"Kann mich nach dem Dienst nicht mehr bewegen": Pflegende erzählen aus ihrem Alltag

Die Ressonanz war enorm: Als die zivilgesellschaftliche Kampagnenorganisation #aufstehn kürzlich eine Umfrage zu psychischer und physischer Arbeitsbelastung von Pflegekräften in Österreich startete, nahmen daran fast 20.000 Personen teil, 13.894 davon gaben an, selbst in Pflegeberufen zu arbeiten.
Unter Letzteren bezeichnen mehr als 98 Prozent ihre körperliche Arbeitsbelastung als hoch oder ziemlich hoch. Offiziell als Schwerarbeit eingestuft ist ihre Tätigkeit allerdings bei 86 Prozent der teilnehmenden Pflegekräfte nicht. Fast alle von ihnen wären aber laut der Umfrage dafür, wegen der hohen Belastung, früher in Pension gehen zu können. Die Einstufung als Schwerarbeit würde automatisch ein Pensionsantrittsalter von 60 Jahren bedeuten.
Bei hoher körperliche Belastung geben die Befragten an, es gehe dabei etwa darum, schwer zu heben oder den ganzen Tag hochkonzentriert und immer auf den Beinen sein zu müssen. In Bezug auf die psychische Belastung geben die Befragten das hohe Verantwortungsgefühl, die zu beobachtenden Schicksalsschläge und den hohen Arbeitsdruck als Faktoren an.
Dem KURIER liegen Auszüge aus den Berichten über den Arbeitsalltag der Pflegekräfte vor:
"Arbeiten bis 65 ist für mich unmöglich. Ich bin über 50 und kann mich jetzt schon oft nach einem Dienst fast nicht mehr bewegen. Dann immer diese Gedanken nichts zuübersehen und den ganzen Tag hochkonzentriert sein!"
"So schön die Arbeit in der Pflege ist, sogeht sie doch an die Substanz, psychischund physisch. Am meisten macht mir zuschaffen, dass wir alle in der Pflegetagtäglich unser Bestes geben, egal, wie die Rahmenbedingungen sind. Und diese Rahmenbedingungen werden von Menschen gemacht, die meist wenig bis keinen Einblick in unseren Beruf haben."
"Als DGKP auf einer Intensivstation ist neben der körperlichen auch die psychische Belastung ein ganz großes Thema. Es werden PatientInnen in Ausnahmesituationen mit starken Ängsten bei unsversorgt. Hinzu kommt noch die Angehörigenarbeitdie Verzweiflung, Wut und Trauer zum Ausdruckbringen. Diesen massiven Druck von allen Seiten sei es Patient_innen, Ärzt_innen, Angehörigen und allen anderen teilnehmenden Personen auszuhalten und damit umzugehen zu lernen stellt für mich eine Berechtigung zur Schwerarbeit dar."
"100% in diesem Job zu arbeiten, ist auf lange Sicht nicht möglich ohne körperliche, oder psychische Probleme zu bekommen. Die Einstufung als Schwerarbeiter_in wäre nur ein großer Punkt, uns die Wertschätzung zu zeigen,die wir verdienen. Wird das in nächster Zeitnicht der Fall sein, werde ich eine von sichernoch vielen Pflegekräften sein, die diesen Beruf an den Nagel hängen, einfach nur um es mir leichter zu machen."
"Bin nach fast 30 Jahren in diesem Beruf knappvor einem Burn Out, obwohl ich meinen Beruf wirklich liebe und gerne arbeite. Außerdem leide ich nun schon seit über einem Jahr an Rückenschmerzen, die weder mit Infusionen, Medikamenten oder Physikalischer Medizinbesser werden. Mittlerweile kann ich mir nichtvorstellen, in diesem Beruf bis zur Pension durchzuhalten, was mich sehr bestürzt, da ich an sich gerne in der Pflege arbeite."
"Wenn man in der Pflege arbeitet, schafft man es nicht bis über 60 Jahre zu arbeiten. Der ständige Personalmangel ist nicht mehr erträglich. Man hat keine Zeit mehr für die Bewohner_innen und die betagten Menschen. Ständig muss man unterbesetzt arbeiten. Was nicht nur einen psychischesondern auch eine extreme körperliche Belastung ist."
Auf #aufstehn läuft aktuell eine Petition, um Pflege als Schwerarbeit einzustufen. Mehr Infos gibt es hier.
In Österreich fehlen bis 2030 zwischen 70.000 und 100.000 Pflegekräfte. Daher müssten die Arbeitsplätze in diesem Bereich attraktiver gestaltet werden, fordern Arbeiterkammer und österreichischer Gewerkschaftsbund. Die Regierung hat vor einem Jahr ein Konzept für die Pflegereform präsentiert. Die Arbeitnehmervertreter kritisieren aber die langesame oder fehlende Umsetzung der geplanten Maßnahmen.
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