SPÖ und ÖVP biegen in die Zielgerade ein

Faymann über höhere Steuern: „Wir wollen mehr Geld in Bildung investieren – und eine Steuerreform“.
Die Koalitionäre erwägen, die Familienbeihilfe doch anzuheben, um die Bürger zu besänftigen. Viele sind aufgebracht, weil Steuern erhöht werden.

Begleitet von Bläsern wurde am Montag Großes in der Hofburg aufgebaut: Ein 4,30 Meter hoher Christbaum. Heinz Fischer hat ihn zugestellt bekommen. Er möchte, dass ihm auch Rote und Schwarze alsbald Großes liefern – eine Regierung. Eine solche wollen auch SPÖ und ÖVP aufstellen. Den Landeshauptleuten berichteten Werner Faymann und Michael Spindelegger gestern im Kanzleramt über den Verhandlungsstand.

Einiges wurde bereits außer Streit gestellt, etwa höhere Steuern. „Wir wollen ja mehr Geld in Bildung investieren – und eine Steuerreform“, sagt Faymann. Inoffiziell versuchen Rote und Schwarze, den Steueraufpreis kleinzureden: „Das ist eine Belastung von lediglich drei, vier Euro pro Person und Monat.“

Groll

In sozialen Foren und an den Stammtischen wird dennoch gegrollt. Tenor: „Typisch. Statt zu sparen, greifen’s uns in die Taschen.“ Im Wissen darum bemühen sich die Verhandler, die Bürger milde zu stimmen. Indem sie etwas erwägen, was sie im Wahlkampf versprochen, hernach aus Geldnot aber verworfen haben: die Familienbeihilfe zu erhöhen. Seit dem Jahr 2000 ist das nicht geschehen. Jetzt drängen die Landeshauptleute darauf. „Ich gehe davon aus, dass die Familien zu mehr Geld kommen“, sagte Niederösterreichs Erwin Pröll nach der Zusammenkunft mit Faymann und Spindelegger.

Wie sollen die nötigen 200 Millionen Euro jährlich aufgebracht werden? „Da müssen wir jetzt kreativ sein“, tat Vorarlbergs Landeschef Markus Wallner kund, ehe er mit seinem oberösterreichischen Gegenüber Josef Pühringer zu neuerlichen Finanzverhandlungen eilte.

Bis 2018 sind ja 18 Milliarden Euro einzusparen, fünf davon von den Ländern. Die Landeshauptleute geben sich kooperativ. „Wenn Steuerausfälle auf uns zukommen, muss auf Länderebene natürlich reagiert werden“, sagt Vorarlbergs Wallner. SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl befindet: „In den Krisenjahren 2009 bis 2011 habe ich schon größere Schwierigkeiten bewältigt.“

Einen Wunsch der Länder werden die Oberen im Bund wohl nicht erfüllen, weil die SPÖ dagegen ist: alle Lehrer zu „verländern“. Derzeit ressortieren die Pflichtschul-Pädagogen bei den Ländern; Jene in AHS und BMHS gehören zum Bund. Anders als Pröll und Burgenlands Hans Niessl scheint Häupl das nicht zu grämen: „Wenn’s bleibt, wie es ist, werde ich nicht sterben.“ Auch was die Beamtengewerkschafter begehren, spielt es nicht. Eine Gehaltserhöhung von 2,3 Prozent, der Inflation entsprechend.

Regierung nächste Woche?

In der Zielgeraden sind Rot und Schwarz jedenfalls. Geht es nach der SPÖ, wird der neue Bund gegen Ende der Woche besiegelt, die Regierung am Montag angelobt; und – wie ursprünglich avisiert – am Dienstag kommender Woche im Parlament präsentiert.

Die ÖVP hat es nicht so eilig. Der Grund: Sie hat öffentlich bezweifelt, vor Weihnachten Konsens mit der SPÖ zu finden, die Lage dramatisiert. Und so könnten die Schwarzen die Roten ein paar Tage länger zappeln lassen. Die neue alte Koalition könnte damit knapp vor Weihnachten stehen.

Koalition: Wer was verhandelt

Die Regierung steht zwar noch nicht, aber vieles liegt dennoch praktisch fertig auf dem Verhandlungstisch.

Ein Auszug aus den rot-schwarzen Plänen für die kommenden fünf Jahre:

Steuern

Jene auf Tabak soll (schrittweise) steigen. Die Rede ist von 15 bis 20 Cent pro Zigarettenpackerl. Schaumweine (Sekt) sollen um einen Euro pro Liter, damit um 75 Cent pro Flasche teurer werden. Die heimischen Sekthersteller schäumen schon. Die geplante Steuer würde zu Wettbewerbsnachteilen führen – ausländischer Schaumwein (z. B. Prosecco) wäre nicht davon betroffen. Außerdem würde die Verwaltung der Steuer mehr kosten, als sie einbringen würde, argumentieren die Sekterzeuger.

Die Regierung möchte auch die Alkoholsteuer (für hochprozentige Getränke) anheben – gedacht ist an ein Plus um 20 Prozent.

Die Normverbrauchsabgabe (Nova), zu zahlen beim Kauf eines Autos, dürfte ebenfalls erhöht werden. Ein Aufschrei der Autofahrerclubs ist programmiert. Konkret geht es dabei um den CO2-Malus für Autos mit erhöhtem Schadstoff-Ausstoß.

Unternehmen

Künftig soll nicht mehr die gesamte Gage von Spitzenmanagern für Unternehmen von der Steuer absetzbar sein. Der Betrag dürfte gedeckelt werden – mit 500.000 Euro brutto Jahresgehalt. Zudem ist eine neue Abgabe für Firmen geplant: ab der elften Überstunde eines Mitarbeiter soll ein Euro pro Stunde fällig werden. Im Gegenzug würden die Lohnnebenkosten sinken: der Sozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber an die AUVA könnte um 0,1 Prozent sinken, um ebenso viel deren Anteil am Insolvenzentgeltfonds. Für Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner ist der „Überstunden-Strafeuro“ dennoch ein „absolutes No-Go. Wir werden in den finalen Verhandlungen alles daran setzen, dass diese Maßnahme nicht kommt“.

Diese leisten heuer erstmals einen „Solidarbeitrag“. Zu zahlen ist er ab einem Jahresgehalt von 185.920 Euro (brutto). Bringen soll er 110 Millionen Euro. Befristet war der „Solidarbeitrag“ mit dem Jahr 2016. Nun soll er „adaptiert verlängert“ werden.

Die Gruppenbesteuerung ist eine Art Steuerprivileg für grenzüberschreitend tätige Unternehmen (Verluste im Ausland können im Inland von der Steuer abgesetzt werden). Die Möglichkeiten der Gegenverrechnung sollen eingeschränkt werden.

Der sogenannte „Ergänzungsbeitrag“ in der Krankenversicherung für Pensionisten war befristet, er dürfte nun weiterhin zu zahlen sein. Er beträgt 0,1 Prozent und war für Freizeitunfälle gedacht.

Kommen wird – wie berichtet – ein Anreizsystem um ältere Beschäftigte länger im Erwerbsleben zu halten. Ziel der Koalitionäre ist dabei, dass 2018 das durchschnittliche faktische Pensionsantrittsalter bei 60 Jahren liegt (heute knapp über 59). Im Zuge dieser Maßnahme dürfte die heutige Kündigungsabgabe für Arbeitgeber von 113 Euro pro Mitarbeiter entfallen.

Die SPÖ will die Frage der Privatisierungen nicht ideologisch, sondern pragmatisch angehen. Das hat Kanzler Faymann als Losung ausgegeben. Ein Freibrief der Roten für Verkäufe ist das freilich nicht. Zuerst soll die Staatsholding ÖIAG als „Standortholding“ neu aufgestellt werden. Darauf haben sich die Koalitionsverhandler verständigt, auch wenn der Interpretationsspielraum groß ist, wie ein Insider eingesteht.

Die ÖVP will im Prinzip alle 37 „marktnahen“ Unternehmen der Republik, also auch Verbund, ÖBB oder ORF, unter das Dach der Standortholding bringen, die SPÖ steht hier auf der Bremse. Über wen genau die neue ÖIAG künftig wachen wird, dürfte also erst in den nächsten Monaten ausdiskutiert werden. Daher wird es auch einige Zeit bis zu tatsächlichen Privatisierungen dauern. Die Post könnte eine Ausnahme darstellen.

Denn: Die Post ist bereits unter dem Dach der ÖIAG, der Staat hält mit 52,8 Prozent die Mehrheit. Ein Verkauf von 25 Prozent brächte rund 600 Millionen Euro fürs Budget – freilich nur einmalig. Die Gewerkschafter laufen bereits Sturm gegen mögliche Verkaufspläne.

Syndikatsvertrag

Weniger sinnvoll ist ein Verkauf von Anteilen der Telekom, denn der Staat hält hier nur mehr 28,4 Prozent. Ganz ausgeschlossen wird derzeit ein Verkauf der OMV. Hauptgrund: Die Staatsanteile von 31,5 Prozent sind vertraglich eng an die Anteile des Großaktionärs aus Abu Dhabi gebunden. Das ist für Österreich von Vorteil und hat stets die Gefahr einer feindlichen Übernahme gebannt.

Bevor all das weiter vertieft wird, dürften SPÖ und ÖVP das ÖIAG-Gesetz novellieren, um den „sich selbst erneuernden Aufsichtsrat“ abzuschaffen. Soll heißen: SPÖ und ÖVP wollen wieder direkt Einfluss nehmen und ihre Vertrauensleute in den Aufsichtsrat setzen. Dazu passen die Spekulationen, dass neben dem derzeitigen Alleinvorstand Rudolf Kemler, der als ÖVP-nahe gilt, ein zweiter, dann roter Vorstand installiert wird. Zwei Kandidaten werden genannt: ORF-Chef Alexander Wrabetz oder Ex-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter.

Ist alles auf rot-schwarzer Schiene, geht auch das „aktive Beteiligungsmanagement leichter von der Hand. Zwei Ideen: Mit den ÖIAG-Dividenden die Forschung fördern (ÖVP) und bedrohte Betriebe und Arbeitsplätze auffangen (SPÖ).

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