Kurz in Salzburg mit "Plus vor dem Ergebnis" zufrieden
Eine Live-Fragerunde im Internet mit dem Landeshauptmann, Teilnahme an einer Abendveranstaltung im Flachgau und ein Auftritt beim „Auftakt zum Endspurt“ im Freiwilligenbüro am nächsten Vormittag: Keine zwei Wochen nach dem Wahlkampf-Auftakt der ÖVP, für den er eigens seine China-Reise verschoben hatte, ist Bundeskanzler Sebastian Kurz erneut nach Salzburg gereist, um für Wilfried Haslauer die Werbetrommel zu rühren. Und auch am Sonntag will Kurz nach Salzburg kommen, um sich mit seinen Parteifreunden für den nächsten Wahlerfolg feiern zu lassen. Dem KURIER gaben Bundeskanzler und Landeshauptmann zuvor noch ein Doppel-Interview über ihre Wahlziele, den Einfluss der ÖVP-Bundespartei auf die Zusammensetzung der neuen Salzburger Landesregierung und Differenzen zwischen dem ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm und den Ländern.
Herr Bundeskanzler, Sie waren relativ präsent im Salzburger Landtagswahlkampf. Warum ist Ihnen dieses kleine Bundesland so wichtig?
Sebastian Kurz: Ich schätze Wilfried Haslauer sehr. Er hat mich nicht nur stets unterstützt sondern ist für mich auch ein wichtiger Gesprächspartner und Ratgeber. Ich schätze den sachlichen Stil in der Politik und den verkörpert er. Insofern hoffe ich sehr, dass er am Sonntag das Vertrauen geschenkt bekommt, das er verdient hat. Für mich als Bundeskanzler ist es wichtig, starke Partner zu haben. Gerade
Salzburg ist gut auf dem Weg. Davon profitieren wir auch als Bundesregierung
Herr Landeshauptmann, wie ist umgekehrt Ihr Verhältnis zu
Wien?
Wilfried Haslauer: Ich habe eine enge Beziehung zu Wien, habe dort studiert. Du musst in Wien präsent sein, als Bundesland, als Landeshauptmann. Dort fallen die Entscheidungen in den Ministerien, in den politischen Gremien. Und zwar nicht nur im Bereich der Politik, sondern auch im Vorfeld wie bei den Spitzenbeamten. Dort muss man präsent sein, sonst erreicht man für sein Bundesland gar nichts.
Mit welchem Wahlergebnis wären Sie am Sonntag zufrieden?
Kurz: Wenn ein Plus vor dem Ergebnis steht, bin ich zufrieden. Wilfried Haslauer hat in den letzten Jahren mit seinem ruhigen und sachlichen Art überzeugt. Wir freuen uns auf den Sonntag und ich glaube, dass es ein gutes Ergebnis für die Volkspartei sein wird.
Ihr offizielles Wahlziel lautet ein Drittel der Stimmen. Sie haben schon 2009 als Spitzenkandidat 36,5 Prozent erreicht. Müsste es für Sie als Landeshauptmann nicht enttäuschend sein, unter diesem Ergebnis zu bleiben?
Haslauer: Wir starten bei 29 Prozent und die politische Landschaft hat sich in den letzten Jahren verändert. Es sind mehr Parteien am Start, der Landtag ist bunter geworden. Vorweg erklärte Wahlsiege machen mich immer sehr vorsichtig, da hat es schon so manche Enttäuschungen gegeben. Daher ist es gut, die Erwartungen realistisch anzusetzen. Vier fünf Prozent ist ja nicht wenig zu erreichen als Zugewinn. Das geht nicht von selbst, daher arbeiten wir noch bis Samstagabend.
Es wird gemunkelt, dass es Druck aus Wien gibt, dass nach der Wahl eine schwarz-blaue
Regierung kommen soll. Hat Wilfried Haslauer bei den Koalitionsverhandlungen freie Hand?
Kurz: Gemunkelt ist das richtige Wort. Ich würde es sogar noch schärfer formulieren: Es wird behauptet und verbreitet, aber es entspricht nicht der Wahrheit. Richtig ist, dass Wilfried Haslauer es sich als Chef aussucht, mit welchem Partner er für Salzburg am besten arbeiten kann. Der Landeshauptmann wird eine gute und richtige Entscheidung treffen. Wir reden hier als Bundespartei überhaupt nicht mit.
Günther Platter hat sich in Tirol für eine Fortsetzung der schwarz-grünen Regierung entschieden. Auch in Vorarlberg gibt es diese Konstellation. Spielt das in Ihren Überlegungen eine Rolle? Stichwort: Westachse.
Haslauer: Nein, gar keine. Die Westachse ist geschmiedet von den Landeshauptleuten. Das ist nichts anderes, als eine auf einer sehr guten, persönlichen Ebene aufgebaute Vertretung der Interessen von drei Bundesländern, die sehr ähnlich sind. Da ist es klug, sich gemeinsam aufzustellen, damit man mehr Gewicht in Wien hat. Wie die einzelnen Regierungskoalitionen aussehen, spielt dabei keine Rolle.
Es besteht der Eindruck, dass es im Sozial- und Gesundheitsbereich große Differenzen zwischen dem ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm und den Ländern gibt. Stichwort: Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen.
Kurz: Den Widerstand sehe ich bei den Landesparteiobleuten der Volkspartei überhaupt nicht. Wir haben gemeinsam unser Wahlprogramm erstellt und das Regierungsprogramm beschlossen. Und da ist ganz klar vorgesehen, dass wir die Sozialversicherungsträger von über 20 auf fünf zusammenlegen wollen. Wir ziehen an einem Strang. Dass es natürlich da und dort Gegenwind geben wird, ist uns vollkommen klar. Immer wenn man etwas verändern will, gibt es Reibung.
Sie stehen hinter diesen Plänen?
Haslauer: Wir haben uns im Vorfeld schon massiv eingebracht in die Gespräche und die Voraussetzungen definiert. Die sind relativ einfach erklärt: Erstens muss das Prinzip der Selbstverwaltung aufrecht bleiben. Zweitens braucht es eine österreichweite Leistungsvereinheitlichung, gerade im Bereich der Gebietskrankenkassen, sonst kann man nicht zusammenlegen. Drittens müssen die Rücklagen dort bleiben, wo sie erwirtschaftet wurden, müssen diese auch bleiben, um dort für Gesundheitsprojekte eingesetzt zu werden. Und viertens bedarf es im gesamten Konstrukt einem Maximum an regionaler Bewegungsfreiheit. Bei den Leistungen für die Versicherten darf nicht gespart werden, das ist ein No-Go. Der Rest ist eine Straffung der Organisation.
Welche Kompetenzen sollen konkret in den Ländern bleiben?
Haslauer: Sie müssen ein Budget zugewiesen kommen, über das sie selbstständig entscheiden können, gerade was die Kassenverträge mit niedergelassenen Ärzten betrifft. Es kann nicht von Wien aus entschieden werden, in welcher Region wie viele Ärzte sind wie groß die Praxen sind. Das muss fein ausgelotet werden. Das ist ein riesiges Reformpaket, das uns noch einige Zeit beschäftigen wird.
Bei der Gegenfinanzierung des Pflegeregresses war die Ansage der Salzburger
ÖVP: „Wer anschafft, der zahlt“, also der Bund. Stimmen Sie da überein?
Kurz: Wir haben immer klar gesagt, der Bund wird die entstandenen Mehrkosten finanzieren. Und genauso wird es auch sein. Wir haben den Pflegeregress abgeschafft. Dafür wird den Bundesländern das notwendige Geld zur Verfügung gestellt werden.
Auf diesen 500 bis 600 Millionen Euro an Mehrkosten, die kolportiert wurden, bleiben die Länder nicht sitzen?
Haslauer: Da geistern Zahlen durch die Gegend, da muss man schon differenzieren. Der Finanzminister hat jetzt einmal 100 Millionen eingestellt. Das ist ein wenig knapp bemessen. Die Aufwendungen, die dann im Nachhinein aus dieser gesamten Situation kommen, ist damit nicht zu bewältigen. Das müssen wir jetzt verhandeln.
Kurz: Am Anfang gab es die Aussage, das ist ein Mehraufwand von 100 Millionen Euro, jetzt gibt es schon die ersten, die sagen, es handelt sich um eine Milliarde. Also da verstehe ich den Finanzminister schon, wenn er etwas genauer hinsieht, welche Zahl nun wirklich stimmt.
Sie verlassen sich darauf, dass der Bund die Kosten zur Gänze übernimmt?
Haslauer: Wir sind intensiv in Verhandlungen und schauen, dass das dann tatsächlich passiert. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass man dann schon immer wieder aufzeigen und sagen muss: Ausgemacht ist ausgemacht.
Offen ist auch, ob eine bundesweite Neuregelung der Mindestsicherung zustande kommt. Sozialministerin Hartinger-Klein scheint sich nach dem VfGH-Erkenntnis zum nö. Modell vom Vorhaben im Regierungsprogramm verabschiedet haben. Sie nannte zuletzt Vorarlberg als „eine Grundlage“.
Kurz: Das stimmt nicht. Sie hat gesagt, dass das Vorarlberger Modell positive Facetten hat mit dem Fokus auf Sachleistungen und einer Integrationsvereinbarung. Aber in der Grundüberlegung geht es uns darum, dass Menschen, die frisch zugewandert sind, nicht dasselbe bekommen können wie jene, die jahrzehntelang in Österreich gearbeitet haben. In Oberösterreich gibt es ein Modell, das in diese Richtung geht. Wir werden unser Regierungsprogramm eins zu eins umsetzen und das noch vor dem Sommer verfassungskonform auf den Boden bringen.
Die Soziallandesräte wollen bis zum Sommer „ein bis zwei Vorschläge“ zu liefern. Welches Model präferieren Sie?
Haslauer: Ich bin skeptisch, ob die Bundesländer aufgrund der unterschiedlichen politischen Gegebenheiten zu einer einheitlichen Lösungen kommen. Daher begrüße ich, wenn der Bund in diesem Bereich seine Kompetenz ausnutzt. Wir werden uns im Vorfeld der Gesetzwerdung einbringen und uns bemühen, zu einem Modell zu kommen, das regionale Unterschiede entsprechend berücksichtigt. Bei uns sind Wohnkosten höher als anderswo. Das muss man schon auch hinein bringen und dann werden wir eine gemeinsame Lösung finden.
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