Kitzmüller und Steger: Zwischen wertkonservativ und liberal

Anneliese Kitzmüller und Petra Steger im KURIER-Interview
Anneliese Kitzmüller und Petra Steger verhandeln die Koalition mit. Zwei FPÖ-Frauen, die recht gegensätzlich scheinen, im Doppel-Interview.

KURIER: Frau Kitzmüller, Sie gelten als konservativ, während Sie, Frau Steger, als liberale FP-Politikerin angesehen werden.

Anneliese Kitzmüller: Das wird uns von außen unterstellt. Nur weil ich ein inniges Familienleben bevorzuge, wie viele Österreicher auch, bin ich nicht nur wertkonservativ.

Petra Steger: Ich persönlich halte nichts von Titulierungen wie liberal oder konservativ. Man macht sich natürlich über Themen seine Gedanken, kommt zu einer Conclusio. Manchmal ist das liberal, manchmal konservativ.

Sie verhandeln derzeit beide Familie und Jugend. Was verstehen Sie unter freiheitlicher Familienpolitik?

Kitzmüller: Es geht uns um die Wahlfreiheit. Familien sollen frei entscheiden können, wer arbeiten geht, um die Familie zu erhalten. Dazu braucht es natürlich ein System, mit dem Menschen es sich auch leisten können, dass ein Familienteil in den ersten Lebensjahren des Kindes zuhause bleiben kann.

Steger: Viele entscheiden ja danach, wer finanziell und beruflich besser abgesichert ist. Wichtig ist auch, dass Frauen nicht dafür verurteilt werden, wenn sie sich dafür entscheiden, zuhause zu bleiben. Das ist eine wunderbare, ehrenvolle Aufgabe. Das gehört respektiert, dafür gebührt ihnen auch gesellschaftliche Anerkennung.

Frau Kitzmüller, Sie haben den freiwilligen Papa-Monat scharf kritisiert.

Kitzmüller: Ich bin nicht generell dagegen. Es hilft aber nichts, wenn ein Vater zu Hause bleiben kann, es sich aber eigentlich nicht leisten kann und die Familie dann auf Unterstützungen und Förderungen angewiesen ist.

Frau Steger, Ihr Vater Norbert Steger ist eine namhafte Persönlichkeit in der Partei. War das immer friktionsfrei, auch innerhalb der Partei?

Steger: Ich habe immer gesagt, unter Jörg Haider wäre ich nicht zur Partei gegangen, damit konnte ich mich nicht identifizieren. Ich bin dazugekommen, als Heinz-Christian Strache übernommen hat, da wurde ich auch inhaltlich voll und ganz überzeugt. Mein Vater ebenfalls, der ist ja auch wieder in der Partei aktiv. Da gibt es keinerlei Bedenken.

Bekommen Sie das Gefühl vermittelt, in seinem Schatten zu stehen bzw. an Ihrem Vater gemessen zu werden?

Steger: Das ist natürlich immer der Fall, man hört oft noch: „Das ist die Tochter von Norbert Steger.“ Aber meinen Vater freut es sehr, dass jetzt immer mehr Leute auf ihn zukommen und sagen: „Sie sind doch der Vater von der Frau Abgeordneten.“ Er wollte auch nie, dass ich in die Politik gehe, ihm wäre es lieber gewesen, ich wäre Anwältin geworden. Jetzt habe ich ihn zur Partei zurückgebracht.

Kitzmüller und Steger: Zwischen wertkonservativ und liberal
Doppelinterview mit den beiden FPÖ-Nationalratsabgeordneten Anneliese Kitzmüller und Petra Steger. Wien, am 24.11.2017
Den Freiheitlichen wurde lange angelastet, dass es zu wenige Frauen gebe. Im neuen FPÖ-Klub ist der Anteil mit 22 Prozent so hoch wie nie zuvor. Mussten Sie sich vorher als Frauen mehr beweisen als andere, um respektiert zu werden?

Steger: Ich habe immer Unterstützung bekommen und werde respektiert. Der Sexismus kommt von außerhalb: Zuletzt wurde ja ein Buch veröffentlicht, in dem es hieß, wenn eine junge Frau wie Marlene Svazek es an die Parteispitze in Salzburg schafft, dann ist sie nur das Aushängeschild für die Burschenschaften. So etwas ist scharf zu kritisieren.

Kitzmüller: Ich habe nie ein Problem innerhalb der Partei gehabt – wenn, dann außerhalb. Wir wurden nie daran gemessen, ob wir Frauen sind oder nicht, sondern daran, ob wir unsere Arbeit gut machen.

Wie oft mussten Sie sich dafür rechtfertigen, dass Sie der FPÖ angehören?

Steger: Damit wird man von außen ständig konfrontiert. Die politischen Gegner versuchen, ein Bild von uns Blauen zu malen, dass man inhaltlich nicht argumentiert: Die FPÖ, das ist das Böse, das Schlechte. Wenn man dann jemanden inhaltlich gut und persönlich sympathisch findet, wird gleich dazugesagt: „… obwohl er ein Blauer ist“.

Kitzmüller: Mir geht es genau gleich. Ich habe oft erlebt, dass jemand sagt: „Was, du bist eine Freiheitliche? Du bist ja ganz normal. Ihr seid ja gar nicht so schlimm.“ Ich werde natürlich auch angefeindet. In meiner Gemeinde anfangs, und jetzt natürlich ganz massiv, seit ich in der Steuerungsgruppe bin. Momentan ist allerdings Ruhe.

Wie gehen Sie mit Anfeindungen um? Muss man sich da eine Teflon-Schicht zulegen?

Kitzmüller: Als Politiker muss man damit rechnen, angefeindet zu werden. Wer zart besaitet ist, der kann nicht in der Politik arbeiten. Ich gehe nur auf die Barrikaden, wenn es um meine Familie geht, wenn mein Mann oder meine Familie miteinbezogen werden in die Argumentation.

Steger: Ja, natürlich braucht man eine dickere Haut. Als ich zur FPÖ gegangen bin, habe ich gleich einmal 80 Prozent meines Freundeskreises verloren. Dabei ist es mir völlig egal, welche Partei jemand wählt. Ich respektiere das bei meinen Freunden, ich diskutiere mit ihnen, oder wir lassen das Thema einfach aus. Aber ich sehe diese Anfeindungen, diese Intoleranz gegenüber der FPÖ, schon besonders stark von linker Seite.

Sie gelten als Vertreterin einer „neuen Generation der Blauen“. An Ihnen wird zudem quer durch alle Parteien geschätzt, dass Sie im Parlament immer extrem gut vorbereitet sind, dass man kaum einen ideologischen Einschlag spürt. Verkörpern Sie diese „neue Linie“ bewusst?

Steger: Nein, überhaupt nicht. Das ist genau das, was ich vorhin meinte: Ich als Jüngere werde dafür benützt, zu zeigen: da gibt es dieses „alte Blaue“. Ich sehe aber keinen Unterschied zwischen mir und anderen aus meiner Partei.

Damit war eher gemeint, dass es da die Burschenschafter gibt und dort die anderen, offeneren.

Steger: Wir haben welche, die sind bei Burschenschaften, andere sind es nicht. Ich bin Mitglied in einem Sportverein, so sind andere eben in einer Burschenschaft. Ich sehe da keinen Unterschied.

Frau Kitzmüller, Sie sind Vize-Obfrau der Mädelschaft „Iduna zu Linz“ und gehören der Mädelschaft „Sigrid zu Wien“ an. Was genau ist dort Ihre Aufgabe?

Kitzmüller: Wir wollen Ihnen Hilfestellungen geben, sie auf das Studium vorbereiten und ihnen auch österreichische Geschichte näherbringen, weil vieles im Elternhaus und in den Schulen auf der Strecke geblieben ist. Auch wollen wir ihnen christliche Traditionen und Werte weitergeben. Zudem sind Netzwerke für Frauen und Mädchen eine ganz wichtige Sache. Wir wollen versuchen, die Mädchen im Leben und im Berufsleben besser zu verwurzeln.

Welche Geschichte wollen Sie den Mädchen da genau näherbringen?

Kitzmüller: Allgemein Geschichte. Oft hört ja der Unterricht nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Es geht um viel mehr: Was ist Österreich, die k.u.k. Monarchie? Oder die Altösterreicher deutscher Muttersprache, die aus den k.u.k.-Ländern vertrieben worden sind. Seien es die Buchenlanddeutschen, die meine Vorfahren sind, oder die Siebenbürger oder Sudetendeutschen. Wir zeigen auf, was auch diese Gruppen beim Wiederaufbau Österreichs geleistet haben. Es ist wichtig, dass die jungen Leute wissen, woher sie kommen.

Bezeichnen Sie sich als Österreicherin?

Kitzmüller: Ich bin eine Mühlviertlerin, aus Kirchschlag bei Linz, ich bezeichne mich als Oberösterreicherin und als glühende Österreicherin, die nirgendwo anders leben will als in Österreich.

Kitzmüller und Steger: Zwischen wertkonservativ und liberal
Doppelinterview mit den beiden FPÖ-Nationalratsabgeordneten Anneliese Kitzmüller und Petra Steger. Wien, am 24.11.2017
Was hat Sie geprägt, Frau Steger, was ist Ihnen wichtig?

Steger: In erster Linie das Land Österreich. Man konnte beobachten, dass die Interessen der Österreicher im politischen Denken und in der Priorität der Regierung nach hinten gerutscht sind. Ich denke, es ist die Verantwortung eines jeden österreichischen Nationalratsabgeordneten in erster Linie Politik für die eigene Bevölkerung zu machen.

Es wird ja gemunkelt, sie könnten Staatssekretärin für Sport werden.

Steger: In einer etwaigen Koalition bekommen wir vielleicht das Sportressort und dann kann ich mit meinen Kollegen reden, wie ich mich sportpolitisch einbringen könnte. Es geht mir aber überhaupt nicht um Positionen.

Sport ist so ein toller Motor in so vielen Bereichen. Er hat einen positiven Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes, auf körperliche Energie und Psyche. Sport ist aber auch insgesamt gut für die Gesellschaft, kann auch bei der Integration helfen. Ganz abgesehen davon, dass ein gesünderer Lebensstil der Menschen Millionen im Gesundheitswesen sparen würde. Deshalb hat der Sport mehr politischen Fokus verdient, als es in den letzten Jahren der Fall war.

Was hat ihnen der Sport persönlich gegeben bzw. Charaktereigenschaften herausgebildet?

Steger: Ich spiele Basketball, das ist ein Teamsport. Da lernt man, über seine Grenzen hinauszugehen, das Maximum zu geben. Und gleichzeitig, sich unterzuordnen in einem Team und gemeinsam für das große Ganze zu kämpfen. Und das habe ich auch in die Politik mitgenommen. Ich schaue natürlich darauf, dass ich meine Fähigkeiten, mein Wissen, immer weiter ausbaue, aber gleichzeitig für die Partei und für Österreich etwas weiterzubringen. Dieses Gleichgewicht lernt man im Teamsport sehr gut.

Gleichzeitig geht es um Disziplin. Man wird im Sport nichts, wenn man nicht regelmäßig und hart trainiert, aber man lernt auch, dass man mit dem Kopf sehr viel machen kann. Ich habe es einmal geschafft, drei Wochen mit einem gebrochenen Fuß und einem Bändereinriss weiterzuspielen. Ich habe das psychisch völlig ausgeblendet, weil ich so konzentriert war auf den Europa-Cup.

Welche Eigenschaften charakterisieren Anneliese Kitzmüller?

Kitzmüller: Ich bin an sich ein geduldiger Mensch. Und ein großer Familienmensch: Meine Familie, meine Geschwister, deren Familien und meine Mutter: wir verbringen alle großen Feste wie Geburtstage, Ostern oder Karfreitag, weil es ein evangelischer Feiertag ist, gemeinsam.

Ich bin sehr ehrgeizig, aber ich schätze mich so ein, dass ich vernünftig ehrgeizig bin, nicht egoistisch ehrgeizig. Was ich sehr gerne mache, ist Bergwandern und mit meinem Mann auf Reisen zu sein. Das ist für mich das Schönste. Früher mit den Kindern, aber sie sind jetzt schon groß.

Wollen Sie eine Lieblingsdestination nennen?

Kitzmüller: Am liebsten ist es mir, dass wir einfach ins Blaue fahren. Wir machen sehr gerne Hausbootfahrten, gemeinsam mit Kindern, deren Freunden und mit Bekannten. Da fahren wir gemeinsam und bleiben an den Ufern stehen, die uns gefallen.

Frau Steger, welchen Luxus gönnen Sie sich?

Steger: Mir ist das wichtigste, dass ich mir manchmal eine Auszeit nehmen kann, um nur das zu machen, worauf ich wirklich Lust habe, abseits der Arbeit. Mittlerweile habe ich das Wandern, das Klettern für mich entdeckt, ich bin sehr gerne in der Natur unterwegs und habe auch gerne die Herausforderung eines Berges oder einer Kletterwand vor mir.

Die FPÖ ist besonders stark in sozialen Medien vertreten. Gehört ein Facebook-Account zu Ihrem Berufsbild?

Kitzmüller: Ich habe einen Facebook-Account, auf dem es nur offizielle Pressemitteilungen und politische Kommentare gibt. Mein Mitarbeiter hilft mir dabei. Bei Twitter bin ich nicht.

Steger: Für mich ist es das richtige Instrumentarium, um mit den Menschen in Kontakt zu treten, zu zeigen, wie die politische Arbeit ausschaut. Und man kann sich auch ein gutes Meinungsbild machen und auf neue Ideen kommen, indem man Kommentare liest. Es regt einen Diskussionsprozess an, das finde ich gut und wichtig.

Wie gehen Sie mit Negativ-Postings um?

Steger: Wir haben im Wahlkampf ein Video produziert, in dem wir einige dieser Kommentare vorgelesen haben, um zu zeigen, dass wir genauso betroffen sind von Hasspostings. Wenn es ganz arg ist, muss man es anzeigen, ansonsten löschen wir es.

Und wie gehen Sie mit Postern um, die sich in den Sozialen Medien als „stolze FPÖ-Wähler“ bezeichnen und gegen Ausländer oder Asylwerber hetzen – in einer Form, die mitunter gegen das Verbotsgesetz verstößt?

Steger: Ich glaube, da ist wichtig, dass man sich klar positioniert und das haben wir immer gemacht. Wir sind aber nicht verantwortlich für jeden einzelnen. Es gibt leider verrückte Leute, solche Wähler hat jede Partei. Denen muss man klar und deutlich sagen: Das ist hier nicht erwünscht.

Frau Kitzmüller, Sie haben einen Artikel für die einschlägige und vom DÖW als rechtsextrem eingestufte Zeitschrift „Die Aula“ verfasst.

Kitzmüller: Ich habe einen Artikel über das Familienbild geschrieben und das ist eben in der Aula erschienen.

Sie hätten den Artikel dort nicht veröffentlichen müssen und hätten sich dadurch womöglich Kritik erspart.

Kitzmüller: Ich habe einen Artikel über das Familienbild und die Familienpolitik, die ich vertrete, geschrieben. Ich muss mich mit der Zeitung nicht zu 100 Prozent identifizieren. Sie haben mich gefragt und ich habe geschrieben. Wenn mich der Falter gefragt hätte, hätte ich auch Ja gesagt.

Abgeordnete anderer Fraktionen beschreiben Sie als ideologisch oft fern – gleichzeitig als sehr umgänglich und humorvoll.

Kitzmüller: Ich bin ein fröhlicher Mensch, sehe zuerst immer das Positive, und ja, ich bin dem ein oder anderen Scherz nicht abgeneigt.

Steger: Das kann ich bestätigen.

Gibt es im Parlament Allianzen mit einzelnen Mitgliedern anderer Parteien? Man hat ja oft den Eindruck, die einen stimmen absichtlich gegen die anderen.

Kitzmüller: Im Landwirtschaftsausschuss zum Beispiel gab es das – etwa mit dem damaligen Grünen Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber. Genau so auch im Familienausschuss mit Judith Schwentner von den Grünen oder mit Angela Lueger von der SPÖ.

Steger: In den Ausschüssen kann man oft auf einer inhaltlichen Ebene gut kommunizieren, dabei auch andere Personen – weniger die Parteien – überzeugen. Es finden gute Gespräche im Hintergrund statt.

Sie sagten zuvor, Sie wären unter Haider nie der Partei beigetreten. Was zeichnet Heinz-Christian Strache als Bundesparteiobmann aus?

Steger: Erstens ist er ein unglaublich sympathischer Mensch, das ist nicht gespielt oder aufgesetzt. Er hat ein breites Wissen, kennt sich in so vielen Gebieten aus. Er schafft es auch, die zwischenmenschliche Ebene innerhalb der Partei zu stärken, er hält die Partei zusammen.

Kitzmüller: Dazu kommt: Er hört einem zu, wenn man mit ihm redet. Man merkt ja, ob jemand zuhört oder ob er in Gedanken eigentlich ganz woanders ist. Er fragt auch immer, wie man zu einer Sache steht, wie man darüber denkt.

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