Allerdings liegt das Dokument der Begierde dem Ausschuss immer noch nicht vor. Eine interessante Frage an Justizminister Alma Zadić (Grüne), die heute als Auskunftsperson geladen ist: Warum lässt der Bericht von Fuchs auf sich warten, während es jeden Monat stapelweise Chatlieferungen gibt?
Dem KURIER liegen die 103 Seiten vor. Im Fokus des Fuchs-Berichts steht nicht die gesamte WKStA, bei der rund 40 Staatsanwälte arbeiten, sondern es geht primär um vier Oberstaatsanwälte, die, so die Kritik von Fuchs, „die Aufsichtstätigkeit der Oberbehörden in clamorosen Strafsachen bewusst und systematisch infrage stellen“.
Um diese Systematik zu zeigen, schildert Fuchs einige Vorfälle. Unter den vier genannten Oberstaatsanwälten (sie werden in Justizkreisen auch die „fantastischen vier“ genannt) befindet sich Christine Jilek, die nun das Anti-Korruptionsvolksbegehren mit aus der Taufe hob. Als „symptomatisch hervorzuheben ist die ausdrückliche betonte Ablehnung, eine persönliche, direkte und unmittelbare Weisung vom damaligen Justizminister Clemens Jabloner in ihrer Form und ihrem Inhalt zu akzeptieren“, schreibt Fuchs.
Worum geht es hier konkret? Fuchs bezieht sich auf eine hitzige Besprechung im August 2019 – also drei Monate nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos. Die WKStA ortete eine Befangenheit bei den SOKO-Tape-Beamten. Der Ermittler Niko R. hatte mit Ex-Vizekanzler Strache Chatverkehr und kandidierte einige Jahre zuvor für die ÖVP für den Gemeinderat. Die WKStA forderte eine Überprüfung der Beamten.
Jabloner stellte in der Sitzung klar, dass die „von der WKStA erwünschte Überprüfung der Ermittlungsorgane deren Aufgabe überspanne“. Jilek konterte dem Minister, dass ihrer Meinung nach die Anscheinsbefangenheit anders zu beurteilen sei.
Die durchaus unübliche Debatte zwischen dem damaligen Vizekanzler und der Oberstaatsanwältin endete damit, dass der honorige und noble Jabloner sehr zum Missfallen der WKStA erzürnt meinte, „dann mache ich das mit der Befangenheit auch mit Weisung“. Sprich, der Minister erteilte wegen des Widerstands aus der WKStA eine Weisung, dass die Zugehörigkeit zu einer Partei noch nicht den Anschein einer Befangenheit begründe.
Ein weiteres bemerkenswertes Detail findet sich in dem Dossier. Einerseits monierte die WKStA in der Öffentlichkeit, dass nur die Staatsanwaltschaft Wien über den Fund des Ibiza-Videos von der SOKO Tape informiert wurde. Andererseits weigerten sich die Korruptionsjäger, das Video zu übernehmen und in vollem Umfang eigenständig zu sichten.
Ein Widerspruch, den die Oberstaatsanwaltschaft Wien nicht nachvollziehen konnte. Erst als diese eine Weisung gab, nahm die WKStA das Ibiza-Video von der SOKO Tape entgegen. Die WKStA hätte es lieber gesehen, wenn diese Aufgabe von der SOKO übernommen worden wäre, schrieb Fuchs. Eine interessante Argumentation, hatte doch die WKStA die Befangenheit der Ermittler thematisiert …
Auch den ewigen Konflikt zwischen dem mittlerweile suspendierten Sektionschef Pilnacek und der WKStA beschreibt Fuchs in seinem Bericht. Ex-Justizminister Josef Moser hatte eine Mediation zwischen Pilnacek, Fuchs und der WKStA eingeleitet. Fuchs beklagt sich in dem Bericht, dass die Fronten trotz einiger Versuche, eine „vertrauensvolle dienstliche Zusammenarbeit wiederherzustellen“ nicht überwunden werden konnten – vor allem vonseiten der WKStA. Diese wolle ihr „Verhaltensmuster“, also den Vorwurf der Unsachlichkeit und Befangenheit gegenüber Vorgesetzten, nicht ändern.
Am Ende des Dossiers bittet Fuchs um eine umfassende Erörterung der dargestellten Konflikte durch Verantwortliche im Justizministerium. Zadić wird heute die Frage beantworten müssen, ob der Wunsch von Fuchs gehört wurde oder nicht.
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