Europäischer Gerichtshof stoppt zweite Abschiebung nach Syrien

Eigentlich hätte heute, Dienstag, eine weitere Abschiebung nach Syrien stattfinden sollen. Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat diese vorübergehend gestoppt, wie die Asylkoordination Österreich bekannt gibt. Es wäre die zweite Rückführung nach Syrien seit Anfang Juli gewesen. Das Problem: Vom damals abgeschobenen IS-Sympathisanten, der eine siebenjährige Haftstrafe in Österreich verbüßt hat, fehlt seitdem jede Spur.
Das brachte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) nicht nur Kritik von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien ein, die den 32-Jährigen rechtlich vertritt. Auch der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (CED) hat Österreich ersucht, auf diplomatischer Ebene mit den syrischen Behörden Kontakt aufzunehmen. Österreich soll herausfinden, ob der Syrer noch am Leben ist und wo er sich aufhält. Karner bezeichnete dies als "abgehoben und weltfremd".
Aufgrund dieses Falles habe der EGMR nun aber weitere Abschiebungen nach Syrien vorerst gestoppt und das Innenministerium (BMI) zur "Beantwortung berechtigter Fragen hinsichtlich der österreichischen Vorgangsweise aufgefordert", heißt es von der Asylkoordination.
Innenministerium: "Absolut nichts Ungewöhnliches"
Wie schätzt das BMI die Situation ein? Auf Anfrage von APA und KURIER reagiert man gelassen. Es handle sich um eine sogenannte "Interims Measure", die bereits im ersten Fall zur Anwendung gekommen sei. Dies sei "keine Überraschung" und "absolut nichts Ungewöhnliches".
Vielmehr entspreche das Vorgehen dem üblichen Ablauf, betont das Innenministerium: "Es werden weiterhin alle Vorbereitungen für die Durchführung dieser und weiterer Abschiebungen nach Syrien getroffen." Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) nehme die Einstweilige Anordnung des EGMR zur Kenntnis.
Es handle sich bei der Anordnung um eine bis zum 8. September 2025 befristete Maßnahme, merkt das BMI an. Bis zu diesem Zeitpunkt werde der EGMR den Fall eingehend prüfen und das BFA eine ausführliche Stellungnahme abgeben. Diese wird vom EGMR auch eingefordert, um den Sachverhalt prüfen zu können. Es handle sich beim Betroffenen um einen mehrfach vorbestraften und verurteilten Straftäter, so das Ministerium.
Österreich sucht verschwunden Syrer nicht
Die erste Abschiebung nach Damaskus habe völlig rechtskonform stattgefunden, und zwar nach Damaskus, betont Karner am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Wie er sicherstellen wolle, dass auch der zweite Syrer nicht verschwinde? "Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Behörden, hier Nachschau zu halten", sagt Karner. Seine Verantwortung sei, in Österreich für Sicherheit zu sorgen - und Straftäter außer Landes zu bringen.
Dem Vernehmen nach ist er auch nicht der Ansicht, dass der EGMR generell Abschiebungen nach Syrien gestoppt hat, solange der verschwundene Syrer nicht gefunden sei. Rückführungen würden immer "im Einzelfall" geprüft, sagt der Minister.
Gahleitner-Gertz: Karner soll diesmal "besonnen reagieren"
Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der Asylkoordination, meint in einer Aussendung: "Von der im Juli abgeschobenen Person fehlt bislang jedes Lebenszeichen, der Innenminister ist in Erklärungsnot. In so einer Situation braucht es einen sofortigen Stopp, um zu verhindern, dass man wie bei der Causa Peršmanhof erst im Nachhinein wieder eine Kommission braucht, um festzustellen, was schiefgelaufen ist."
Es handelt sich um eine vorläufige Maßnahme des EGMR. Eine solche wird nur in Ausnahmefällen gewährt. Gahleitner-Gertz empfiehlt Karner, diesmal "besonnen zu reagieren und nicht zum wiederholten Male die Gerichte, die mit der Kontrolle seiner Entscheidungen nur ihrer Rolle im Rechtsstaat nachkommen, zu attackieren". Verantwortung könne man nicht abschieben.
Kickl: "Das ist nicht normal"
FPÖ-Chef Herbert Kickl kritisiert in einer Aussendung sowohl Karner als auch den EGMR scharf: "Ein mehrfach vorbestrafter Straftäter darf im Land bleiben, weil ein Gerichtshof in Straßburg es so will, und das Innenministerium bezeichnet diese Kapitulation vor ausländischer Justiz allen Ernstes als ‚normalen Vorgang‘." Das ist keine Normalität, so Kickl: "Das ist die Bankrotterklärung einer Partei, die die Sicherheit der eigenen Bevölkerung mit Füßen tritt."
Der EGMR untergrabe Österreichs nationale Sicherheit und die ÖVP unterwerfe sich, meint Kickl und fordert ein Ende "bürokratischer Verzögerungsspiele".
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