Kanzler Kerns Geduld mit der ÖVP ist "am Ende"

Plan A als Scheidungsgrund? ÖVP wirft Kern "Inszenierung" vor
Warum die Koalition auf der Kippe steht: ein Stimmungsbericht aus dem Kanzleramt

"Es gibt zwei Parteien, die dieses Land verändern wollen: die SPÖ und die FPÖ", sagte Kanzler Christian Kern am Montag auf Puls 4.

Das saß.

Der Kanzler attestiert seinem Koalitionspartner öffentlich, eine Partei der Reformverweigerung zu sein.

Und das nicht zum ersten Mal. Bereits im Herbst hatte Kern auf einer SPÖ-Klubklausur befundet, die ÖVP stehe "jeder innovativen Lösung in diesem Land im Weg".

Inzwischen ist das Verhältnis zwischen Kern und der ÖVP derart ramponiert, dass ein Ende der Koalition und Neuwahlen unausweichlich scheinen.

Kern begründet seine Vorwürfe gegenüber der ÖVP so:

Er, Kern, habe einen 150 Seiten starken Katalog mit Reformvorschlägen für ein aktualisiertes Regierungsprogramm vorgelegt. Die zum Teil sehr konkreten Maßnahmen seien mit Analysen und Kostenaufstellungen unterfüttert. Die ÖVP hingegen habe der SPÖ ein eineinhalb Seiten dünnes Papier mit Überschriften übermittelt. Es sei "kein einziger ausformulierter Gesetzesvorschlag" dabei gewesen.

Die Vorschläge aus der Rede von Finanzminister Hans Jörg Schelling seien dem Kanzler nur über Medien ausgerichtet worden. Lediglich zur kalten Progression habe Kern Schriftliches erhalten – allerdings zwei unterschiedliche Modelle von zwei unterschiedlichen ÖVP-Politikern. Was Kern in Bezug auf die Finanzen jedoch noch mehr verärgert: Schelling wolle den Finanzrahmen, der bisher immer im Frühjahr erstellt wurde, auf den Herbst verschieben und mit dem Budget zusammenlegen. Laut dem Kanzler würde dies bedeuten, dass bis zum Herbst keine Reformen möglich wären, weil jede Maßnahme bis Herbst unter einem Finanzierungsvorbehalt stünde. Kern hingegen wollte im aktuellen Finanzrahmen im März seine Verwaltungskostenbremse unterbringen, die pro Jahr 1,5 Milliarden sparen würde. Das wären in drei Jahren 4,5 Milliarden Einsparungen, mehr, als Schelling mit seinen 3,8 Milliarden vorschlägt.

Nicht zuletzt zeigt sich Kern über den politischen Stil der ÖVP schwer irritiert. Als Beispiel wird eine Szene aus dem Ministerrat am Dienstag berichtet: Während Kern mit Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in den Büroräumen des Kanzleramts über die Aktualisierung des Regierungsprogramms geredet habe, seien vor der Tür die ÖVP-Minister Sophie Karmasin und Wolfgang Sobotka aufmarschiert und warfen Kern vor, sich zu inszenieren, statt zu arbeiten. "Ich lege einen dicken Katalog vor, und die nur ein dünnes Papierl und patzen mich dann auch noch an. Meine Geduld ist am Ende", ärgert sich Kern im kleinen Kreis.

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