Hattmannsdorfer: "Kickl hat uns mit Absurditäten provoziert"

Der 45-jährige Wolfgang Hattmannsdorfer verhandelte für die ÖVP die Wirtschaftsthemen, nach Wien gezogen ist er 2024, um seinen Job als WKO-Generalsekretär anzutreten – nun ist er Minister.
KURIER: Auf einer Skala von 0 bis 10. Wie ehrgeizig sind Sie?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Ich bin selbstverständlich sehr engagiert, weil man seine Sachen immer ordentlich machen soll.
Der Linzer (Jg. 1979) studiert Wirtschaft an der Johannes Kepler Universität, absolviert Auslandssemester u.a. in Taipei u. Jakarta, wird Mitglied im Cartellverband
OÖ-Landtag: Ab 2003 arbeitet er im Landtagsklub der ÖVP, wird später stv. Landesgeschäftsführer. 2021 wird er Landesrat für Soziales, Integration und Jugend in der Landesregierung von Thomas Stelzer.
WKO: 2024 wird bekannt, dass Hattmannsdorfer 2025 Karlheinz Kopf als Generalsekretär der WKO folgt. Seit 3. März ist er Wirtschaftsminister
Privat: Hattmannsdorfer ist verheiratet und Vater von zwei Kindern
Ehrgeizig?
Ehrgeizig im Sinne von positiv, mit voller Leidenschaft und Herzblut engagiert.
Wann haben Sie gewusst, dass Sie nicht WKO-Generalsekretär bleiben, sondern Wirtschaftsminister werden?
Am Mittwoch vorletzter Woche.

Angelobung: Wolfgang Hattmannsdorfer, Christoph Wiederkehr, Markus Marterbauer
Bedurfte es einer Bedenkzeit?
Es ist bekannt, dass ich diese Funktion nicht angestrebt habe, aber man muss bereit sein, Verantwortung in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu übernehmen – zumal ich das zentrale Schlüsselkapitel des Regierungsprogramms, die Wirtschaft, verhandelt habe.
Warum ist die Wirtschaft das Schlüsselkapitel?
Weil die Grundlage auch für sozialen Wohlstand eine funktionierende Wirtschaft ist. Ohne ein Comeback von Leistung und Wettbewerb werden wir den Wohlstand in diesem Land, die Jobs und die sicheren Einkommen nicht erhalten können. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in unserem Mindset, müssen uns wieder auf unsere Stärken besinnen. Fleiß, Wettbewerbs- und Leistungsbereitschaft sind Tugenden, die wir wieder brauchen.
Wie zufriedenstellend ist es dann für Sie, dass eine Lohnnebenkostensenkung nur unter Budgetvorbehalt möglich sein wird?
Unsere oberste Aufgabe jetzt ist die Budgetkonsolidierung. Wir spielen mit offenen Karten: 2025 und 2026 müssen wir den Gürtel enger schnallen. Im Regierungsprogramm steht ganz klar, dass wir zur Mitte der Legislaturperiode mit der Senkung der Lohnnebenkosten starten. Der klare Pfad: 3,7 Prozent und damit ein Absenken auf deutsches Niveau.

Wolfgang Hattmannsdorfer im KURIER-Gespräch mit Johanna Hager und Michael Hammerl
Wie sind die Rückmeldungen von Unternehmen bezüglich des Regierungsprogramms? Es werden auch grantige Stimmen dabei sein…
…es gibt eine große Zufriedenheit und Hoffnung, dass es endlich eine stabile Bundesregierung gibt, die eine klare pro-europäische und internationale Ausrichtung hat. Und, die ein 211 Seiten starkes Programm hat, in dem nicht nur Botschaften für die Galerie sind. Mein erster Ministerratsantrag ist eine der größten Steuervereinfachungen für die Wirtschaft. Wir erhöhen die Pauschalierung heuer auf 320.000 Euro, 2026 auf 420.000 Euro. Dazu kommt der Wegfall der Belegsausdruckspflicht bis 35 Euro. Der NoVA-Wegfall für Pritschenwägen wird den Handwerksberufen ab 1. Juli helfen. Im Ministerium werde ich eine Sonderkommission für den Bürokratieabbau einrichten.
Was soll die Sonderkommission können?
Überprüfen, wie wir schneller werden können bei Unternehmensgründungen, Betriebsanlagengenehmigungen bis zu Umweltverträglichkeitsprüfungen und anderen Verfahren. Das kostet nichts, nur den Willen zur Umsetzung.
Der Staatssekretär für Deregulierung, Sepp Schellhorn von den Neos, sitzt im Außenministerium. Warum?
Deregulierung und Entbürokratisierung sind Ziele der gesamten Bundesregierung in allen Bereichen. Ich werde ganz eng mit Sepp Schellhorn zusammenarbeiten.
Banken und Energiekonzerne müssen höhere Steuern abführen. Sie sind als ÖVP damit wortbrüchig geworden.
Überhaupt nicht! Es gibt eine ganz klare ausgabenseitige Sanierung. Es ist gelungen Steuern für breite Schichten der Bevölkerung zu verhindern. Wir haben Vermögens- und Erbschaftssteuern verhindert. Und der entscheidende Punkt: Beim Energiekrisenbeitrag Strom ist es uns in den Verhandlungen gelungen sicherzustellen, dass der Beitrag nicht auf die Strompreise der Endkonsumenten geschlagen wird.

BABLER/STOCKER/MEINL-REISINGER
Die Dreierkoalition greift direkt in den Markt ein – wie beispielsweise beim Wohnen. Das muss Sie als ÖVP- und Wirtschaftskammer-Mann doch stören?
Ich bekenne mich dazu, dass wir angesichts Teuerung – Stichwort leistbares Leben – Schwerpunkte setzen und dazu gehört auch leistbares Wohnen.
IV-Präsident Georg Knill hat in einem KURIER-Interview nach dem Aus der Verhandlungen mit der FPÖ gesagt, „diese Ressortaufteilung wird die ÖVP nicht mehr so rasch haben“. Stimmen Sie zu?
Entscheidend ist, dass wir aktive Wirtschafts- und Industriepolitik machen. Deswegen war mein erster Termin als Bundesminister der Besuch der Voestalpine. Nicht nur, weil ich selber ein Stahlstadtkind bin und als Student geschichtelt habe in der Voest, sondern weil wir als oberste Aufgabe haben müssen, die schleichende Deindustrialisierung zu stoppen.

Finanzminister Markus MARTERBAUER / Infrastrukturminister Peter HANKE
War es ein Fehler der ÖVP, das Finanzministerium der SPÖ zu überlassen? Ist das Innenministerium wichtiger?
Eine Koalition ist immer ein Kompromiss. Wenn man möchte, dass sich eine Partei zu 100 Prozent durchsetzt, muss man ihr bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit geben.
Wie weit liegen Sie und SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer ideologisch auseinander?
Es ist kein Geheimnis, dass Markus Marterbauer eher ein linker Ökonom ist und ich ein Mitte-Rechts-Pragmatiker bin. Entscheidend ist in Koalitionen das Miteinander. Die Leute haben dieses ständige Hick-Hack und Streiten satt.

Christian Stocker, Herbert Kickl
Kurzer Rückblick: Sie kennen den direkten Vergleich zwischen Dreierverhandlungen und jenen mit der FPÖ. Scheiterte es beim ersten Mal an Andreas Babler und dann an Herbert Kickl?
Es ist nicht an der FPÖ gescheitert, sondern ausschließlich an Herbert Kickl, weil er uns mit Absurditäten ständig provoziert hat. Abschaffen der Europafahne, Englischverbot bei wissenschaftlichen Arbeiten: Auf so einer Grundlage ist kein Regierungsprogramm zu machen. Uns ist dann im zweiten Anlauf mit SPÖ und Neos gelungen, diese massiv übertriebenen Forderungen nach Besteuerungen der breiten Mitte weg zu verhandeln.
Am Innenministerium, das beide Parteien wollten, ist Blau-Türkis also nicht gescheitert?
Nein. Weite Teile der FPÖ bereuen auch, dass sie jetzt nicht die Chance haben, Österreich zu gestalten. Es ist gescheitert an Herbert Kickls Unwillen, an Absurditäten und weil er nicht bereit war, sich klar international auszurichten. Und da sechs von zehn Euro in Österreich im Export verdient werden, muss eine Bundesregierung bedingungslos pro-europäisch und international ausgerichtet sein – gerade in Zeiten wie diesen.
Hätten Sie als Mitte-Rechtspragmatiker lieber mit einem pragmatischeren Rechten als Herbert Kickl, als mit SPÖ und Neos koaliert?
Pragmatik bedeutet, dass man Pragmatismus über die eigene Ideologie stellt.
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