Keine Trendwende: Treibhausgas-Bilanz 2021 belegt Stillstand

A lake in the shape of human footprints in the middle of a lush forest as a metaphor for the impact of human activity on the landscape and nature in general. 3d rendering.
2021-Emissionen höher als im Lockdown-Jahr 2020 und wenig besser als 2019; Verbleibendes Budget Österreichs schmilzt rasant. Maßnahmen zeigen kaum Wirkung.

Am Montag gab das Umweltbundesamt die Bilanz des Treibhausgas-Ausstoß für 2021 bekannt. Die Gesamtemissionen haben sich im Vergleich zu 2020 (73,6 Mio. Tonnen) signifikant verschlechtert mit 77,5 Millionen Tonnen oder einem Plus von 4,9 Prozent. Im Vergleich zu 2019 (ohne Lockdowns) sind die Emissionen - wenn auch nur wenig – gesunken, 2019 wurden 79,8 Millionen Tonnen bilanziert.

Die Treibhausgas-Bilanz ist von großem Interesse nicht für Klimaministerin Leonore Gewessler, sondern auch für Finanzminister Magnus Brunner und Kanzler Karl Nehammer, da Österreich gegenüber der EU bereits Verpflichtungen eingegangen ist, wonach die Emissionen bis 2030 fast halbiert werden müssen (im Vergleich zu den Daten von 1990).

In aller Kürze:

Energie und Industrie verzeichnete ein Minus von 5,3 % seit 1990

Der Sektor Energie und Industrie ist im Jahr 2021 mit ca. 34,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent der größte Emittent an Treibhausgasen in Österreich. Gegenüber dem Jahr 2020 sind die Emissionen um ca. 6,3 % (2 Mio. Tonnen) gestiegen.

Verkehr: plus 56,9 % seit 1990

Der Sektor Verkehr weist im Jahr 2020 THG-Emissionen im Ausmaß von ca. 21,6 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent auf. Im Vergleich zu 2020 sind die Emissionen um 4,2 % (0,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent) gestiegen. Seit 1990 verzeichnet der Sektor Verkehr (inkl. nationalen Flugverkehr) durch den Anstieg der Fahrleistung und den Kraftstoffexport eine Emissionszunahme von 56,9 %.

Der Sektor Gebäude verursachte im Jahr 2021 ca. 9,1 Mio. Tonnen an THG-Emissionen.

Das entspricht einem Anstieg von 12,6 % (1 Mio. Tonnen) gegenüber dem Jahr 2020. Die Witterung war kühler als im Jahr davor, die Anzahl der Heizgradtage (Jahressumme) stieg um 12,5 %. Die Daten zeigen im Vergleich zu 1990 ein Minus von 29,5 %.

Bei der Landwirtschaft wird ein Minus von 16,2 % seit 1990 verzeichnet, insgesamt wurden Treibhausgasemissionen im Ausmaß von ca. 8,2 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent verursacht. Das sind um 0,1 % (0,01 Mio. Tonnen) mehr Emissionen als im Jahr 2020. Hauptverantwortlich dafür sind ein erhöhter Einsatz von Mineraldünger und ein höherer Rinderbestand.

Bei der Abfallwirtschaft gibt es ein Minus von 50,9 % seit 1990. Der Sektor Abfallwirtschaft emittierte im Jahr 2021 ca. 2,3 Mio. Tonnen CO2- Äquivalent und somit etwas weniger (minus 0,8 % bzw. 0,02 Mio. Tonnen) als im Jahr 2020. Diese Reduktion ist auf die gesunkenen Emissionen aus der Abfalldeponierung zurückzuführen.

Die Experten des Umweltbundesamtes, die diese Treibhausgas-Bilanz präsentieren, sehen in einer ersten Abschätzung auf Basis vorliegender Daten für das Jahr 2022 einen deutlichen Rückgang der Emissionen um circa 5 %.

Ursache ist in erster Linie die Energiekrise und der damit verbundene Rückgang am Diesel- und Erdgasverbrauch. Um die europäischen Ziele der EU Effort-Sharing-Entscheidung bis 2030 zu erreichen, braucht es aber eine Trendumkehr. Vor allem dann, wenn es gilt, die ambitionierteren Ziele des Fit-for-55 Pakets (-48 % für Österreich) zu erreichen.

Reaktionen: Mehr Anstrengungen nötig

Anlässlich der Treibhausgas-Zahlen fordert der WWF Österreich den Beschluss eines großen Klima- und Naturschutz-Programms. “Österreich muss seine CO2-Emissionen systematisch und dauerhaft reduzieren. Dafür braucht es grundlegende Reformen, die alle Bereiche erfassen: vom Energiesparen bis zum besseren Schutz wertvoller Natur. Nur so wird Österreich langfristig krisensicher”, sagt WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Um die EU-Ziele für 2030 und die Klimaneutralität 2040 zu schaffen, brauche es in allen Sektoren deutlich mehr Anstrengungen. Besonders dringend sind laut WWF ein großes Energiespar-Programm, ein starkes Klimaschutzgesetz und Sofortmaßnahmen im langjährigen Problemfeld Verkehr, darunter niedrigere Tempolimits, die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und der Radwege.

Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 fordert einen neuen Turbo für die heimische Klimapolitik: „Es braucht einen Neustart in der heimischen Klimapolitik, damit klimaschädliche Emissionen dauerhaft sinken, rasch die Unabhängigkeit von fossilen Energieimporten erreicht werden kann und allen Menschen der Zugang zu einer sauberen, leistbaren Energieversorgung ermöglicht wird. Dazu ist als nächster Schritt das Erneuerbaren-Wärmegesetz für den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen und eine deutliche Verbesserung des Energieeffizienzgesetzes notwendig“, so Johannes Wahlmüller, Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnt vor einem Anstieg der klimaschädlichen Emissionen. Österreich sei noch weit entfernt vom Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. Greenpeace fordert die Bundesregierung auf, das längst überfällige Klimaschutzgesetz umzusetzen. Auch muss noch dieses Jahr ein ambitionierter nationaler Energie- und Klimaplan (NEKP) vorgelegt werden. “Die Treibhausgasbilanz stellt Österreich abermals ein vernichtendes Zeugnis aus: Während auch im Winter ein Temperaturrekord auf den nächsten folgt, wird weiterhin massiv viel klimaschädliches CO2 in die Luft geblasen,” kritisiert Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich. “In diesem letzten vollen Regierungsjahr muss die schwarz-grüne Koalition endlich Nägel mit Köpfen beim Klimaschutz machen. Das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, ist ein Kraftakt, kein Spaziergang. Der Ausstoß von Treibhausgasen muss rasch und nachhaltig gesenkt werden. Wir können es schaffen, doch es gelingt nur mit einem ambitionierten Klima- und Energieplan und sanktionierbaren Klimazielen", so Duregger.

Um die Klimaziele erreichen zu können, braucht es  beim Klimaschutz im Verkehr rasch größere Schritte,  stellt der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) zur heute präsentierten Treibhausgasbilanz des Umweltbundesamts fest. Auch wenn im Jahr 2022 die CO2-Emissionen des Verkehrs gesunken sind, die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs sind um über 50 Prozent höher als im Jahr 1990. Der VCÖ fordert eine Offensive für klimaverträgliche Mobilität sowohl auf Bundes- und Landesebene, als auch in den Städten und Gemeinden. Zudem ist das Potenzial niedrigerer Tempolimits rasch zu nutzen. "Die CO2-Emissionen des Verkehrs sind im Vorjahr gegenüber dem Jahr 2021 zurückgegangen, aber um das Klimaziel für das Jahr 2030 zu erreichen, braucht es deutlich größere Schritte", stellt VCÖ-Expertin Lina Mosshammer fest. Während andere Sektoren bereits vor der Covid-19-Pandemie einen Rückgang der Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 erreicht hatten, etwa im Gebäudesektor um ein Drittel, gab es im Verkehr eine massive Zunahme.

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