ÖVP-Inseratenaffäre: WKStA kriegt Kanzleramtsdaten vorerst nicht

Darf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf alle eMails, auf gespeicherte Dokumente, kurzum: auf alle Daten von Mitarbeitern des Bundeskanzleramts (BKA), zugreifen?
Nein, sie darf es nicht, sagt das BKA; zumindest nicht in der Art und Weise, wie die WKStA dies Mitte August vom Kanzleramt mittels einer Anordnung gefordert hat.
Wie berichtet will die WKStA für Ermittlungen in der „ÖVP-Inseratenaffäre“ die Daten von geschätzt bis zu 100 BKA-Mitarbeitern haben – und das über den Zeitraum von Dezember 2017 bis Oktober 2021.
Die Ermittler begründen die umfassende Anordnung von Tausenden eMails und Dokumenten damit, dass frühere Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz massenhaft eMails gelöscht und Handys getauscht hätten; man sei, so die WKStA sinngemäß, dazu gezwungen.
Am Mittwoch haben Vertreter des Kanzleramts und der Finanzprokuratur, unter anderem Generalsekretär Bernd Brünner und Präsident Wolfgang Peschorn, Vertreter der WKStA getroffen. „Wir haben der WKStA zugesagt, dass wir alles tun, um Korruptionsermittlungen zu ermöglichen“, sagt ein Sitzungsteilnehmer. Man könne die Daten der Mitarbeiter vorerst aber trotzdem nicht übermitteln.
Vereinfacht gesagt, besteht das Problem für das BKA darin, dass die Justiz ohne konkrete Anhaltspunkte und Ermittlungsansätze Daten abfragt, die tief in die Privatsphäre von Unbescholtenen eingreifen. Ein Beispiel: Wenn ein Mitarbeiter seinem Chef eine (Krebs-) Erkrankung per eMail meldet; ein anderer Fall: Ein Mitarbeiterin hat sich ein Testament auf ihrem BKA-Laufwerk gespeichert.
Löschungen
Die WKStA verteidigt die flächendeckende Abfrage von Mitarbeiter-Daten damit, dass „Beschuldigte großflächige Löschungen ihrer elektronischen Daten vorgenommen haben“ – ergo müsse man auf alle Daten der Institution zugreifen.
Diese Sicht der Dinge ist allerdings juristisch nicht unumstritten.
Bei einem Hintergrundgespräch, an dem am Mittwoch – also nach dem Treffen zwischen BKA und WKStA – Experten wie der Strafrechtler Alexander Tipold (Uni Wien) und die Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak teilgenommen haben, wurde mehrfach die Frage aufgeworfen, warum die Justiz nicht mit dem gelinderen und nahe liegenden Mittel, nämlich dem Ersuchen um Amtshilfe, versucht hat, Informationen zu bekommen bzw. sich einen Überblick verschaffte; in einem zweiten Schritt hätten die Staatsanwälte dann viel konkreter formulieren können, welche eMail-Ordner und Daten man von welchen Mitarbeitern benötigt.
Wie geht es weiter?
Die WKStA hat die rechtlichen Argumente des BKA auch in schriftlich bekommen, sie will diese nun prüfen. Die Hoffnung, dass die WKStA von ihrer Forderung doch noch abgeht, ist im BKA freilich vergleichsweise schwach ausgeprägt.
Kommentare