Korruptionsexperte: "Eine Hausdurchsuchung kann jeden treffen"
Als Ermittler hat er im Innenministerium korrupte Polizisten verfolgt, als Dekan baute er die Anti-Korruptionsakademie in Laxenburg auf: Mit dem KURIER sprach Martin Kreutner darüber, wie korrupt Österreich ist.
KURIER: Herr Kreutner, gegen den Finanzminister und einen Ex-Minister wird ermittelt, der wichtigste Sektionschef im Justizministerium wurde suspendiert. Von außen macht Österreich gerade einen eher seltsamen Eindruck. Täuscht der?
Martin Kreutner: Eines vorweg: Was die Verwaltung angeht – von der Polizei über das Gesundheitswesen bis hin zur Justiz und den Gemeinden –, kann Österreich stolz sein: Da hat sich eine positive Kultur etabliert. Um es mit einem Beispiel zu sagen: Wer bei einer Verkehrskontrolle 50 Euro in den Führerschein legt, um den Beamten zu bestechen, bekommt ziemlich sicher Probleme. Dieses Amtsverständnis hat dazu geführt, dass man wirtschaftlich gut dasteht, denn der Wirtschaftsstandort profitiert massiv von einer guten Justiz und Verwaltung. In anderen Bereichen sehe ich allerdings noch Aufholbedarf.
Wo zum Beispiel?
Generell wird es immer dort problematisch, wo – auch aufgrund der Kleinheit des Landes – Entscheidungseliten in Politik und Wirtschaft meinen, sie müssten sich bei Kaffeekränzchen oder Sauschädelessen Dinge ausmauscheln. Die Übergänge sind da fließend. Aber die Nähe, die manche Protagonisten zueinander pflegen, wird im Ausland kritisch gesehen.
Bei der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft ist der Vorwurf genau anders: Es wird moniert, die Justiz agiere gegenüber der Politik überschießend und ignoriere den Image-Schaden, der etwa bei Ministern entsteht.
Die Justiz hat den gesetzlichen Auftrag zu ermitteln, ohne „Politiker-Bonus“ aber auch ohne „Politiker-Malus“. Ein Staatsanwalt wacht nicht in der Früh auf und sagt: „Ich verfolg’ jetzt den Herrn Mayer, weil mir das gerade einfällt.“ Ein Staatsanwalt macht sich strafbar, ermittelt er nicht auf klarer gesetzlicher Grundlage. Was den politischen Diskurs betrifft, bräuchte es mehr Gelassenheit und Abgeklärtheit.
Bei Hausdurchsuchungen?
Verstehen Sie mich nicht falsch: Eine Hausdurchsuchung ist ein massiver Grundrechtseingriff. Aber diese kann bei entsprechender Verdachtslage theoretisch jeden Staatsbürger treffen. Und der- oder diejenige muss das aushalten, ohne sich politisch und medial wehren zu können. Ich plädiere für mehr Vertrauen in die Justiz: Zwangsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen werden von Richtern kontrolliert und genehmigt. Und zusätzlich gibt’s den Instanzenzug. Wenn Maßnahmen widerrechtlich waren, werden sie aufgehoben.
Betroffene irritiert, dass nicht diskret ermittelt wird …
Als ehemaliger Ermittler sage ich Ihnen: Die unmittelbar am Fall arbeitenden Ermittlungsbehörden haben das allergeringste Interesse, dass etwas in die Öffentlichkeit kommt. Alles, was nach außen dringt, macht die Arbeit komplizierter, mehr noch: Mitunter gefährdet es die gesamten Ermittlungen, weil Betroffene vorgewarnt werden. Die sogenannten Leaks kommen in den meisten Fällen von anderen, die Akten-Einsicht haben – nicht von Ermittlern selbst.
Was halten Sie vom geplanten Bundesstaatsanwalt?
Viel. Ich fände es gut, ihn als Kollegialorgan anzulegen. Man könnte die Senatspräsidenten von Oberlandesgerichten und Ähnlichem die letzten drei oder fünf Jahre ihrer Karriere ins Gremium entsenden.
Und was ist mit der parlamentarischen Kontrolle?
Gegenfrage: Warum soll die Letztverantwortung beim Parlament liegen? Wir haben verfassungsgesetzlich verankerte Gewaltenteilung. Und wir haben Oberste Gerichte, den Verfassungsgerichtshof, etc. sie alle unterliegen nicht der Endkontrolle der Politik. Die Politik ist berufen, Justizpolitik zu machen. Aber wenn das Parlament beginnt, im Nachhinein einzelne Fälle zu bewerten, landen wir im rechtsstaatlichen Mittelalter.
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