ÖVP-Minister Gerhard Karner: "Das kritisiere ich aufs Heftigste"

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Der ÖVP-Innenminister wirft einer UNO-Unterorganisation "Elfenbeinturm"-Denken vor und erkennt eine Allianz von Herbert Kickl sowie Asyl-NGOs.

Ausweitung der Videoüberwachung und gestoppte Abschiebungen nach Syrien: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sorgte zuletzt gleich für zwei Aufreger.

KURIER: Herr Innenminister, Sie waren diese Woche thematisch sehr präsent. War Kalenderwoche 33, in Absprache mit SPÖ und Neos, eine Gerhard-Karner-Woche?

Karner: Es liegt in der Natur der Sache, dass das Innenministerium eine sehr hohe Präsenz hat. Wenn eine Abschiebung durchgesetzt werden muss, kann man sich das nicht im Kalender aussuchen.

Ihr Staatssekretär Jörg Leichtfried steht nicht so sehr im Rampenlicht. Gibt es eigentlich einen Grund, warum er nicht im Innenministerium untergebracht ist?

Jörg Leichtfried ist selbstverständlich im Innenministerium untergebracht, aber nicht im Gebäude – so wie 95 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich halte es für durchaus sinnvoll, dass er als Verantwortlicher für die DSN (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst, Anm.) an einer anderen Örtlichkeit untergebracht ist – wie auch die DSN selbst.

Sie wollen die Videoüberwachung von 20 öffentlichen Plätzen auf eine dreistellige Zahl ausdehnen. Gleichzeitig muss Österreich sparen. Was kostet diese Maßnahme?

Zur Klarstellung: Im Sicherheitspolizeigesetz ist die Videoüberwachung vorgesehen, in der dazugehörigen Handlungsanleitung für die Polizei war sie bisher aber sehr eng geregelt. Viele Städte und Gemeinden haben darüber Unverständnis gezeigt. Es gibt nämlich sehr oft den Wunsch der Bevölkerung nach mehr Überwachung, gerade an bestimmten Plätzen. Aus diesem Grund haben wir das geändert und nicht, weil sich der Karner das einbildet. Die dreistellige Zahl ist eine Prognose der Polizei, es können weniger, aber auch mehr sein.

Aber was kostet zum Beispiel die Videoüberwachung des Reumannplatz pro Jahr?

Ich gehe davon aus, dass wir durch mehr Videoüberwachung auch Kosten sparen und die Polizei entlasten. Zu moderner Polizeiarbeit gehört auch modernstes technisches Gerät.

Also kann man dank Videoüberwachung auch Präsenz vor Ort reduzieren?

Videoüberwachung unterstützt die oft schwierige Präventionsarbeit und die Aufklärung von Delikten. Die sichtbare Präsenz vor Ort werden wir nicht reduzieren, weil sie notwendig ist für das subjektive Sicherheitsgefühl.

Sie haben den Erlass bereits erwähnt: Die Neos, namentlich Vizeklubchef Nikolaus Scherak, kritisieren, dass eine Ausweitung der Videoüberwachung auch ohne Erlass möglich gewesen wäre.

Dazu eine wichtige Ergänzung: Es waren nicht die Neos, sondern ein einzelner Abgeordneter.

Dann so: Teilen Sie die Ansicht des Abgeordneten Scherak?

Nein, sonst wäre der Erlass nicht rausgegangen.

Die Überwachungsmethoden vieler anderer Staaten sind deutlich ausgereifter als jene von Österreich. Glauben Sie eigentlich, dass Ihre Messenger-Nachrichten mitgelesen werden?

Es geht hier nicht um meine persönlichen Befindlichkeiten, sondern darum, was wir für die Sicherheit der Bevölkerung tun können. Faktum ist, dass es neue technische Möglichkeiten gibt. Sei es bei der Gefährderüberwachung oder im Bereich der Videoüberwachung, die auch in vielen europäischen Städten wie zum Beispiel London stark ausgebaut ist.

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Ab 2027 sollen die Behörden Unterhaltungen von Gefährdern auf Messengerdiensten mitlesen dürfen. Haben Sie schon eine geeignete Software gefunden?

Das ist die Aufgabe der Spezialisten im Innenressort, die die notwendige Expertise in diesem Bereich haben. Ich werde mich in keiner Weise in die Entscheidung in dieser Frage einmischen.

Kennen Sie eine Software, die den engen Bestimmungen des neuen Gesetzes gerecht wird?

Mir sagen Experten, dass es hier völlig neue Möglichkeiten gibt. Deshalb bin ich überzeugt, dass unsere Spezialisten die entsprechende Software finden werden – die den rechtlichen Vorgaben entspricht.

Österreich hat als erster EU-Staat nach Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges einen Straftäter dorthin abgeschoben. Nun ist der Mann verschwunden. Der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen wünscht, dass Sie sich bei den syrischen Behörden über den Mann erkundigen. Werden Sie das tun?

Sicher nicht. Wir werden weiterhin mit den syrischen Behörden Kontakt haben, um weitere syrische Straftäter und Gefährder abzuschieben. Das ist unsere Aufgabe. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, hier Nachschau zu halten. Im ersten Halbjahr gab es über 6.500 Abschiebungen, die Hälfte davon zwangsweise.

Die Mehrheit der Abschiebungen findet aber auch nicht nach Syrien oder Afghanistan statt, wo die Sicherheitslage unübersichtlich ist – sondern zum Beispiel in die Slowakei.

Oder in die Türkei. Auch nach Syrien reisen viele eigenständig aus. Nach dem Fall des Assad-Regimes wurden ja sämtliche Asylverfahren neu aufgerollt und häufig negativ beurteilt. Warum soll ich jemanden, der vor dem Assad-Regime geflohen ist, nicht nach Syrien abschieben? Die Situation hat sich jedenfalls geändert.

Eine zweite Abschiebung nach Syrien hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nun gestoppt. Sollte der erste abgeschobene Syrer nicht auftauchen: Haben Sie keine Angst, dass das ein Präzedenzfall werden könnte, der weitere Rückführungen verunmöglicht?

Zunächst ist es legitim, dass der EGMR zusätzliche Erkundungen einholt. Auf der anderen Seite ist das auch ein Grund, warum der Bundeskanzler gemeinsam mit Italien und Dänemark an der Neuinterpretation der Europäischen Menschenrechtskonvention arbeitet: Damit der EGMR entsprechende Handhabe hat, hier vernünftige Entscheidungen zu treffen und Straftäter und Gefährder auch in Länder wie Syrien oder Afghanistan konsequent abgeschoben werden können.

SPÖ und Neos haben den Vorstoß von Bundeskanzler Christian Stocker Ende Mai aber abgelehnt.

Es gibt den dringenden Wunsch, dass Straftäter und Gefährder außer Landes gebracht werden müssen. Das sehen auch 99,5 Prozent der Bevölkerung so.

Also ist die Europäische Menschenrechtskonvention aus Ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß?

Wir müssen manche Regelungen neu interpretieren, bei Bedarf auch neu schreiben. Weil sie aus den 50er-Jahren stammen und nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen.

Die Aufmerksamkeit für syrische Straftäter irritiert ja tatsächlich viele. Sind die UNO, der EGMR und die Asyl-NGOs hier die größten Helfer der FPÖ und Herbert Kickls?

Es ist nicht meine Aufgabe, Gerichte zu kritisieren. Aber wenn eine Unterorganisationen der UNO aus dem Elfenbeinturm heraus weltfremde Aussagen tätigt, kritisiere ich das aufs Heftigste. Herbert Kickl war jetzt selbst mehrere Wochen verschwunden. Am Mittwoch hat er dann eine Presseaussendung gemacht – mit offensichtlich großer Freude, dass der EGMR die zweite Abschiebung nach Syrien ausgesetzt hat, damit er nämlich die Bundesregierung und mich wieder beschimpfen kann. Für mich ist das eine äußerst seltsame Allianz: Herbert Kickl und Asyl-NGOs, die sich über eine Entscheidung des EGMR gemeinsam freuen.

Der slowenische Ex-Botschafter Aleksander Geržina hat den Polizeieinsatz gegen linke Demonstranten am Peršmanhof als „Stunde null für Kärnten“ bezeichnet. Was halten Sie von dieser Aussage?

Ich bin dankbar, dass der neue Botschafter von Slowenien bereits ein konstruktives Gespräch mit dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Franz Ruf hatte und es bald einen Termin mit mir geben wird. Ich halte jene Menschen, die in dieser so sensiblen Frage versuchen ausgleichend zu wirken, wie auch Landeshauptmann Peter Kaiser, für immens wichtig.

Wollen Sie eigentlich nicht sagen, wer den Einsatz befohlen hat – oder wissen Sie es nicht?

Ich werde mich an dieser Stelle wiederholen, auch wenn ich dafür kritisiert werde: Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt nicht dazu bereit, einzelne Beamte rauszuhängen. Wir bekennen uns dazu, den Einsatz umfassend analysieren zu lassen. Diese Analyse warten wir ab.

Sie haben zur Klärung aller Fragen eine Kommission eingesetzt…

Ziel wäre es, dass bis Ende September ein Bericht vorliegt. Sollte die Kommission selbst den Wunsch haben, länger zu arbeiten gibt es einen Zwischenbericht.

Die Staatsanwaltschaft Krems muss den Todesfall von Christian Pilnacek noch einmal prüfen. Können Sie das nachvollziehen?

Ich werde laufende Verfahren nicht kommentieren, das ist Sache der Justiz. Ich möchte aber sagen, dass ich höchstes Vertrauen in die Arbeit unserer Polizei habe und auch in diesem Fall keinen Grund für Zweifel sehe, dass nicht nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen wurde. Was schon etwas seltsam ist: Dass versucht wird, einen mehr als tragischen Todesfall heranzuziehen, um die Polizei schlechtzumachen. Diese Allianz von Peter Pilz und Herbert Kickl macht viele in der FPÖ nachdenklich.

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