Hart, aber ziemlich herzlich
Ein sonniger Tag auf der Wiener Donauinsel. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sitzt auf einer Bank und zieht ihre Inline-Skater an. Die ÖVP-Ressortchefin zeigt dem KURIER, was sie in ihrer Freizeit gerne macht.
Das war im August 2011, Mikl-Leitner gerade einmal vier Monate im Amt.
Inline-Skaten zählt immer noch zu den Leidenschaften der Niederösterreicherin. Zeit für dieses Hobby bleibt ihr derzeit aber keine. Die "Hanni", wie sie ÖVP-intern genannt wird, ist momentan im Dauereinsatz. Oft bleibt nicht einmal Zeit für genügend Schlaf. "Schlaf wird eh überbewertet", sagt die Ministerin lachend zum KURIER. Wer ist die Frau, auf deren Geheiß Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden, deren Asylrechtspaket gerade im Parlament abgesegnet wurde – und die auch wegen der NSA-Affäre im Fokus steht?
"Sie ist fleißig, will immer gut vorbereitet sein", erzählen einige in ihrem Umfeld "Sie ist allürenlos und hemdsärmelig", heißt es auch.
Steiler Aufstieg
Das hat sie wohl daheim gelernt. Die heute 51-Jährige wuchs als eines von vier Kindern (sie hat eine Zwillingsschwester) in Großharras im Weinviertel auf. Die Eltern betrieben ein Kaufhaus. Nach der HAK studierte die Tochter Wirtschaftspädagogik. Fünf Jahre nach ihrem Uni-Abschluss dockte sie bei der ÖVP-Niederösterreich an – und stieg bald zur Landesgeschäftsführerin auf. Mikl-Leitner saß auch im Nationalrat und acht Jahre in der Landesregierung ehe sie ins Innenministerium kam – und führt nebenbei den ÖAAB an. Der Job mache ihr Spaß‚ beteuert die Ministerin. Diesen Eindruck haben auch Kollegen aus anderen Parteien. SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl lobt die "Handschlagqualität" der Ministerin. Und dass sie einen "Schmäh" hat. Milde urteilt sogar Peter Pilz (Grüne): "Sie respektiert das Parlament, bemüht sich durchaus unsere Fragen zu beantworten."
Polizisten schätzen die menschlichen Qualitäten. "Die Ministerin hat einen Kollegen, der bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt worden war, in der Rehab besucht – ohne Kameras. Und sie hat sich dafür eingesetzt, dass der Beamte einen Behinderten-Arbeitsplatz bekommt".
Respekt bringt der zweifachen Mutter auch ein, wenn sie trotz Stress Besorgungen mit ihren Töchtern Anna (14) und Larissa (9) macht.
Einer, der "die Chefin in der Herrengasse" (Sitz des Innenministeriums) gut kennt, tituliert sie gar als "Heilige Johanna", weil sie für mehr Flüchtlingsquartiere kämpfe.
Das scheint dann doch etwas übertrieben.
Freundlicher Umgangston
Was tatsächlich rundum geschätzt wird, ist Mikl-Leitners freundlicher Umgangston (unter Ernst Strasser war er rauer) und dass sie sich sachlich mit polarisierenden Themen auseinandersetzt. Über "Rehlein-Augen" (Fall Arigona) würde sie – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Maria Fekter – wohl nie ätzen.
Hart, aber herzlich, wirkt die Innenministerin. Den Blauen ist sie dennoch zu sanft, Grünen und NGOs zu strikt.Caritas-Generalsekretär Klaus Schwertner meint: "Die Zelte hätte sie nicht aufstellen müssen." Polit-Beobachter orten hingegen einen klugen, taktischen Zug. So stieg der Druck auf die Länder, Quartiere aufzutreiben.
Sanften Druck versucht die Ministerin auch auf Deutschland zu machen. Der BND hat ja dem US-Geheimdienst NSA ermöglicht, Österreich(er) auszuspähen. Mikl-Leitner warnt aber vor voreiligen Schlüssen. Pilz meint, sie werde von ihren Mitarbeitern "falsch gebrieft, sie ist eine Geisel ihres Verfassungsschutzes". Andere sagen, die Möglichkeiten der Ministerin seien in einem solchen Fall "begrenzt".
Karriere-Chancen
Begrenzt scheinen auch die Chancen, in der Polizei aufzusteigen, wenn man nicht der ÖVP nahe steht. Es werde zwar nicht mehr derart "umgefärbt" wie weiland unter Innenminister Strasser. "Sie lassen jetzt auch die Roten leben", berichten Eingeweihte. Dennoch würden überwiegend Schwarze in Führungspositionen gehievt. Mikl-Leitners Karriere hat das bis dato nicht geschadet. Im Gegenteil: Insider meinen, das Innenressort werde nicht die letzte Polit-Station sein. Die leutselige Ministerin gilt als eine der wenigen, die ihren Mentor, Landeshauptmann Erwin Pröll beerben könnte.
Der KURIER sprach mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
...über ihr aktuell geringes Schlafpensum „Als Innenministerin ist man sowieso immer gefordert – und Schlaf wird überbewertet (lacht).“
...über den enormen Stress in diesen Tagen „Ich bin gerne Innenministerin – in guten wie in schlechten Zeiten.“
... über mangelnde Zeit für die Familie „Meine Töchter haben volles Verständnis für meinen Beruf und leben mit der Mama mit, vor allem jetzt in der Flüchtlingsfrage, wo ich Zelte als Notunterkünfte aufbauen habe lassen. Als Kritik von vielen Seiten kam, sagte meine große Tochter: ,Mama, die meckern alle, aber bessere Vorschläge haben sie nicht.‘“
...über ihre Hobbys „Am liebsten mache ich Sport mit den Kindern. Roller-Bladen, Rad fahren, Nordic Walken.“
...über ihren Mann Andreas (54), der kaufmännischer Direktor des Spitals in Hollabrunn ist „Ohne meinen Mann könnte ich meinen Job nicht machen. Das ginge nicht. Er sagt immer: ,Ich stehe neben dir und hinter dir, nur nicht vor dir, weil dann siehst du nichts‘.“
...über ihr modisches Styling und wann sie Zeit zum Shoppen hat „Ich habe keine Stylingberaterin. Ich habe zwei, drei Geschäfte, wo ich immer einkaufe. Sie glauben gar nicht, was man in einer halben Stunde alles schaffen kann.“
...über den Vorwurf, sie habe Beweise in der BND-NSA-Affäre angezweifelt „Ich muss mich an Fakten halten und kann mich nicht Spekulationen hingeben. Es wird auf Hochtouren ermittelt.“
Kommentare