Koalition: Verhandeln ohne "Wahlkampfpolemiken"

Koalition: Verhandeln ohne "Wahlkampfpolemiken"
Die Verhandlungen haben begonnen: SP und VP gaben sich das Versprechen, "konstruktive Gespräche" zu führen.

Die Koalitionsverhandlungen sind seit Dienstagnachmittag quasi offiziell eröffnet. Die Regierungsspitze hat den vorangegangenen Wahlkampf nun offensichtlich völlig hinter sich gelassen. Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann als auch Vizekanzler Michael Spindelegger betonten am Dienstag nach dem Ministerrat, nun konstruktive Verhandlungen abseits jeglicher Polemik führen zu wollen.

Man habe auch vor der Wahl mit dem Vizekanzler eine "sehr konstruktive Basis" gehabt, zeigte sich Faymann versöhnlich. Die Verhandlungen hätten nichts mit den "Wahlkampfpolemiken von der einen oder anderen Seite" zu tun. Auch Spindelegger gab sich konstruktiv. Es gehe nun um Projekte für Österreich. "Was im Wahlkampf ist, ist immer eine besondere Zeit, aber die ist vorbei."

Das große Schweigen

Koalition: Verhandeln ohne "Wahlkampfpolemiken"
APA15131942 - 15102013 - WIEN - ÖSTERREICH: Jener Saal im Parlament in dem vorraussichtlich die Koalitionsverhandlungen stattfinden werden, vor Beginn der ersten Koordinationssitzung zwischen SPÖ und ÖVP am Dienstag, 15. Oktober 2013, in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Die so genannte Koordinierungsgruppe um die Parteichefs trat am Dienstag im Parlament zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen, um den genauen Ablauf der Gespräche festzulegen. Kommentare beim Eintreffen gab es ebenso wenig wie die Möglichkeit, das Verhandlungssextett am Gesprächstisch abzufilmen.

Die Runde ist auf rund zwei Stunden angesetzt. Im Anschluss wollen Faymann und Spindelegger Details zur Gestaltung des Verhandlungsprozesses bekanntgeben. Klar ist, dass es insgesamt 13 Hauptverhandler gibt, die sich auf acht Gruppen aufteilen (siehe unten). Diese drehen sich um Wirtschaft, Finanzen, Soziales, Bildung, "Zukunft", Außenpolitik, Sicherheit und Recht sowie um die Staatsreform.

Im Koordinierungsteam treffen sich sechs Männer. Neben den Parteichefs sind das auf SPÖ-Seite Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Staatssekretär Josef Ostermayer und bei der ÖVP Staatssekretär Reinhold Lopatka und Jochen Danninger, der Kabinettschef Spindeleggers. Dieses Sextett soll den gesamten Prozess steuern. Die Untergruppen sollen bereits morgen ihre Arbeit aufnehmen, damit der großen Runde bei ihrem ersten Treffen kommende Woche schon erste Informationen vorliegen.

Fekter nur in Untergruppe dabei

Mit der Tatsache, dass seiner Finanzministerin Maria Fekter in der Arbeitsgruppe Finanzen keine Rolle zukommt, hat der ÖVP-Chef kein Problem, daraus könne man nichts ableiten, sagte er. So werde etwa auch die Bildungsgruppe nicht von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) geleitet. "Daraus kann man nichts ableiten", so der Vizekanzler.

Budget-Provisorium

Einmal mehr ist man sich einig, dass es kein eigenes gesetzliches Budgetprovisorium geben wird. Das Budget 2014 soll im Rahmen der Koalitionsgespräche "zügig" verhandelt werden. Ursprünglich hatte Fekter ein gesetzliches Budgetprovisorium angestrebt, da ja aufgrund der Wahl und Regierungsbildung der vorgeschrieben Zeitplan für die Vorlage des Haushalts 2014 im Oktober nicht eingehalten werden kann. Die SPÖ hatte einen solchen Schritt indes nicht für nötig befunden.

Dies ist nun gemeinsame Position von Faymann und Spindelegger. Man werde versuchen, über das Budget 2014 "möglichst rasch Einvernehmen herzustellen", so zweiterer am Dienstag. Daher erachtet er keine gesetzliche Regelung für notwendig. Faymann klang genauso: "Rasche Verhandlungen"würden die nötigen Beschlüssen rechtzeitig ermöglichen. Im Ministerrat fixiert wurde indes die generelle Mitteilung an die EU-Kommission über die Haushaltsplanung für 2014. So oder so werde sich das neue Budget an am geltenden Budget orientieren, wurde betont.

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Chefverhandler SPÖ und ÖVP nach Bereichen - Tabelle, Fotos Grafik 1237-13-Koalition.ai, Format 88 x 110 mm

Die ÖVP-Landeshauptleute Markus Wallner aus Vorarlberg, Günther Platter aus Tirol und Wilfried Haslauer aus Salzburg haben die sogenannte Westachse geschmiedet und ihre Forderungen bei Parteichef Michael Spindelegger deponiert. Ziel ist: Mehr Geld vom Bund und mehr Einfluss bei Entscheidungen in Wien.

Die Themenpalette ist eine durchaus breite und wird bei den SPÖ-ÖVP-Verhandlungen mit eingebracht. Sie reicht vom Ausbau der Straße und Schiene bis hin zu zusätzlichen Bundesmitteln für die Mediziner-Ausbildung. Da wie dort dreht es sich ums knappe Geld und um die Gleichbehandlung mit den Med-Unis in Wien und Linz.

Es geht aber auch um die Schulreform und Fragen der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Die Westachse tritt, anders als die Bundes-ÖVP, für die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen ein und urgiert mehr Mittel etwa für teure Integrationsstunden. Wilfried Haslauer verhandelt denn auch das Bildungs-Kapitel auf Seiten der ÖVP. Heikelster Punkt ist sicher das neue Lehrerdienstrecht. Insgesamt gab es im Lehrer-Bereich in der ÖVP bisher Verländerungstendenzen, die SPÖ will in Hinkunft Lehrer- und Schulthemen viel lieber ausschließlich im Bund verwalten. Ein lang diskutierter Mittelweg könnte die Einrichtung von „Bildungsdirektionen“ in den Ländern sein. Sie würden die Landesschulräte des Bundes ersetzen.In einem anderen Bereich können sich Haslauer, Wallner und Platter vorstellen, dass Bundesbehörden – wie Teile des Rechnungshofes oder des Asylgerichtshofes – in die Landeshauptstädte wandern. Das soll ein Teil der angekündigten Verwaltungsreform sein. Ein „interessanter Vorschlag“ heißt es in der Parteizentrale. Auch Bundesratssitzungen könnten künftig öfter in den Bundesländern stattfinden.

Insgesamt sind das alles Themen, die aus Sicht der Westachse Teil der Koalitionsverhandlungen sein sollten. Spätestens 2014 – beim nächsten Finanzausgleich – kommen sie wieder aufs Tapet.

Angesichts der geringen Frauenquote in ihren Regierungsverhandlungsteams versprechen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) mehr weibliche Beteiligung in den Untergruppen. "Da wird der Frauenanteil sicher anders aussehen als jetzt", erklärte Faymann am Dienstag nach dem Ministerrat. Ähnlich Spindelegger: "Warten Sie doch bitte einmal ab, welche Personen konkret zu jedem Projekt am Tisch sitzen."

Insgesamt habe man ja acht Themengruppen eingerichtet, da stünden die Personen noch nicht fest. "Man kann gar nicht sagen, dass tatsächlich weniger Frauen teilnehmen", so der ÖVP-Obmann. Auch Faymann rechnet damit, dass "sicher eine hohe Anzahl an Frauen dabei sein" wird, denn man werde eine Reihe von zusätzlichen Personen hinzuziehen.

Die Teams

Bei den Sozialdemokraten verhandeln in der großen Gruppe Infrastrukturministerin Doris Bures und Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, bei der Volkspartei Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Finanzministerin Maria Fekter. Während Bures, Heinisch-Hosek und Mikl-Leitner wenigstens Untergruppen vorstehen dürften, ist Fekter nicht einmal das gegönnt. Ihr Bereich Finanzen wird vom oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer hauptverhandelt.

Zusätzlich auffällig bei der ÖVP: Sämtliche Bünde sind mit ihren Obleuten vertreten, Ausnahme der Frauenbund, dessen Obfrau Dorothea Schittenhelm zumindest in der Hauptgruppe keine Aufnahme fand. Die SPÖ hat mit Heinisch-Hosek immerhin ihre Frauenvorsitzende an Bord.

Mikl-Leitner: "Zweitrangig"

Ob männlich oder weiblich sei "zweitrangig", meinte etwa Innenministern Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Vorfeld des 200. Ministerrats. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) versicherte, dass Frauenthemen natürlich trotzdem wichtig seien. Generell zeigte man sich vor der ersten Sitzung der Koordinierungsgruppe zugeknöpft. Es gehöre auch zum "neuen Stil", sich nichts über die Medien ausrichten zu lassen, so Hundstorfer.

Bezüglich Frauenquote meinte er, man werde in den Untergruppen auf ein ausgewogenes Verhältnis achten. Die Zusammensetzung der Verhandlungsteams spiegle nun einmal die Strukturen wider, sowohl in den ÖVP-Bünden als auch bei der SPÖ: "Sie wissen ganz genau, wie das zustande kommt. Kennen Sie Vorsitzende einer Gewerkschaft, die weiblich sind?", sagte er zu den Journalisten. Man werde jedenfalls "für alle" verhandeln.

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