IS-Terrordrohung gegen Österreich

Ein Black Hawk des Heeres kreist über der Hofburg, dem Innenministerium und der Schauflergasse in der Wiener City.
Aufruf zu Anschlägen stammt laut Verfassungsschützern aus dem Führungszirkel der Terrormiliz.

Wie sicher ist Österreich nach den Attentaten von Paris? Laut dem KURIER vorliegenden Informationen nicht mehr ganz so sicher wie noch vor wenigen Tagen.

Gingen die Staatsschützer bisher von einer „erhöhten“, aber „abstrakten“ Gefährdung aus, hat sich die drohende Gefahr nun konkretisiert und damit verschärft. Der Grund: Eine Anschlagsaufforderung gegen Österreich, die direkt aus der Terrorzentrale des „Islamischen Staates“ (IS) im syrischen Raqqa kommt.

Bisher galt Österreich nicht als politisches Angriffsziel für die Terrormilizen. Allerdings vermutet der Verfassungsschutz zumindest zwei Österreicher in den IS-Führungszirkeln. Das – so Verfassungsschutzchef Peter Gridling vor wenigen Tagen zum KURIER – könnte bedeuten, dass Österreich aus persönlichen Gründen in die Terror-Überlegungen eingebunden wird – eine Beurteilung, die nach den Anschlägen von Paris ihre Gültigkeit behielt.

"Abschlachten"

Nach IS-Drohungen gegen Großbritannien, Deutschland und die USA steht Österreich nun auch auf der Liste potenzieller Angriffsziele. Der deutsche Verfassungsschutz entdeckte eine Internet-Drohung des österreichischen Dschihadisten Mohammed Mahmoud, 29, der „Glaubensbrüder“ via Twitter zum „Abschlachten von Ungläubigen“ in Österreich aufruft.

Die Behörden nehmen die Drohung ernst, denn der Wiener Mahmoud wird den Führungszirkeln der IS zugerechnet. Er saß in Wien vier Jahre im Gefängnis, weil er versucht hatte, die Bundesregierung im Namen von El Kaida zu erpressen. Nach Verbüßen der Strafe gründete er 2011 in Deutschland eine Salafisten-Organisation und setzte sich nach Ägypten ab. Beim Versuch, illegal nach Syrien zu gelangen, wurde er in der Türkei verhaftet. Die Türkei ließ ihn aber wieder frei. Es wird vermutet, er sei gegen türkische Geiseln der IS ausgetauscht worden.

In der Terroristenhauptstadt Raqqa ehelichte er „IS-Literatin“ Ahlam Al-Nasr und gilt als führender Ideologe. Behnam Said, Islamexperte und Berater des deutschen Verfassungsschutzes, sieht in ihm einen Mitbegründer des IS. Auch der deutsche Dschihadismus-Experte Guido Steinberg warnt, den Österreicher aufgrund seiner ungelenken Auftritte im Internet zu unterschätzen – Mahmoud sei eine wichtige Figur.

Potenzielle Täter

Im Innenministerium hält man sich bezüglich der neuen Entwicklung bedeckt. 67 potenzielle Täter werden derzeit überwacht. Das sind jene, die nach ihrer Ausbildung im Kriegsgebiet wieder zurückgekehrt sind und möglicherweise auf Aufträge warten. Diese reichen von der Geldbeschaffung über die Rekrutierung von Mitgliedern, dem Kauf von Ausrüstung bis hin zu Attentaten.

Der Verdacht gegen diese Personen stützt sich auf Geheimdienstinformationen. Diese sind nicht gerichtsverwertbar, daher kann den Verdächtigen nicht der Prozess gemacht werden. Zwei weitere Verdachtsfälle sind sie 16- und 17-jährigen Mädchen aus Salzburg und Oberösterreich, die auf dem Weg in den Dschihad waren. In Rumänien wurden die Jugendlichen aufgegriffen und nach Österreich zurückgeschoben. Die Haftrichterin sieht in dieser Reise keine „ausführungsnahe Handlung“. Die Konsequenz: keine U-Haft.

Wien kommt als Millionenstadt bei Terror-Gefahr eine besondere Bedeutung zu. Denn nationale und internationale Angriffsziele gibt es zuhauf, und Anschläge würden viele Opfer fordern. Um diesem Szenario entgegenzuwirken, wurde Wiens Exekutive in erhöhte Bereitschaft versetzt. Täglich stehen 1500 Uniformierte im Dienst, um ein knappes Drittel mehr als üblich. „Die Kollegen sind nicht alle rund um die Uhr auf der Straße, aber sollte es zu einem Zwischenfall mit terroristischen Hintergründen kommen, sind die dafür ausgebildeten Einheiten in drei Minuten am Einsatzort“, erklärt Polizei-Sprecher Roman Hahslinger.

Vor Ort sind die Patrouillen der Wachzimmer-Beamten. U-Bahnstationen, Bahnhöfe, religiöse Einrichtungen, Botschaften und Schulen sowie sämtliche Medien-Gebäude werden intensiv von Polizeistreifen überwacht.

„Wir haben die Anschläge von Paris ständig im Hinterkopf. Die jetzigen Streifen sind alles andere als Routinearbeit. Man denkt darüber nach, wie schnell es gehen kann“, spricht Abteilungsinspektorin Tina Z. über ihre Gedanken beim Kontrollgang über den Stephansplatz. Kollegin Patricia A. nickt still mit dem Kopf. Ihre Augen scannen den mit Touristen überfüllten Platz.

Eventuelles Terrorziel

Das Grätzel rund um den Stephansdom ist als hochsensibel eingestuft. Die Einrichtungen der Erzdiözese Wien gelten als eventuelles Anschlagsziel. „Wir sind sogar in der Nähe, wenn der Pfarrer zur Messe in den Steffl geht“, so die Polizistinnen. Die Beamtinnen richten ihr Augenmerk auf Auffälligkeiten wie Personen, die nicht ins übliche Bild passen, abgestellte Taschen oder größere Menschenansammlungen. Bei Auffälligkeiten nehmen die Streifen Kontakt mit der Landesleitzentrale auf. Dort wird in Sekunden entschieden, ob und welche Art Verstärkung anrücken muss.

Braucht die Polizei tatsächlich neue Hubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge für die Terrorbekämpfung, wie Innenministerin Johanna Mikl-Leitner behauptet – zumal im Staatshaushalt das Geld an allen Ecken und Enden fehlt? Das war am Dienstag auch Thema bei der wöchentlichen Regierungssitzung.

Bekanntlich rüstet das Heer demnächst Hubschrauber auf – und neue werden geordert. Die Black Hawks (Bild) etwa könnten „jederzeit für den sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz zur Verfügung gestellt werden. Wir haben auch 400 gepanzerte Fahrzeuge. Wir sollten Synergien nutzen“, sagt Verteidigungsminister Gerald Klug. Generalstabschef Othmar Commenda warnt davor, dass die Polizei im Zuge der Sicherheitsoffensive zu einer „paramilitärischen Organisation“ ausgebaut werde.

„Synergien prüfen“

Mikl-Leitner will „prüfen, wo wir Synergien nutzen können“. Auch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagt, man solle auf vorhandene Ressourcen zurückzugreifen. Hubschrauber müssten aber auch in der Nacht fliegen können.

Im Verteidigungsministerium heißt es, „alle Hubschrauber“ seien „nachtflugtauglich“. Der Black Hawk könne auch bei „extremen Wetterbedingungen“ fliegen, da er über „ein Wetterradar und eine Rotorblatt-Enteisung“ verfüge.

Und wie lange dauert es, bis die Hubschrauber eingesetzt werden können? „Anforderungen“ seien „an das Streitkräfteführungskommando in Salzburg“ zu richten. „Dort wird innerhalb weniger Minuten einer Assistenzleistung nachgekommen“, erklärt Oberst Michael Bauer vom Verteidigungsressort.

Bis Ende der Woche soll die Innenministerin nun ein Konzept vorlegen. Mikl-Leitner stellte aber schon gestern klar, dass sie „auch unter Ausnutzung der Synergien“ einen dreistelligen Millionenbetrag benötigen werde.

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