Milliardären in der Politik "fehlt soziale Kompetenz"

Erwin Pröll wird in Niederösterreich schwer zu ersetzen sein.
Erwin Pröll im Interview: Demokratie sei mehr als Geld, sagt der ÖVP-Landeshauptmann.

KURIER: Herr Landeshauptmann, wir haben erstmals sechs gewählte Parteien im Parlament. Wie finden Sie denn diese Aufsplitterung der politischen Landschaft?

Erwin Pröll: Die Demokratie lebt von der Konkurrenz innerhalb des Parteienspektrums. Gefährlich wird es, wenn Parteien zu Schädlingen der Demokratie mutieren. Was Herr Stronach geliefert hat, ist ein schwerer Schaden für die Demokratie. Das muss man einmal zustande bringen, mit 25 Millionen Euro Aufwand politischen Selbstmord zu begehen in der Form, wie er es getan hat. Jemand, der ein durch und durch demokratisches Herz hat, fragt sich: Warum muss die Demokratie das erleben?

Halten Sie die Neos für eine Bereicherung der Politik?

Ich würde generell sagen, dass ein breiteres Parteienspektrum zur Verlebendigung des demokratischen Prozesses beiträgt. Nur warne ich auch bei allen neuen Parteien davor, frühzeitig in Euphorie auszubrechen. Die Mühen der Ebenen kommen erst. Das ist dann die Nagelprobe, anhand der man das Urteil treffen kann, ob sie wirklich eine Bereicherung sind. Ich bin generell skeptisch, wenn sich Parteien im Wahlkampf profilieren, mit Milliardären im Hintergrund, die versuchen, mit Geld die Demokratie zu gestalten. Demokratie ist viel mehr als Geld, Demokratie hat etwas mit sozialer Kompetenz zu tun. Sehr oft merkt man, dass Menschen mit sehr viel Geld ein Defizit an sozialer Kompetenz haben.

Meinen Sie Neos-Finanzier Hans Peter Haselsteiner?

Ich möchte das bewusst nicht benennen, die Leserinnen und Leser des KURIER wissen ohnehin, was sich tut. Vielleicht habe ich auch einen besonderen Zugang zu Politik. Für mich heißt Politik, einen engen Umgang mit jenen zu pflegen, für die man da ist. Viele, die viel Geld haben, schätzen diesen Zugang zu den Menschen und vor allem zu den Sorgen der Menschen nicht besonders hoch.

Die Neos sind eine Konkurrenz für die ÖVP. Wie soll Ihre Partei darauf reagieren?

In der Mitte bis rechts tummeln sich tatsächlich sehr viele Parteien. Angesichts dieser Konkurrenz ist es ein Wunder, dass sich die ÖVP bei der Nationalratswahl doch behauptet hat. Das erfüllt mich mit Optimismus. Die ÖVP muss sich öffnen, da liegt unglaublich viel drinnen. Die SPÖ reduziert sich auf ihre Kernwähler, aber die Kernwählerschaft ist generell im Schrumpfen. Wenn die ÖVP es richtig versteht, sich zu öffnen – wobei das nicht bedeutet, Grundsätze über Bord zu werfen, sondern Öffnen im Umgang mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, etwa mit den Künstlern – dann sehe ich absolut eine Perspektive.

Wird man bei der EU-Wahl schon eine offenere ÖVP präsentiert bekommen?

Ich würde es mir wünschen. Die Europawahl wird eine große Herausforderung, es wird dem Populismus Tür und Tor geöffnet sein. Sich als Anti-Europapartei zu profilieren, wird sehr einfach sein angesichts der Grundstimmung gegenüber Europa.

Wie soll man gegen den Populismus ankämpfen?

Indem man die Dinge beim Namen nennt. Indem man sagt, von welch unschätzbarem Wert Europa ist. Sehen Sie sich meine Biografie an. Ich bin 1946 geboren und gehöre der ersten Generation an, der es erlaubt ist, mehr als 60 Jahre in Frieden zu leben. Ich weiß, der Friede ist für viele selbstverständlich, aber gerade letzte Woche bei meinem Besuch in Moskau wurde mir wieder bewusst, an welch seidenem Faden Österreichs Freiheit hing. Diese lange Friedensepoche ist in erster Linie dem Europagedanken und der neuen europäischen Konstruktion zu verdanken. Man muss den Wert Europas in den Vordergrund rücken und nicht so sehr, ob die eine oder andere Verordnung aus Brüssel jemanden ärgert. Wobei ich im Rahmen meiner Möglichkeiten sehr intensiv daran arbeiten werde, den Brüsseler Bürokratismus abzubauen.

Sie wollen die laufenden Koalitionsgespräche nicht kommentieren. Aber verraten Sie uns eines: Wird bei der Bildung ein Wurf gelingen?

Es muss sich bei der Bildung was bewegen. Andernfalls bewegt sich bei der Wahl in fünf Jahren etwas, das den beiden großen Parteien sicher nicht guttut.

Erwin Pröll: Landesfürst seit 20 Jahren

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