Kluge Daten-Nutzung brächte dem Gesundheitssystem Milliarden
Das Gesundheitssystem lässt Jahr für Jahr mehrere Milliarden Euro „liegen“, weil es vorhandene Daten nicht klug oder gar nicht nutzt.
Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer Bonner Studie, die dem KURIER vorliegt. Im Auftrag des Wiener Standortanwalts Alexander Biach haben Experten der „empirica“-Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung errechnet, dass Österreich bis zu 4,7 Milliarden (!) Euro im Jahr „einsparen“ bzw. anders ausgeben könnte, würde man existierende Datensätze clever vernetzen.
„Vereinfacht gesagt, haben wir hochgerechnet, was passieren würde, würde Österreich bereits existierende Daten in derselben Form nutzen wie dies Estland oder die Niederlande tun“, sagt Studienautor Rainer Thiel.
Worin bestehen die Defizite? Im Wesentlichen geht es darum, dass Österreich – im Unterschied zu anderen Ländern – über gute digitale Daten verfügt, diese aber ungenutzt lässt.
Tag für Tag werden von niedergelassenen Ärzten und Spitälern „Primärdaten“ (Alter, Geschlecht, Diagnosen, Therapien, etc.) gesammelt und in Datenbanken wie die Elektronischen Gesundheitsakte ELGA eingepflegt. 175 Millionen Medikamenten-Verordnungen sind in ELGA gespeichert, jeden Monat wird rund 350.000 Mal ein Befund abgerufen.
Das Problem ist: Im Wesentlichen war es das. Es gibt keine weitere, tiefer gehende Vernetzung der Daten. Und das, obwohl man mehrere Effekte erzielen könnte.
„Zum einen“, sagt Thiel, „könnte man negative Effekte wie doppelte Verschreibungen und Behandlungen oder Medikationsfehler verhindern – das spart viel Geld und rettet Leben.“
Zum anderen könnten Ärzte und Wissenschaft mit der Hilfe von Sekundärdaten insgesamt schneller werden.
Einer der Gründe, warum die Zulassung neuer Medikamente oft Jahre dauert, ist, dass man Versuchspatienten mit speziellen Voraussetzungen (Alter, Krankheitsverlauf, bisherige Medikation, etc.) sucht. „Könnte man anonymisiert auf große Patientengruppen zugreifen, würde das diesen Prozess beschleunigen“, sagt Thiel. „Im Einzelfall sprechen wir von ein bis zwei Jahren, die ein Arzneimittel schneller zugelassen werden könnte.“
Für Ärzte und Patienten bestünde ein weiterer Vorteil darin, schneller zur richtigen Therapie zu finden.
Wie das? Seltene Krankheiten wie die Schmetterlingskrankheit verlaufen oft nach Mustern (Patient zieht von Arzt zu Art, versucht bestimmte Medikamente, etc.) Diese Muster entdeckt man, indem man große Patientengruppen analysiert.
Für Auftraggeber Biach ist der Gesundheitssektor zudem ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Laut Biach verzichtet Österreich auf ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 200 Millionen Euro. Denn dort, wo Daten besser genutzt werden, wachsen auch die Gesundheitswirtschaft und die Wissenschaft messbar stärker.
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