Karl Schnell: "Der Strache ist mir völlig wurscht"
Karl Schnell ist derzeit im Dauerstress. Bei der Interview-Anfrage am Dienstag muss der Arzt aus Saalbach-Hinterglemm das Telefonat rasch beenden – er habe einen Patienten zu behandeln. Ein Notfall, sagt Schnell hastig, bevor er auflegt.
Vor einem Fototermin für die Nationalratswahl-Kampagne seiner Freien Liste Österreich (FLÖ) am Mittwochvormittag findet der 63-Jährige eine Stunde Zeit für das Gespräch mit dem KURIER. Donnerstag bis Sonntag dürfe er dann das Glemmtal nicht verlassen – da habe er als Arzt Bereitschaftsdienst, sagt Schnell.
KURIER: Herr Schnell, Sie haben mit Ihrer Freien Partei Salzburg (FPS, Anm.) noch nicht einmal eine Landtagswahl geschlagen. Jetzt treten Sie bei der Nationalratswahl an. Nebenbei arbeiten Sie weiter als Arzt. Warum tun Sie sich das an?
Karl Schnell: Das ist die Frage, die fast jeder stellt – auch meine Familie. Das Problem ist, dass sehr viele Leute auf mich zukommen und sagen, bitte macht’s was, bietet eine Alternative an. Ich glaube, wenn wir in der Politik so weitertun, dann fahren wir gegen die Wand.
In der letzten ernst zu nehmenden Umfrage für die Landtagswahl in Salzburg kam die FPS gerade einmal auf vier Prozent. Wie soll es da im Bund klappen?
Das klappt auch im Land, das kann ich Ihnen gleich garantieren. Es gibt vier Umfragen im Land, wobei bei allen die ÖVP an der Spitze ist und an zweiter Stelle die blaue Wählerschaft. Wenn man die Personen abfragt, kommt gleich einmal nach dem Landeshauptmann der Schnell. Und das ist es. Die ganzen Medien ordnen die blauen Wähler der FPÖ zu. Da werden sie noch ein großes Wunder erleben. Die Frau Svazek (Marlene, FPÖ-Landesparteiobfrau in Salzburg, Anm.) kennt kein Mensch und ist schon in jungen Jahren eine Berufspolitikerin, die nichts arbeitet. Wir stellen lauter Leute auf, die mit beiden Beinen auf dem Boden stehen, die Berufe haben und nicht von der Politik abhängig sind. Ich bin es nicht. Die Barbara Rosenkranz könnte jederzeit in Pension gehen. Oder der Oberarzt Wallner (Hubert, FLÖ-Listenerster in Salzburg, Anm.), der in Schwarzach fast täglich mit der schweren Bleischürze im Krankenhaus steht und Menschenleben rettet.
Bei wem will die FLÖ punkten? Welchen Parteien soll Ihr Antritt Stimmen kosten?
Der größte Teil sind die Nichtwähler, die sich aus Frustration aus der Politik zurückgezogen haben. Das sind sehr viele enttäuschte FPÖ-Wähler, die sehen, dass der Herr "Ibiza-Bupo" (Schnell meint FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache, der bekanntlich gerne auf Ibiza urlaubt, Anm.) nur große Töne spuckt, aber nichts dahinter ist. Und wenn einer glaubt, dass er in Ibiza in der Sonne die Politik in Österreich bewältigen wird, dann irrt er. Er ist einer, der wirklich nur nach außen etwas vorgibt. Er richtet sich jetzt schon als Braut her und weiß nicht, für wen er sich schminken soll – für die SPÖ oder die ÖVP. Es ist ihm auch wurscht für wen, Hauptsache er kommt an die Macht. Der ist nicht mehr glaubwürdig. Und sehr viele Leute sagen, das ist nicht mehr das, wo uns die FPÖ große Hoffnungen gemacht hat, in den Anfangsjahren Jörg Haiders zum Beispiel. Der Jörg hat ja dann leider auch seinen Weg verlassen.
Böse Zungen mutmaßen, dass Sie nur antreten, damit Sie Heinz-Christian Strache noch eins auswischen für den Rausschmiss aus der FPÖ.
Geh! Wie viele FPÖler sind bei uns dabei? Das sind vielleicht vier, fünf, die eh er rausgeschmissen hat oder weil sie sich verabschiedet haben. Der Strache ist mir völlig wurscht. Es geht mir um die Nichtwähler-Gruppe und wahnsinnig viele enttäuschte SPÖ- und ÖVP-Wähler.
Zu den Inhalten: Mit welchen Themen gehen Sie mit Ihrer Liste in den Wahlkampf?
Das Erste ist die Einführung einer direkten Demokratie nach dem Vorbild Schweiz mit Volksabstimmungen, die ab einer gewissen Anzahl an Unterschriften – sagen wir 100.000 – auch verbindlich sind. Warum? Wenn wir die Sensation schaffen und den Fuß in die Tür bekommen – und davon bin ich überzeugt – haben wir keine Chance, mit unserer Kraft etwas zu verändern bezüglich EU, Zuwanderung, der ganzen Bürokratie. Das ist die einzige Chance, dass sich die etablierten Parteien nicht einer Idee verschließen können.
Das Zweite ist die EU, von der ich persönlich glaube, dass sie sich nicht mehr ändern wird. Die EU wäre ein hehrer Gedanke – nie wieder Krieg in Europa. Heute würde ich aber sagen, Österreich soll aus dieser EU austreten. Wenn wir verbleiben, werden wir mit dieser EU untergehen. Das ist nicht mehr finanzierbar. Schauen Sie sich die Probleme mit den ehemaligen Ostblock-Staaten an. Man hätte sich stattdessen bemühen sollen, die Schweiz und Norwegen hineinzubekommen, die das Potenzial haben, andere Länder mitzunehmen.
Das Nächste ist das Gesundheitswesen, wir haben sehr viele Ärzte auf unserer Liste. Es gibt derzeit kein Bemühen, junge Ärzte in die Peripherie als Haus-, Turnus- und Fachärzte zu bekommen. Die ärztlichen Leistungen in den Krankenhäusern werden immer weniger, weil man in der Verwaltung enorm viele Gelder verwendet. Da muss man einsparen, nicht bei der medizinischen Versorgung. Generell braucht es einen Bürokratie-Abbau – die Verwaltungsreform, von der wir seit 20 Jahren hören. Aber nie passiert etwas.
Das sind Vorschläge, die die FPÖ wahrscheinlich auch unterschreiben würde. Warum soll man Ihre Liste wählen?
Ganz einfach, weil es die FPÖ ja nicht mehr gibt. Der "Bupo" ist ja nur damit beschäftigt, ob ihn jetzt der Herr Kurz oder der Herr Kern nimmt. Der will nur an die Macht. Der will nur teilhaben am Kuchen. Der will nur verdienen und nichts tun. Er hätte so viel Zeit gehabt im Parlament mit den vielen Abgeordneten. Aktionismus? Nichts! Die Aufdeckerei überlässt er dem Herrn Pilz.
Können Sie sich eigentlich den Lokalpolitiker Schnell in Wien vorstellen?
Nein. Aus einem ganz einfachen Grund: Ich würde es nicht schaffen. Ich könnte nicht nach Wien gehen. Aber es geht mein Geist mit den Leuten mit, die da nach Wien gehen werden. Das sind alles Leute, die ich seit 25, 20, 15 Jahren kenne, wo ich weiß, die sind mutig, die trauen sich, die lassen sich nicht kaufen. Die fahren nicht nach Wien, weil sie es nötig haben, dass sie ein Mandat kriegen.
Sie stehen also nicht auf der Bundesliste der FLÖ?
Doch, aber wahrscheinlich nicht auf Nummer eins. Dann müsste ich nach Wien gehen. Ansonsten wäre es Wahlbetrug. Ich kann nicht irgendwas vortäuschen. Ich will in Salzburg in die Regierung, weil auch hier viel daneben geht. Die Grünen haben absolut nicht eingehalten, was sie versprochen haben.
Sie legen großen Wert darauf, zu betonen, dass Sie kein Berufspolitiker sind...
Richtig.
Nein, das würde ich so nicht sehen. Die Barbara Rosenkranz – entschuldigen Sie schon vielmals, damit diffamieren Sie alle Frauen, die eine Riesenfamilie haben – die hat zehn Kinder auf die Welt gebracht. Die hat zehn Kinder auf ihrem Lebensweg begleitet. Jetzt nimmer. Die Barbara Rosenkranz könnte so locker in die Pension gehen – sie tut es aber nicht.
Wer hat bei ihrer Kandidatur die Initiative ergriffen? Frau Rosenkranz oder Sie?
Da muss ich jetzt wirklich nachdenken. Ich glaube, das war fast eine Selbstverständlichkeit. Seit ich aus der FPÖ ausgeschlossen worden bin (im Juni 2015, Anm.), waren wir immer in Verbindung, auch davor schon. Irgendwann haben wir uns telefonisch wieder einmal gesprochen und ich habe gesagt, ich trete an, weil ich in Österreich eine Alternative bieten will. Und sie hat gesagt ja, ich tu' mit.
Wann ist der Antritt von Rosenkranz fixiert worden?
Das kann ich gar nicht einmal genau sagen, weil es immer zwischen Tirol, Vorarlberg, Kärnten so dahin gegangen ist. Ich schätze so seit ein, zwei Monaten. Gespräche hat es immer gegeben, dass ich gesagt habe: Überleg' doch Barbara, bitte geh' nicht Pension, wir brauchen Leute, die den Mut haben, so wie dich, die als Einzige aufsteht und sich etwas sagen traut und nicht sitzen bleibt und weiche Knie kriegt. Und dann hat sie gesagt ja, Charly, ich bin dabei.
Was erwarten Sie von Ihrer Kandidatur?
Ich erwarte viel von ihr in der Familienpolitik und bei Frauenthemen. Die Frau muss wirklich einmal gleich viel verdienen wie der Mann. Das ist wichtiger, als dass ich alles gendere. Das hilft der Frau ja nichts. Sie muss Chancengleichheit haben. Die Barbara ist auch sehr engagiert im sozialen Bereich.
In der Steiermark geht Team-Stronach-Mandatarin Martina Schenk ins Rennen. Wie sieht es mit Kandidaten in den restlichen Bundesländern aus?
Das ist eine Bewegung, da kommen noch Leute von anderen Parteien und Organisationen. Das wird noch ein bisschen eine Überraschung. Das wichtigste sind für mich Leute, die ein Mandat nicht notwendig haben, aber etwas tun wollen, damit wir nicht gegen die Wand fahren.
Sie wollen bewusst keine Spenden annehmen. Wie viel Geld steht der FLÖ für den Wahlkampf zur Verfügung?
Geld haben wir wirklich nicht viel. Es ist hauptsächlich der persönliche Einsatz, den wir bringen müssen. Wir rechnen einmal mit 400.000 Euro.
Woher kommt das Geld?
Ich muss einen Kredit aufnehmen.
Für den Sie privat haften?
Ich und die Leute, die das in Angriff nehmen. Das muss man, weil anders schaffen wir es nicht. Die Abgeordneten, die bereits jetzt im Nationalrat sind, müssen sicher auch ein bisschen etwas beisteuern, weil die verdienen ja weiter. Das ist natürlich ein Minimalbudget, so ehrlich müssen wir sein. Wir haben eine Plakataktion in allen neun Bundesländern geplant, die bereits bestellt ist. Wir werden einen tollen Bus haben, der durch alle Länder gekarrt wird, wo wir überall Veranstaltungen machen und beim Bürger sein wollen. Wir müssen auch inserieren, das ist keine Frage. Und wir haben einen Folder, wo unser Programm drinnen steht.
Wie geht die Wahl am 15. Oktober aus?
Ich glaube, dass es eine kleine Überraschung gibt. Ganz kurz umrissen: Das „Kurze Wunder“ wird nicht so funktionieren, wie man es sich vorgestellt hat. Es wird nicht genügen, die Farbe und den Spitzenkandidaten zu ändern. Kern hat große Fehler gemacht – Stichwort Pizzabote und die klassenkämpferischen Ansagen zuletzt. Ich glaube, dass Rot und Schwarz ziemlich gleichauf liegen werden, dass der Strache mit der FPÖ abstinken, also sehr viel verlieren wird und dass der Pilz ins Parlament kommt. Wahrscheinlich wird er sogar stärker als die Grünen. Und ich glaube, dass wir hineinkommen.
Und die Neos?
Glaube ich nicht, das sage ich Ihnen ganz ehrlich. Ich würde es nicht verstehen, wenn sie es schaffen. Die Themen, die die Neos und der Herr Strolz bringen, haben die anderen Parteien auch schon besetzt. Und die Plauscherei, dass er als Minister als erstes nach Frankreich fährt und seinen Kollegen Macron begrüßt (Schnell gibt ein angewidertes „Woah“ von sich, Anm.) – den Höhenflug, diese Ignoranz, diese Überheblichkeit mögen die Leute nicht.
Kommentare