Comeback der kalten Progression? Wie sich das auswirken würde
Erst 2023 abgeschafft, belastet sie die Steuerzahler ab 2026 teilweise wieder: die "kalte Progression". Was ist das? Werden die Steuertarifgrenzen in progressiven Steuersystemen wie dem österreichischen nicht jährlich an die Inflation angepasst, zahlt man anteilsmäßig höhere Steuern als im Vorjahr. Einfacher: Netto bleibt in Relation zur Kaufkraft weniger übrig.
Kalte Progression gibt es in progressiven Steuersystemen wie dem österreichischen. Diese haben Tarifstufen: Bis 13.308 Euro Jahreseinkommen zahlen Sie keine Lohnsteuer, bis zur Grenze von 21.627 dann 20 % – und so weiter. Nun steigen die meisten Löhne jährlich im Ausmaß der Inflation. Werden gleichzeitig die Tarifstufen nicht an die Inflation angepasst, zahlt man anteilsmäßig höhere Steuern als im Vorjahr. Netto bleibt in Relation zur Kaufkraft also weniger übrig – und das ist die kalte Progression.
Dieser Effekt wurde in der Vergangenheit alle paar Jahre mit einer "großen" Steuerreform wettgemacht. ÖVP und Grüne verständigten sich dann auf folgendes Modell: Zu zwei Dritteln der Inflation wurde allen Steuerzahlern die Teuerung automatisch abgegolten. Das verbleibende Drittel konnte die Regierung für weitere Maßnahmen einsetzen. Laut Finanzministerium (BMF) ergibt sich für die kommende Anpassung eine Inflationsrate von 2,6 Prozent. Heißt: Alle Steuertarifgrenzen steigen fix um rund 1,73 Prozent – also zwei Drittel.
Und das verbleibende Drittel? Seit dem Frühjahr steht fest: Diese Summe behält sich Türkis-Rot-Pink 2026 zur Budgetsanierung ein. Laut Berechnungen des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria sind das rund 300 Millionen Euro. 2027 wären es dann bereits 800 Millionen und 2028 rund 1,2 Milliarden Euro, die den Steuerzahlern entgehen würden. "Die Belastung steigt exponentiell", sagt Agenda-Austria-Ökonom Dénes Kucsera.
Abschaffung der Abschaffung?
Aber geht die Regierung eventuell noch einen Schritt weiter und lässt die gesamte kalte Progression wieder zu? Österreich wird heuer bekanntlich seinen Budgetpfad, der ein Defizit von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vorgesehen hätte, deutlich verfehlen. Das liegt daran, dass die Länder- und Gemeindeschulden deutlich höher ausfallen als angenommen.
Heißt auch: Für 2026 muss Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) wohl nachjustieren – und das Zulassen der kalten Progression wäre eine Maßnahme, über die sich rasch Einnahmen generieren ließen. Das BMF will derartige Gerüchte auf KURIER-Anfrage nicht kommentieren. Klar ist: Grundsätzlich müsste eine Abschaffung der Abschaffung zeitnah umgesetzt werden, um zu Jahresbeginn in Kraft treten zu können. Anzeichen dafür gibt es derzeit keine.
Wie viel Steuerzahler verlieren könnten
Wie würde sich das dennoch in der Theorie auswirken? Ein paar Beispiele: Wer 2.000 Euro brutto verdient, verliert laut Agenda Austria derzeit über das gesamte Jahr 28 Euro durch die Einbehaltung des offenen Drittels. Rauscht die kalte Progression wieder völlig durch, wären es 82 Euro. Wer 4.000 Euro verdient, verliert durch das Drittel 78 Euro – und würde durch die gesamte kalte Progression einen Kaufkraftverlust von 232 Euro hinnehmen müssen.
Die Regierung würde damit kommendes Jahr jedenfalls weitere 700 Millionen Euro einnehmen. Ökonom Kucsera spricht eine Präventivwarnung aus: "Das reicht nicht, um das Budget zu konsolidieren und wäre eine weitere Belastung für die Steuerzahler, insbesondere für Vollzeitbeschäftigte." Der Thinktank drängt bekanntlich auf ausgabenseitige Sparmaßnahmen. Aber wo wären diese rasch für 2026 überhaupt noch möglich?
Viele Länder verschärfen derzeit die Sozialhilferegelungen für Asylberechtigte. WIFO-Ökonomin Margit Schratzenstaller schlägt beispielsweise eine Abschaffung klimaschädlicher Förderungen vor. Und Marterbauer kann sich eine Erhöhung der Grundsteuer gut vorstellen – was den Gemeinden Mehreinnahmen brächte.
Kucsera meint: "Eine Pensionsreform, mit einer Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung, hätte vor zehn Jahren umgesetzt werden müssen. Jetzt kommen mit den steigenden Pflege- und Gesundheitskosten noch zwei Extra-Belastungen hinzu, die vor allem die Länder treffen." Fazit: "Das wird sehr problematisch in Zukunft."
Kommentare