Innenministerium für Rekruten-Armee

Innenministerium für Rekruten-Armee
Laut einem Strategiepapier ist eine Berufsarmee für die innere Sicherheit ungeeignet.

Bei Terroranschlägen, Cyberattacken, Katastrophen und Grenzschutz braucht die Polizei Unterstützung von Soldaten. Deshalb beschäftigte sich eine Expertengruppe des Innenministeriums mit den Folgen einer möglichen Abschaffung der Wehrpflicht. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:

Öffentliche Sicherheit

Ein mehrere Tage dauernder Stromausfall würde Chaos auslösen. Das Innenministerium müsste Soldaten anfordern, etwa um Plünderungen zu verhindern. Derartiges leitet sich aus einer Studie der Stadt Berlin ab. Auch bei breitflächigen Ausschreitungen müssten Soldaten exponierte Gebäude schützen. Das direkte Einschreiten bleibt weiter eine Aufgabe der Polizei. Berufssoldaten, so General Konrad Kogler von der Generaldirektion für öffentliche Sicherheit, wären da nur die zweitbeste Lösung. Denn die Soldaten bräuchten nur militärische Grundfähigkeiten, dafür aber „soziale, kommunikative und interkulturelle Kompetenzen“.

Grenzüberwachung

Noch klarer liegt für Kogler der Fall bei der Grenzüberwachung. Es kann jederzeit passieren, dass der Schengenvertrag ausgesetzt wird. Für die Grenzüberwachung müssten wieder Soldaten eingesetzt werden – ähnlich wie jene 200.000 Rekruten, die 20 Jahre an der Ostgrenze standen. Kogler: „Mit einem Berufsheer wäre eine Grenzüberwachung, wenn überhaupt machbar, sehr teuer.“

Katastrophenschutz

Der ist eine vordringliche Aufgabe der Feuerwehren. Doch für die längere Durchhaltefähigkeit und den hohen Personalbedarf braucht man das Heer. Dass die vom Verteidigungsminister präferierte kleine Berufsarmee dieses leisten kann, bezweifeln Experten.

Kritische Infrastruktur

Terroristische Angriffe könnten das öffentliche Leben lahmlegen, indem sie Energieversorgung oder Kommunikation zerstören. Kurt Hager vom Büro für Sicherheitspolitik sieht auch hier einen sehr hohen Personalbedarf: „Das Bundesheer muss sich auf Schutzaufgaben für 400 identifizierte sensible Unternehmen einstellen.“ Verfassungsschutzchef Peter Gridling sieht auch hier einen zusätzlichen Vorteil der Wehrpflicht: „Über die Wehrpflicht könnte ein Netz von zivilen Sicherheitsexperten in den gefährdeten Unternehmen gefördert werden.“

Cyber-Sicherheit

Zum Kampf gegen Cyber-Terroristen braucht der Staat die breite Unterstützung von IT-Experten aus der Wirtschaft. Eine Berufsarmee würde wohl kaum geeignetes Personal rekrutieren können. Hier sieht Gruppenleiter Wilhelm Sandrisser eine besondere Chance in der Wehrpflicht: „Junge Menschen könnten IT-Fähigkeiten beim Bundesheer einbringen und weiter entwickeln. Man könnte mit ihnen eine Cyber-Miliz aufbauen, die Cyber-Assistenzleistungen üben kann.“

Übrigens: Der jüngste IT-Staatsmeister, der vor wenigen Tagen in Salzburg gekürt wurde, heißt Felix Hartung. Er ist Rekrut beim Heeres-Führungsunterstützungszentrum.

Auslandseinsätze

Die bisherigen friedensichernden Auslandseinsätze des Bundesheers waren auch im Interesse des Innenministeriums. Denn sie hätten etwa am Balkan oder in Nordafrika dazu beigetragen, dass die Flüchtlingsströme geringer blieben. 60 Prozent der Soldaten kommen aus der Miliz. Kurt Hager vom Büro für Sicherheitspolitik: „Wenn wir nicht auf Kampfeinsätze umsteigen wollen, wäre das bisherige Mischsystem besser.“

Landesverteidigung

Auch der Behauptung, dass Österreich mangels Feind keine Kapazitäten für eine militärische Landesverteidigung mehr brauchen würde, kann man im Innenministerium nichts abgewinnen. Konventionelle Angriffe seien zwar unwahrscheinlich geworden. Doch die Lage könne sich wieder ändern. So habe niemand den Fall des Eisernen Vorhanges, den Krieg im früheren Jugoslawien und zuletzt den Arabischen Frühling vorhersehen können. Der Neuaufbau eines Heeres würde mindestens zehn Jahre dauern.

Auf die Frage, wie das Innenministerium auf eine eventuelle Abschaffung der Wehrpflicht reagieren würde, beantworten die Sicherheitsexperten ausweichend.

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