Konflikt in der Koalition: "Die Grünen sind ziemlich aufgerüttelt"
In ORF-Sendungen wird offen über einen fliegenden Koalitionswechsel spekuliert, Kanzler Sebastian Kurz hatte sich zuletzt auffallend der SPÖ angenähert, bis Wiens Bürgermeister Michael Ludwig den Spekulationen ein Ende setzte: Sollte Türkis-Grün zerfallen, gibt es Neuwahlen, sagt Ludwig.
Steht es um die türkis-grüne Koalition tatsächlich schlecht? Sind Neuwahlen eine reale Gefahr?
Unmittelbar nicht. Aber wetten, dass Türkis-Grün im Herbst 2024 regulär ausläuft, würden derzeit wohl wenige Experten.
„Die Grünen sind aufgerüttelt“, heißt es aus dem Inneren der Regierung. Dabei macht dem kleinen Regierungspartner weniger des Kanzlers Techtelmechtel mit der SPÖ zu schaffen, als der Umgang der ÖVP mit Flüchtlings- bzw Zuwandererkindern. Bereits im Herbst war es für die Grünen schwer zu verdauen, dass Österreich keine Kinder aus den schlammigen und nicht winterfesten Flüchtlingslagern aus Griechenland aufnahm. Die grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein rettete sich mit Attacken auf Kurz („Ihm sind Stimmen von der FPÖ wichtiger als Kinder“) über den Wien-Wahlkampf.
Gegen die Abschiebung der 12-jährigen Tina protestierten vier grüne Abgeordnete vor Ort, in der Regierung versuchten sie, Innenminister Karl Nehammer umzustimmen. Vergebens.
Die ÖVP stellt sich auf den Standpunkt: Die Grünen hätten die Linie der ÖVP in der Asyl- und Migrationspolitik gekannt, als sie in die Koalition eintraten, und damit müssten sie nun leben.
Interview mit Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer (2)
Das stimmt im Prinzip auch. „Aber die ÖVP unterschätzt den Impact von jedem neuen Vorfall auf die Grünen. Wenn diese Koalition zerbricht, dann, weil sie in einen Bruch hineinschlittert, weil die ÖVP überzieht“, meint ein Grün-Insider.
„Die ÖVP gibt uns nur, was ihr gerade in den Kram passt“, klagen die Grünen. Es ist "eine gefühlte Alleinregierung der ÖVP". Strategen der Volkspartei kontern: „Die Grünen sollen halt ihre Regierungserfolge besser verkaufen.“
Nach freudvoller Zusammenarbeit klingt das nicht. Eine der wichtigsten Mitarbeiterinnen von Vizekanzler Werner Kogler, seine Beraterin Gabi Zornig, die die Grünen durch alle Höhen und Tiefen der letzten Jahre begleitet hat, verlässt gerade die Politik. Sie wechselt in den sicheren Hafen ÖBB. Zornigs Aufgabe im Kabinett von Kogler übernimmt die bisherige Hebein-Mitarbeiterin Theresa Vonach.
Auch der Anlass für den türkis-grünen Krach, dem humanitären Bleiberecht, ist noch nicht ausdebattiert. Grün-Klubobfrau Sigrid Maurer fuhr am Dienstag im Report schwere Geschütze gegen die ÖVP auf. Sie unterstellt, die ÖVP würde „Schulkinder wegräumen“, um vom Terror-Versagen des BVT und „aus dem Ruder laufenden Demonstrationen abzulenken“. Die ÖVP-Spitze fahre „einen Kurs der Kälte gegenüber Schulkindern“ und „täuscht sich in der Bevölkerung“.
Maurer verlangt, der Innenminister möge "etwas vorlegen, damit so etwas nicht mehr passiert". Von einem Ausstieg aus der Koalition will Maurer aber nichts wissen: "Wir werden weiter grüne Regierungspolitik machen."
Kommentare