Kraker im Rechnungshof: Eine steirische Überraschung

Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker
Die Rechnungshofpräsidentin agiert erstaunlich unabhängig. Die Herkunft vom Land hilft ihr dabei.

Macht braucht Kontrolle. Diesen Slogan, erfunden von der ÖVP im Hofburgwahlkampf 1992, hat sich die amtierende Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker offenkundig zum Leitmotiv erkoren.

Vergangene Woche zerzauste die der ÖVP entstammende Kraker ein Prestigeprojekt der türkis-blauen Bundesregierung. „Es fehlen transparente und nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen“, moserte sie über die Fusion der Sozialversicherungsträger. Kraker forderte die Regierung auf, das „Spiel mit Zahlen“ zu beenden, und rügte, dass Sparpotenzial und Kosten der Kassenfusion fehlten oder „nicht seriös berechnet“ seien.

Es war nicht das erste Mal, dass Kraker aufgezeigt hat: Ihren Vorgänger im Rechnungshof, den jetzigen Reformminister Josef Moser, belehrte sie, dass bloße Rechtsbereinigung keine Bürokratiereform ersetze: „Wenn jene Gesetze entfallen, die nie angewendet wurden, gibt es ja nicht weniger Bürokratie. Das ist bloß ein Beschäftigungsprojekt für die Ministerien.“

Im vergangenen Sommer fragte Kraker die Bevölkerung nach Vorschlägen für Rechnungshofprüfungen. Immer wieder urgiert sie Einblick in Graubereiche, etwa in intransparente Parteifinanzen.

Dabei wurde die 57-jährige Steirerin bei ihrer Kür zur Chefkontrollorin der Republik nicht gerade mit Vorschusslorbeeren überschüttet. Kraker hatte ihre Karriere als Büroleiterin des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer begründet, und das ließ Zweifel aufkommen, ob sie den Umstieg vom Regierungsbüro zur Kontrollorin schaffen würde. Kraker war nicht die Wunschkandidatin von Neos und Grünen. Doch die Zweifel der Opposition scheinen ausgeräumt. „Margit Kraker bemüht sich sehr, gute Arbeit für das Parlament zu leisten. Ich schätze sie sehr“, sagt Irmgard Griss, Vorsitzende des parlamentarischen Rechnungshof-Ausschusses. Es sei auch „wichtig und richtig“, dass sich Kraker regelmäßig öffentlich zu Wort melde, um dem Rechnungshof gebührendes Gehör zu verschaffen, meint Griss.

Kraker verdankt ihren Aufstieg ins oberste Kontrollorgan der Republik den letzten Gemeinsamkeiten, die die rot-schwarze Koalition 2016 gerade noch zusammenkratzen konnte. Werner Amon (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) boxten sie damals durch und verhinderten eine schwarz-blaue Personalbestellung (in Gestalt von Helga Berger), die Reinhold Lopatka und Heinz-Christian Strache eingefädelt hatten.

Strache geißelte damals auf Facebook Krakers Kür als Ausfluss des „rot-schwarzen Machtkartells“. Die Antipathie seitens der FPÖ ist Kraker bis heute geblieben. Sie solle sich ihre „tagespolitischen Zwischenrufe“ und ihre „unpassenden Wortspenden“ sparen, richtet ihr FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz regelmäßig aus.

Die ÖVP steckt Rechnungshofkritik hingegen professionell weg. „Der Kanzler weiß, dass jeder seine Rolle hat. Er ruft nicht an und regt sich auf“, erzählen Eingeweihte. Sollte sich Sebastian Kurz dennoch ärgern, lässt das Kanzlerbüro zumindest nichts davon merken. „Wir nehmen die Rechnungshofkritik ernst und liefern geforderte Zahlen nach“, heißt es am Ballhausplatz.

Margit Kraker bezieht ihre Unabhängigkeit aus mehreren Umständen. Die Spitze des Rechnungshofs ist per Gesetz auf zwölf Jahre gewählt und nicht absetzbar.

Kraker ist 57 Jahre alt und will nichts mehr werden. Leute, die sie kennen, beschreiben sie als verantwortungsbewusst und sachlich.

In der Regel tun sich Zuzügler aus den Bundesländern schwer, wenn sie nach Wien wechseln und in der Bundeshauptstadt nicht vernetzt sind. Im Fall von Kraker entpuppt sich das jedoch als Vorteil. „Sie ist niemandem etwas schuldig“, heißt es im ÖVP-Klub. Inzwischen ist sie von Graz in den Speckgürtel übersiedelt, die wienerische Gewohnheit der Verhaberung will sie sich jedoch nicht aneignen.

Kraker drängt sich nicht in die Öffentlichkeit, Interviews gibt sie selten, Fernsehauftritte absolviert sie mehr aus Pflicht als aus Lust. Wenn sie jedoch auftritt, spricht sie klar und nicht verschwurbelt wie Josef Moser. „Vielleicht“, meint ein

ÖVPler, „kommt ihre Kritik auch deshalb sehr akzentuiert rüber.“

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