Irmgard Griss: "Manche Zwischenrufe sind einfach dumm"

Irmgard Griss: "Manche Zwischenrufe sind einfach dumm"
Die Neos-Abgeordnete sieht in der parlamentarischen Kultur vieles im Argen. Es brauche echte Reformen.

Irmgard wollte ursprünglich in die Hofburg, jetzt ist sie im Parlament. Dort zieht sie zur Sommerpause eine kritische Bilanz. Eine kluge und faire Debatte habe sie im Nationalrat oft vermisst. Die Message Control, die Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) der türkis-blauen Regierung verordnet hat, wirke auch tief in die Fraktionen, glaubt die Neos-Abgeordnete.

„Man hat das Gefühl, es wird ihnen vorgegeben, was sie sagen müssen“, sagt Griss über die Nationalratskollegen von ÖVP und FPÖ. „Ich habe schon erlebt, dass bei einer Debatte mehrere Vertreter einer Regierungspartei dieselben Sprachbilder verwendeten. Das wird kein Zufall sein.“

Kleiner Seitenhieb auf die von Kurz umgefärbte ÖVP: „Sie haben ja auch alle die gleichen türkisen Karten. Wer weiß, ob nicht schon vorher etwas oben steht und die Karten nicht leer verteilt werden.“

Griss ärgerte sich auch über das Vorgehen von Türkis-Blau beim 12-Stunden-Tag. „Ein Gesetz mit Auswirkungen für praktisch jeden Arbeitnehmer einfach durchzudrücken, ohne Begutachtung und ohne Behandlung im richtigen Ausschuss, zeigt den neuen Stil dieser Regierung.“ Diese versuche gar nicht, andere Parteien mit ins Boot zu holen. Griss: „Eine solche kurzsichtige Politik wird die Gesellschaft weiter spalten, und der soziale Friede wird leiden. Ein wichtiges Anliegen wurde so von Beginn an beschädigt.“ Die Neos hätten zwar für die neuen Höchstgrenzen der Arbeitszeit gestimmt, sich aber „entsprechend schwer getan“.

 

Die Probleme im Parlament gingen ohnehin tiefer. Enttäuscht zeigt sich Griss sowohl über untergriffige Zwischenrufe im Plenum wie auch über das Abblocken aller Oppositionsanträge in den Ausschüssen. Was so alles bei Reden dazwischengerufen wird, sei sehr unangenehm und störend, also manche Zwischenrufe sind einfach dumm“, sagt Griss.

Im Juni hielt Griss etwa eine Rede, in der sie forderte, Ausschüsse künftig öffentlich tagen zu lassen. Dies würde dafür sorgen, dass die gängige Praxis der Regierungsparteien, Anträge von Neos, SPÖ und Liste Pilz bis zum Nimmerwiedersehen zu vertagen, sehr erschwert werde, argumentierte Griss damals. Zwischenruf eines ÖVP-Mandatars: „Ja, seid froh, den Blödsinn, den ihr oft redet!“ Für Griss ein Beispiel für einen untergriffigen Zwischenruf, der einfach daneben sei.

 

Hoffnungen in ein verbessertes Parlament setzt Griss in Hinblick auf die sogenannten Greco-Berichte. Greco ist ein Zusammenschluss von Staaten gegen Korruption, dem auch Österreich angehört. Für entscheidend hält die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs einen Verhaltenskodex für die Parlamentarier. Damit verbunden seien auch strengere Pflichten zur Offenlegung von Einkommen und Nebeneinkünften.

Zur Kontrolle kann Griss sich als zuständige Stelle den Rechnungshof vorstellen – mit erweiterten Befugnissen. Auch über Sanktionen wie den vorübergehenden Entzug des Rederechts, Sperren von Sitzungen oder auch Geldbußen solle man nachdenken. Sanktionen seien im Parlament „natürlich zweischneidig. Wenn eine Partei die absolute Mehrheit hat, können Sanktionen auch eingesetzt werden, um die Opposition einzuschüchtern.“ Geregelt könnte die neue Transparenz über die Geschäftsordnung werden, erklärt Griss.

Höhere Ansprüche an Parlamentarier

Um die Demokratie in Österreich zu beleben müsste man laut Griss aber noch viel weiter gehen. Ein Vorbild sei die Bürgerversammlung in Irland. Dort machen 99 Bürger, ausgewählt im Losverfahren, mithilfe von Experten ihrem Parlament Vorschläge. Erfolgsbeispiel: Das irische Ja zur Abtreibung ging von der Bürgerversammlung in Dublin aus.

Dem Argument mancher Abgeordneter, dass es angeblich nicht so schlimm sei, wenn manchmal in grober Sprache oder ausländer- und frauenfeindlich dazwischengerufen werde, weil der Nationalrat ja einen Querschnitt der Bevölkerung zeige, kann Griss jedenfalls nichts abgewinnen. „Ich finde das ganz und gar nicht“, sagt sie. „Abgeordnete sind Repräsentanten der Bürgerinnen und Bürger und müssen in ihrem Verhalten höheren Anforderungen genügen, und zwar innerhalb und außerhalb des Parlaments.“

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