Kein Geld: Bundesheer kann nicht mehr helfen

Hilfseinsätze des Heeres gibt es künftig nur noch, wenn die Hochwasseropfer zivile Autobusse organisieren, um die Soldaten zu holen.
Der Katastrophenschutz bricht weg, die Flieger bleiben am Boden, die Ausbildung steht.

Das Pionierbataillon in Melk meldet eine Einsatzbereitschaft seiner Gerätschaften von unter 50 Prozent. Die alten Lkw und Geländefahrzeuge haben die Soldaten zwar schon lange abgegeben, weil das Geld für die Reparaturen fehlte. Doch jetzt stehen auch die modernen Bergegeräte, weil kein Geld für die Werksinstandsetzungen da ist. Sogar eine moderne Pionierbrücke wurde bereits eingemottet.

Noch schlimmer ist die Situation beim Pionierbataillon in Villach. Dieses kommt jetzt nur mehr mit einem ganz kleinen Teil der Truppe (zwei Züge) auf die Straße.

Diese und andere beunruhigenden Tatsachen erfuhren niederösterreichische Bürgermeister bei der Bürgermeisterkonferenz von Militärkommandant Rudolf Striedinger.

Kein Geld: Bundesheer kann nicht mehr helfen
Ein Beispiel: Ergattert ein Bürgermeister beim nächsten Hochwasser einen der letzten Militär-Bagger, muss er vorher einen zivilen Tieflader in die Kaserne schicken. Denn die Tiefladesysteme der Pioniere sind bereits alle ausgefallen. Und braucht die Gemeinde Soldaten zum Sandsackschaufeln, muss sie zivile Autobusse organisieren. Denn das Militärkommando hat nicht mehr die Mittel für deren Anmietung. Striedinger: "Wenn ihr uns braucht, müsst ihr uns von der Kaserne abholen."

Wollen die Bürgermeister bei der nächsten Bürgermeisterkonferenz den Militärkommandanten wieder sehen, müssen sie ihm übrigens ein Taxi schicken. Denn das Treibstoffbudget reicht nur noch bis zum März kommenden Jahres. Dann bleiben auch die Dienstfahrzeuge der Generäle stehen.

Wehrpflichtfrage

Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen, die Budgetkrise schlägt voll zu: Beim Aufklärungsbataillon in Mistelbach können die Rekruten, die als Richtschützen ausgebildet werden, ihre Panzerhaubitze nur mehr in der Garage bewundern. Striedinger: "Ausbildung ohne Betriebsmittel und ohne Geld für Überstunden wird dazu führen, dass die Frage nach der Sinnhaftigkeit der allgemeinen Wehrpflicht wieder gestellt wird."

Kein Geld: Bundesheer kann nicht mehr helfen
Düstere Stimmung herrscht auch beim Heeresspital in Wien-Stammersdorf. Wenn ein Patient in der Nacht Probleme bekommt, bleibt dem Wachhabenden nur die Möglichkeit, den Notruf 144 zu wählen, um den Patienten in ein ziviles Spital zu überstellen – weil aus Kostengründen die Journaldienste gestrichen wurden. Heeresgewerkschafter Peter Schrottwieser fürchtet, dass "sehenden Auges" das Militärische Sanitätswesen ruiniert wird.

Verunsichert verließen auch hochrangige Militärs die letzte Kommandantenbesprechung im Ministerium. Dort erfuhren sie, dass der Eurofighter Mitte 2015 gänzlich stillgelegt werden muss. Als nächstes folgen wegen Ersatzteilmangels die hochmodernen Black Hawk. In wenigen Jahren liegen 80 Prozent der vorhandenen Helikopter-Flotte am Boden. Das ist beunruhigend angesichts einer Meldung aus Libyen, wonach Dschihadisten einer libyschen Airline elf Passagier-Jets gestohlen haben. Die Flieger sollen offenbar für Terrorangriffe umgerüstet werden.

Menschenrechte

Volksanwalt Peter Fichtenbauer ist "hochgradig alarmiert" und sieht in der Situation eine Serie von Rechtsbrüchen. Er will deshalb amtswegige Prüfverfahren einleiten.

Kein Geld: Bundesheer kann nicht mehr helfen
Pionierbrücke 2000
Der Kommentator der Bundesheer-Zeitung Der Soldat unterstellt dem Finanzminister, der im Heer für die Budgetkatastrophe verantwortlich gemacht wird, einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (ERMK). Gemeint war noch Michael Spindelegger. Der Soldat beruft sich dabei auf einen Prozess in Großbritannien, den Angehörige eines im Irak getöteten Soldaten gegen die Regierung angestrengt haben. Das Gericht stellte tatsächlich einen Verstoß gegen die ERMK fest, weil der Soldat mit einem ungeschützten Fahrzeug in den Einsatz fahren musste, bei dem er durch eine Bombe starb.

Auch Walter Seledec, Vorsitzender der Parlamentarischen Bundesheerbeschwerdekommission, ist fassungslos: "Ausgerechnet jetzt, wo es in unmittelbarer Umgebung brennt, ruinieren sie unser einziges Sicherheitssystem. Wo bleibt der Aufschrei der Politik? Wo bleibt der Aufschrei der Bevölkerung?" In keinem europäischen Land, so Seledec, würde sich die Bevölkerung gerade jetzt die Demontage der Armee gefallen lassen.

Als Gerald Klug im März vergangenen Jahres sein Amt als Verteidigungsminister antrat, hatte das Bundesheer den budgetären „Boden des Fasses“ längst erreicht.
Die Bundesheerreformkommission des Helmut Zilk hatte bereits im Jahr 2004 ein Budget in der Höhe von einem Prozent am Bruttoinlandsprodukt gefordert. Mit knapp zwei Milliarden kam das Bundesheer aber über 0,8 Prozent nie hinaus – was im europäischen Vergleich das Schlusslicht bedeutet.

Solidaritätsabschlag

Aus diesen ohnehin schon sehr geringen Mitteln mussten insgesamt 1,7 Milliarden an diversen Solidaritätsabschlägen abgeführt werden, was den Verlust beinahe eines Jahresbudgets bedeutet. Außerdem gab es all die Jahre keinen Inflationsausgleich.

Auch die von der Politik versprochenen Einkünfte aus Kasernenverkäufen erwiesen sich als Flop. Die Beamten des Finanzministerium strichen die jeweils erwarteten Verkaufserlöse aus dem Regelbudget, was letztendlich einen Verlust von 112 Millionen für das Heer ergab.

Teuer sind auch die Auslandseinsätze. Die UNO refundiert zwar alle Kosten, doch diese Beträge bleiben ebenfalls im Finanzministerium hängen.
Auch aus dem erhofften Eurofighter-Geldsegen wurde nichts. Der Hersteller EADS zahlte zwar nach der Stückzahlreduktion und der Abrüstung der Flieger 250 Millionen Euro zurück. Doch der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos leitete das Geld ins Sozialbudget um.

Hypo

Mit neuerlichen 46 Millionen, die jetzt zur Rettung der Kärntner Hypo abgezogen wurden, ist das Heeresbudget auf einen BIP-Anteil von 0,62 Prozent gefallen. Kommendes Jahr wird er weiter auf 0,55 Prozent sinken.

Vereinzelt taucht schon wieder die Forderung auf, mit den Mitteln ein kleines Berufsheer zu organisieren. Das hat aber nur im NATO-Verbund einen Sinn. Beim NATO-Gipfel in Wales wurden die Mitglieder nun darauf eingeschworen, mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Österreich müsste als Mitglied seine Verteidigungsausgaben vervierfachen und gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass die wesentlichen militärischen Entscheidungen in Brüssel bei der NATO fallen.

Der frühere Generalstabschef Edmund Entacher kommentiert die Situation emotional: „Hier geht es nicht um eine Budgetentlastung, sondern darum, Gelder für die Bedürfnisse der Hypo-Spekulanten freizumachen. Und dafür verschließen die Verantwortlichen die Augen vor der sicherheitspolitischen Realität in Europa.“

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