Jetzt wackelt der ÖVP-EU-Kommissar
Der Zusammenbruch der Bundesregierung hat einen weiteren, noch unbeachteten Kollateralschaden zu verzeichnen: Wie sieht Österreichs Part in Brüssel künftig aus? Wen soll die Politik nach Brüssel schicken, wen für die EU-Spitzenposten nominieren?
Bereits kommenden Dienstag, zwei Tage nach der EU-Wahl, findet am Abend ein Sondergipfel in Brüssel statt. Da geht es um die Frage der Besetzung der fünf Spitzenposten in Brüssel: Ratspräsident, Kommissionspräsident, Parlamentspräsident, Außenbeauftragter und Chef der Europäischen Zentralbank. Und demnächst geht es, wenn auch noch nicht beim Dienstag-Gipfel, um Österreichs nächsten EU-Kommissar.
Bisher war für die Österreicher alles klar: Die Bundesregierung, gestützt auf eine Mehrheit im Parlament, einigt sich auf einen Kandidaten für Brüssel. Und der Bundeskanzler holt sich dann grünes Licht für seinen Personal-Vorschlag vom Parlament: „Die Bundesregierung hat über die Vorschläge das Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates herzustellen“, heißt es in der Bundesverfassung (Art.23c).
Nun stellt die ÖVP aber von den 24 Mitgliedern des Hauptausschusses nur acht, FPÖ und SPÖ je sieben, Neos und „Jetzt“ je ein Mitglied.
Und „Einvernehmen“ heißt: Mehr als die Hälfte der Mitglieder müssen zustimmen. „Der Hauptausschuss kann nur Ja oder Nein zu einem Kandidaten sagen, aber den Vorschlag der Bundesregierung nicht abändern“, erklärt Werner Zögernitz vom Institut für Parlamentarismus und Demokratiefragen.
Bis zum Dienstag-Gipfel, so Zögernitz, braucht Kurz „sofern er überhaupt noch Bundeskanzler ist“, noch kein Mehrheit im Hauptausschuss. Aber warten bis nach einer Regierungsbildung im Herbst werde sich zeitlich auch nicht ausgehen, der Kanzler brauche also das Einvernehmen mit dem Parlament. „Ich würde aber an die staatspolitische Verantwortung der Parteien appellieren. Das Image der Politik würde sich sonst nur weiter verschlechtern.“
Wer neuer EU-Kommissar werden soll, darüber gibt es bisher nur Spekulationen, die sich vor allem um ÖVP-Kandidatin Karoline Edtstadler drehen. Für den ÖVP-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Othmar Karas, zu stimmen – das hatte die FPÖ schon vor dem „Ibiza-Video“ ausgeschlossen. Dass Edtstadler von den Freiheitlichen unterstützt wird, „ist derzeit eher ausgeschlossen“, hieß es aus FPÖ-Kreisen zum KURIER. Und die SPÖ? Dort wird nur die Frage gestellt, ob Kurz dann überhaupt noch Kanzler ist.Versagt der Nationalrat dem Bundeskanzler das Vertrauen, könnte Vizekanzler Hartwig Löger für den enthobenen Regierungschef einspringen – sofern der Bundespräsident ihn mit der Fortführung der Geschäfte betraut.
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