Die Regierungsverhandlungen sind in eine entscheidende Phase eingetreten.
Und auch wenn die Formulierung des "Schicksalstags" überzogen scheint, ist doch eines klar: Ein Scheitern ist an diesem Tag zumindest nicht ausgeschlossen, im Gegenteil: Vor allem in den Kreisen von SPÖ und Neos werden Stimmen laut, dass man - Staatsräson hin, lockende Regierungsmacht her - zumindest ernsthaft überlegen muss, ob das viel zitierte Ende mit Schrecken in dem Fall nicht besser wäre als der endlose Schrecken.
Der KURIER hat mit führenden Verhandlern gesprochen. Und tatsächlich will niemand für diesen Freitag ausschließen, dass sich Dramatisches tut, wenn sich heute nichts tut.
Was ist damit gemeint? Wenn die Fortschritte zu gering erscheinen, wenn das von den Neos öffentlich angeprangerte, ambitionslose „Klein-Klein“ nicht verschwindet, ist es durchaus plausibel, dass die Pinken am Ende des Tages aufstehen.
Nicht von ungefähr hat man vergangenes Wochenende öffentlich deponiert, dass die politische Kraftanstrengung, vor der die nächste Regierung steht, derart groß ist, dass auch die Landeshauptleute an den beschlossenen Reformen mitwirken müssen.
Dass Thomas Stelzer, Michael Ludwig oder Johanna Mikl-Leitner nicht auf Zuruf an Verhandlungen zu einer Bundesregierung teilnehmen, wissen alle Beteiligten, auch die Neos. Dennoch haben sie es gefordert - weil die Ungeduld steigt. Und zwar in den eigenen Reihen.
Vor allem von der mittleren und unteren Ebene hat die Parteiführung zuletzt Signale bekommen, dass es bei der internen Abstimmung eng werden könnte, wenn die versprochenen "Leuchttürme", also die relevanten und großen Reformprojekte, nicht endlich kommen.
Opposition
Dazu muss man wissen: Jeder Koalitionspakt, dem die Neos im Bund zustimmen sollen, muss von der Parteibasis goutiert, also mit einer Abstimmung abgesegnet werden. Und für Meinl-Reisinger scheint es derzeit fast einfacher zu sein, noch einmal in Opposition zu gehen, anstatt als Mit-Regierende ein milliardenschweres Sparpaket zu verantworten, dem wenig bis mittel-ambitionierte Reformen gegenüberstehen.
"Dann lassen wir‘s halt und gehen in Opposition", wird die Parteichefin von Funktionären zitiert.
Im Unterschied zu ihren Gesprächspartnern Babler und Nehammer hat Meinl-Reisinger den Vorteil, dass ihr Verbleib an der Parteispitze wenig bis gar nicht gefährdet wäre, würden die Neos ihre Mitarbeit zurückziehen. "Und ÖVP und SPÖ hätten ja weiterhin eine parlamentarische Mehrheit, sie könnten es auch ohne uns probieren", sagt ein Neos-Verhandler.
Missmut lässt sich auch in den Reihen der Sozialdemokratie ausmachen. Wie berichtet, hat die SPÖ Anfang der Woche eine Studie des parteinahen IFES-Instituts kolportiert. Eines der wesentlichen Ergebnisse war dieses: Die satte Mehrheit der Befragten hätte kein Problem mit Vermögenssteuern, um den maroden Staatshaushalt zu sanieren.
Das ist freilich nur ein Argument aufseiten der Roten. Viel schwerer wiegt, dass führende Sozialdemokraten mit Nachdruck einfordern, man müsse etwas "für die eigenen Leut" heimbringen.
Die Denke ist folgende: Am größten Sparpaket der Zweiten Republik mitzuarbeiten, obwohl man die vergangenen Legislaturperioden in Opposition verbracht hat, erscheint aus Sicht der SPÖ und ihrer Wählerinnen nur lohnend, wenn man eigene Forderungen und -Projekte umsetzen kann. Vermögenssteuern sind hier das plastischste Beispiel - aber genau die erzeugen bei ÖVP und Neos massivsten Widerstand.
Was das Gesprächsklima an sich angeht, äußern sich Vertreter von ÖVP, SPÖ und Neos auffallend positiv. Man agiere auf Augenhöhe, es gäbe spürbaren Respekt.
Das ist aber noch keine Einigung. "Jetzt müssen uns alle auch bei den Inhalten zusammenreißen", sagt ein Verhandler, der wie alle Gesprächspartner namentlich lieber nicht genannt werden will. Aber hier wird ihm so oder so ohnehin niemand ernsthaft widersprechen.
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