"More of the same wird für große Koalition nicht reichen"

Josef Pröll gibt Sebastian Kurz eine Vorzugsstimme: „Auch etablierte Parteien bieten Neues“.
Josef Pröll wünscht sich mehr Dynamik bei Entscheidungen, hält aber die große Koalition in der Krise für besser als ein „Chaos“ mit drei Regierungsparteien.

Dem KURIER gibt Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll sein erstes politisches Interview seit seinem Politik-Ausstieg 2011.

KURIER: Herr Pröll, was erwarten Sie sich als Firmenchef von der neuen Regierung?

Josef Pröll: Es geht um Verlässlichkeit und um Kontinuität. Die neue Regierung muss rasch handlungsfähig werden. Sie muss da und dort den Stillstand überwinden und mutig in der anhaltenden Krisensituation die standortpolitisch richtigen Entscheidungen treffen. Gefragt sind Tempo und Mut. Nur eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sichert Arbeitsplätze – und nicht eine Partei.

Ist Österreich abgesandelt?

Unser Standort ist wettbewerbsfähig, hat aber in den letzten Jahren da oder dort an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Ich will hier nicht eine Beurteilung wie bei einer Modeschau vornehmen, aber man muss die Zeichen an der Wand erkennen. Das traue ich der neuen Regierung, einer großen Koalition, durchaus zu.

Sie sind eindeutig wieder für eine große Koalition?

Klar, wenn die ÖVP die Führungsrolle übernehmen kann, soll mir das recht sein.

Jetzt hat der der Raiffeisen-Gruppe nahestehende Unternehmer Hans Peter Haselsteiner gesagt, er will Minister werden, um der großen Koalition neuen Schwung zu verpassen. Was halten Sie davon?

Die große Koalition wird für sich neue, dynamische Entscheidungsformen finden müssen. More of the same (mehr vom Gleichen) wird nicht reichen. Aber dazu braucht es keinen Dritten.

Vielleicht keine dritte Partei, aber den einen oder anderen unabhängigen Minister?

Wie und mit welchen Impulsen die Koalition der Zukunft arbeiten wird, werden die Entscheidungsträger nach Verteilung der Stimmgewichte zu entscheiden haben. Ich halte nichts davon, in einer instabilen wirtschaftlichen Situation mit Dreierkoalitionen zu spekulieren. Ich weiß, wie schwierig es ist, schon eine Zweierkoalition zu koordinieren. Das können Sie mir glauben. Wir brauchen Handlungsfähigkeit und nicht Chaos.

Ist Haselsteiner ein Chaot?

Das habe ich nicht auf ihn bezogen, sondern auf das Tempo von Entscheidungen. Je mehr in Entscheidungen einbezogen sind, umso komplizierter und von Interessen getrieben läuft es.

Wie haben Sie den Wahlkampf empfunden? War er eine Entscheidungshilfe?

Nach diesem Wahlkampf kann sich jeder ein Bild machen – von Newcomern, die schon alt sind; von Jungen, die sich Neos nennen, weil sie neu sein wollen; und von den Parteien in der großen Koalition, die wissen, wie es geht. Die ÖVP hat alle Chancen in der Hand, das Blatt zu wenden.

Mir ist schon klar, dass Sie ÖVP-Obmann waren, dennoch die Frage: Sie sind jetzt Firmenboss und bewegen sich in Wirtschaftskreisen, wo es sehr viel Kritik an der ÖVP gibt. Werden Sie auch nach Ihrem Rollenwechsel ein Stammwähler bleiben? Neue Parteien reizen Sie gar nicht?

Ich bin nicht nur Stammwähler, sondern freue mich auf den Wahltag, um wieder einmal der ÖVP meine Stimme geben zu können. Bei der Vielfalt an neuen Parteien, die sich als dynamisch und mutig verkaufen, ist es schon wichtig zu beachten, was etablierte und erfahrene Parteien bieten können. Mit Sebastian Kurz gibt es einen, der jung und neu ist, und dennoch eine Bilanz vorzuweisen hat, die sich sehen lassen kann. Er hat mit der Integration ein Thema übernommen, von dem ich geglaubt habe, dass es – egal, für wen – schwer meisterbar ist. Und er hatte anfangs mit medialem Sperrfeuer zu kämpfen, weil er so jung war. Beides hat er gemeistert. Deswegen bekommt Sebastian Kurz meine Vorzugsstimme.

Wünschen Sie sich manchmal zurück in die politische Arena? Reizt es Sie, jetzt zum Beispiel?

Definitiv nicht. Ich habe eine Entscheidung für mich getroffen und fühle mich wirklich wohl in meiner wirtschaftlichen Verantwortung bei Leipnik-Lundenburger. Ich beobachte natürlich mit Faszination und Emotion den Wahlkampf, aber ich habe keine Sehnsucht nach aktiver Politik.

Sitzen Sie manchmal auf Nadeln vorm Fernseher bei den Politiker-Duellen und denken sich: Jetzt müsste er das sagen und jetzt das?

Ja, das tue ich. Man weiß ja von außen immer, was der andere im Fernsehen zu sagen hätte. Aber ich bin selbst über Jahre dort gesessen, und es ist mir auch oft nicht das Richtige eingefallen. Ich fühle hier mit.

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