"Es ist jedenfalls ein Warnsignal", analysiert der Politikwissenschafter Fritz Plasser. Aber worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen den Demokratieformen? "Eine Wahldemokratie ist ein System, das den minimalen Standards der Demokratie entspricht - freie und faire Wahlen, deren Ergebnisse nicht in Frage gestellt werden und zur Bildung einer Regierung legitimieren", erklärt der Politologe Anton Pelinka. "Eine liberale Demokratie ist mehr: Dazu zählt eine garantiert unabhängige Kontrolle durch die Justiz, maximale Möglichkeiten für die Kontrolle der Regierung durch die Opposition, und eine pluralistische Breite der und innerhalb der Medien", so Pelinka.
"Unkontrollierter Wildwuchs in der Parteienfinanzierung"
Eine exakte Grenzziehung zwischen diesen beiden Demokratieformen sei aber nicht möglich, räumt Pelinka ein. Auch Plasser hat mit der Begriffsdefinition Schwierigkeiten. "Die Verschlechterung Österreichs ist aber angesichts der innenpolitischen Berichterstattung der vergangenen 1,5 Jahre mit Kanzlerrücktritten und U-Ausschüssen nicht überraschend", urteilt Plasser.
Pelinka hält die Herabstufung für gerechtfertigt, das liege an dem "politischen Charakterbild, das seit Ibiza deutlich wurde: ein kaum kontrollierter Wildwuchs in der Parteienfinanzierung und damit eine unfaire Verzerrung des demokratischen Wettbewerbs, der begründete Eindruck der Käuflichkeit von Privilegien - Beispiel: Siegfried Wolf - und politischer Einfluss auf die Justiz - Beispiel: der Verdacht gegen Sektionschef Pilnacek und den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien", erklärt Pelinka dem KURIER.
Das Forschungsteam, das den Bericht erstellt hat, begründet Österreichs Herabstufung mit einem deutlichen Rückgang bei dem "Indikator für transparente Gesetze und vorhersehbare Durchsetzung".
Als problematisch sieht Plasser, dass Transparenzgesetze wie das Informationsfreiheitsgesetz auf sich warten lassen. "Das schlägt sich auch im indikatorengestützten Monitoring des Demokratieberichts nieder." In der Bevölkerung und der Öffentlichkeit gebe es zudem einen generalisierten Eindruck der Korruption und Intransparenz der Eliten, Politik und Institutionen.
"Demokratiereformpaket"
"Es ist höchst an der Zeit ein Demokratiereformpaket zu schnüren", sagt Fritz Plasser. Darin sollen stärkere Unvereinbarkeitsbestimmungen, schärfere Prüfungen der Parteienfinanzierung, mehr Transparenz sowie die Aufhebung des Amtsgeheimnisses verankert sein.
Das niedrigere demokratiepolitische Niveau, auf das Österreich nun gefallen ist, sei nicht in Stein gemeißelt. "Das Paradoxe ist, dass der Beginn der öffentlichen Debatte über diese Zustände eigentlich wieder eine bessere Einstufung Österreichs ermöglichen könnte", urteilt der Politologe Anton Pelinka abschließend.
Auch global hat sich die Lage übrigens verschlechtert: 2012 gab es mit 42 die meisten liberalen Demokratien. 2021 sind es nur mehr 34 das ist der niedrigste Wert seit 1995. Die meisten Menschen auf der Welt, nämlich 3,4 Milliarden, leben in Wahlautokratien.
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