramtsminister wollte die laufenden Querelen nicht außen vor lassen und nutzte seine Grußrede für eine alte, durchaus umstrittene Forderung: das Öffentlich-Machen der gerichtsinternen Abstimmungen ("Dissenting Opinion").

Die Debatte um das Höchstgericht? Sie ist beileibe nicht ausgestanden.

Berufsverbot

Noch am Freitag forderte Neos-Justizsprecher Niki Scherak ein Berufsverbot für Verfassungsrichter. "Es kann nicht sein, dass die obersten Hüter der Verfassung nur einer Nebentätigkeit nachgehen. Das Wachen über die Verfassung muss hauptberuflich erfolgen", sagt Scherak zum KURIER.

Im Gerichtshof selbst bemüht man sich händeringend um Schadensbegrenzung.

Laut dem KURIER vorliegenden Informationen, hat eine schmale "Abordnung" aus Schnizer wohlgesonnenen Kollegen versucht, dem umstrittenen Richter die Tragweite seines Ausrittes bewusst zu machen – ohne Erfolg.

Und so wird in den nächsten Tagen geklärt, ob es zum Äußersten kommt, nämlich: Zu einem Disziplinarverfahren, an dessen Ende sogar Schnizers Abschied aus dem VfGH stehen könnte.

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