Verschollener Syrer: Muss sich Österreich um Abgeschobene kümmern?

Es war die erste Rückführung nach Syrien seit 15 Jahren, also nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs: Am 3. Juli hat das Innenministerium (BMI) einen 32-jährigen Syrer in sein Heimatland abgeschoben. Der Mann hatte in Österreich eine siebenjährige Haftstrafe verbüßt – da er unter anderem versucht hatte, IS-Mitglieder anzuwerben und Propaganda für die islamistische Terrororganisation auf Social Media teilte.
Laut der Europäischen Asylagentur (EUAA) sind Abschiebungen in das Land nach dem Sturz des Assad-Regimes wieder zulässig. Der Mann sei den zuständigen Behörden übergeben worden, so das BMI. Fall abgeschlossen? Mitnichten, mittlerweile hat sich sogar die UNO in die Causa eingemischt.
Der Syrer gilt seit der Abschiebung als verschollen. Die Rechtsvertreter des IS-Sympathisanten von der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung in Wien sind alarmiert. Der letzte Kontakt zu ihm habe bei einem Zwischenstopp in Istanbul stattgefunden. Auch von Asyl-NGOs setzt es Kritik.
Karner: „Abgehoben und weltfremd“
Sie fordern vehement, Abschiebungen nach Syrien wieder auszusetzen – und nach dem Mann zu suchen. Auch der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen (CED) hat Österreich nun ersucht, auf diplomatischer Ebene mit den syrischen Behörden Kontakt aufzunehmen. Österreich soll herausfinden, ob der Syrer noch am Leben ist und wo er sich aufhält.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) stellt klar: „Solche abgehobenen und weltfremden Aussagen interessieren mich nicht. Mich interessiert die Sicherheit der Bevölkerung in Österreich. Daher ist es unsere Aufgabe, weitere Straftäter auch nach Syrien abzuschieben. Dieser Weg wird fortgesetzt.“ Aber ist es so einfach? Wozu ist Österreich nun rechtlich verpflichtet?
„Österreich hat rechtskonform gehandelt“
„Aus europarechtlicher Sicht hat Österreich rechtskonform gehandelt. Ein EU-Mitgliedsstaat muss zum Zeitpunkt der Rückführung überprüfen, ob die Situation vor Ort als sicher eingestuft wird – dem Abgeschobenen also keine Gefahr für Leib und Leben oder Folter droht. In Syrien war das zum Zeitpunkt der Rückführung wohl der Fall“, sagt Walter Obwexer, Europarechtsexperte und Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck. Nach dem Unionsrecht bestehe zudem keine Verpflichtung, sich nach der Übergabe um die abgeschobene Person zu kümmern.
Und was ist mit der UN-Konvention, die Österreich unterzeichnet hat? Muss sich Österreich im Nachhinein tatsächlich um rechtmäßig abgeschobene Personen kümmern?
Keine Rechtsgrundlage für Suche nach dem Mann
Obwexer interpretiert die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen so: „Vor Rückführungen in Drittstaaten muss sich Österreich vergewissern, dass die Gefahr des Verschwindenlassens im Drittstaat nicht besteht.“ Die Konvention sehe jedenfalls nicht vor, dass Österreich im Nachhinein nach der verschwundenen Person suchen müsse.
Was möglich sei, wenn eine abgeschobene Person verschwindet: Verwandte oder Rechtsvertreter der Person können den Ausschuss ersuchen, nach der Person zu suchen. Das Problem: Syrien hat die UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen nicht unterzeichnet, insofern gibt es dafür keine Rechtsgrundlage.
FPÖ: "An Zynismus nicht zu überbieten"
Seltene Schützenhilfe erhält Karner in der Causa von der FPÖ. Anstatt dass man froh sei, einen Gefährder weniger im Land zu haben, inszenierten „die Asylindustrie und UNO-Bürokraten einen internationalen Zirkus“, sagt Generalsekretär Michael Schnedlitz. Es sei an Zynismus nicht zu überbieten, dass Österreich jetzt Detektiv für einen Kriminellen spielen solle.
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