Klimakolonialismus? Warum Massai wütend auf VW und die EU sind

Joseph Oleshangay Maasai aus Tansania, CO2-Regelung gegen VW und die EU
Der halbnomadische Stamm sieht sich gezwungen, seine Lebensweise für EU-Kohlenstoffprojekte umzustellen. VW nimmt die Vorwürfe "ernst".

Die Massai-Juristin Nkasiogi Lekakeny und der Menschenrechtsanwalt Joseph Oleshangay aus Tansania waren kürzlich in Wien, um auf einen Konflikt aufmerksam zu machen, der ihre Heimat betrifft. Im Zentrum steht ein Klimaschutzprojekt, das von der Firma „Soils for the Future Africa“ betrieben und von der Volkswagen Gruppe mitfinanziert wird.

Zum Hintergrund: Um das Klimaziel 2040 erfüllen zu können, wird Firmen (und Staaten) erlaubt, Klimaschutzprojekte im Ausland zu finanzieren und sich die eingesparten CO2-Emissionen gutschreiben zu lassen.

Vorwurf des Klimakolonialismus

Der Vorwurf: Klimakolonialismus. Die Massai sind ein halbnomadisches Volk, dessen Leben und Kultur seit Jahrhunderten auf der Weidewirtschaft mit Rinder-, Ziegen- und Schafherden in Ostafrika basiert. Ein von VW unterstütztes Projekt soll nun durch veränderte Weidepraktiken mehr Kohlenstoff im Boden speichern.

Auf einer Fläche von fast einer Million Hektar – etwa der Größe Kärntens – sollen die Massai dafür vorgeschrieben bekommen, wann und wo sie ihre Tiere weiden lassen.

Eine im März 2025 veröffentlichte Studie der „Massai International Solidarity Alliance“ (MISA) untermauert die Bedenken der Afrikaner. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass viele Massaigruppen nicht ausreichend über die Vertragsbedingungen für die Nutzung ihres Weidelandes informiert wurden. Demnach seien betroffene Gemeinden durch Fehlinformationen und Druck zu Vertragsabschlüssen bewegt worden, ohne die Auswirkungen zu verstehen.

Nicht mit internationalen Standards vereinbar

„Wenn indigene Bevölkerungsgruppen verdrängt werden, ist das jedenfalls nicht mit den internationalen Standards für das Carbon-Offsetting vereinbar“, beurteilt Paul Nimmerfall das Projekt. Nimmerfall ist selbst Geschäftsführer des Wiener Klimatech-Start-up Ecotinex, das weltweit mithilfe einer „datengetriebenen Plattform“ CO2-Reduktionsprojekte erfasst, zertifiziert und verkauft.

Nimmerfall verweist beim Fall der Massai auf den FPIC-Standard, der die freie, vorherige und informierte Zustimmung (Free, Prior, and Informed Consent) von indigenen Völkern für solche Projekte zwingend vorschreibt.

VW nimmt Vorwürfe ernst

Volkswagen erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem KURIER: „Wir nehmen die Vorwürfe von MISA ernst. Unsere Entscheidung, das Projekt zu finanzieren, haben wir unter der Voraussetzung getroffen, dass die Projektentwickler [...] die Zustimmung der Massai-Dörfer einholen.“ Das Projekt befinde sich noch in einer frühen Phase.

Laut VW liegt die Bestätigung vor, dass bereits zahlreiche Dörfer ihre Zustimmung erteilt haben, entsprechende Dokumentationen wurden dem Konzern vorgelegt. Man sei sich bewusst, dass komplexe Projekte dieser Art nicht immer auf uneingeschränkte Akzeptanz stoßen. Gleichzeitig stellt Volkswagen klar, dass die operative Planung und Steuerung des Projekts bei den lokalen Partnern liege. Volkswagen stelle als Joint Venture lediglich die finanziellen Mittel bereit.

Die Reise von Lekakeny und Oleshangay, die sie weiter nach Deutschland, Brüssel und Paris führt, zeigt jedoch, dass der Dialog noch lange nicht abgeschlossen ist.

Kommentare