Blecha: "SPÖ-Organisation funktioniert nicht"

Karl Blecha rät seiner Partei im KURIER-Talk, die Bevölkerung zur Teilnahme zu animieren.

KURIER: Herr Blecha, Sie waren schon als Mittelschüler mit 15 Jahren politisch aktiv und sind diese Woche mit 85 aus ihrer Funktion als Pensionistenverbandspräsident ausgestiegen. Warum eigentlich haben Sie 70 Jahres Ihres Lebens in der Politik verbracht? Was ist daran so faszinierend?

Karl Blecha: Faszinierend ist, dass man aktiv in der Gesellschaft tätig sein will. Man lebt in einer Gesellschaft, in einer Umgebung, in der es vieles zu kritisieren gibt. Wenn man sich damit nicht zufrieden gibt, muss man etwas tun, um etwas zu verändern. Das war von Anfang an mein Antrieb. Ich habe schon als Schüler eine Organisation aufgebaut und versucht, damit das Schulsystem zu ändern.

Die Teilnahme an der Politik, die Partizipation, war ja unter dem Schlagwort Demokratisierung aller Lebensbereiche das große Thema in den 1970ern. Sie waren damals Politikforscher und Zentralsekretär von Bruno Kreisky. Was hat sich seit damals am gravierendsten verändert?

Man hört es nicht gern, aber die Teilnahme der Bevölkerung steht heute in keinem vergleichbaren Maß zu damals. Damals gab es eine Aufbruchstimmung. Die Jungen haben auf Veränderungen gedrängt, das hat die Älteren irritiert, und sie haben sich daraufhin auch politisch aktiviert. Es ist ein interessantes Klima entstanden, und das fehlt uns heute.

Geht das von der Bevölkerung aus oder von den Politikern?

Von beiden. Aber die Politiker müssten daran interessiert sein, dass mitgeredet wird, da sie sonst unterdrückten Frust abbekommen.

Früher waren die Parteien viel stärker ein Transmissionsriemen zwischen Bevölkerung und der Politik.

Ja, deswegen waren sie auch so stark.

Heute glaubt man, dass man mit der Ausweitung von direktdemokratischen Elementen die Leute zu mehr Teilnahme bringt. Glauben Sie das auch?

Ich habe das geglaubt. Ich habe immer verlangt, die direkte Demokratie zu stärken.Für mich ist es enttäuschend, wie gering die Bevölkerung Möglichkeiten direkter Einflussnahme annimmt.

Die SPÖ ist seit der Wahl 2008 nicht mehr gewachsen. Was muss die SPÖ tun? Neue Personen? Neue Zielgruppen?

Die Wähler braucht man nicht suchen. Wir sind eine Mittelstandsgesellschaft, 80 Prozent der Bevölkerung sind Mittelstand. Da brauche ich nicht lange suchen. Ich muss aber die einzelnen Menschen ansprechen. Ich muss den sehr, sehr auf sich selbst Bedacht nehmenden Zeitgenossen ansprechen. Das geschieht nicht.

Woran liegt das?

An der Organisation. Sie funktioniert nicht mehr. Man geht nicht mehr in ein Sektionslokal. Die SPÖ muss die Menschen anders erreichen.

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