Seit elf Jahren ist Reinhold Sahl Burghauptmann – und damit Chefverwalter unter anderem der Wiener Hofburg. „Und auch ich verrenn’ mich noch manchmal“, gesteht er.
Verrennen kann man sich nicht nur wegen der Größe des Areals: Mehr als 30 Hektar umfasst es von der Michaelerkuppel bis zum Museumsquartier und von der Albertina bis zum Ballhausplatz. Die Hofburg ist der größte nicht-religiöse Gebäudekomplex in Europa und war 600 Jahre lang das politische Zentrum der Habsburgermonarchie.
Unübersichtlich ist es auch deshalb, weil die Hofburg in dieser Zeit stückweise gewachsen ist. Das eine imposante Tor, den einen Haupteingang, wie bei Burgen sonst üblich, gibt es hier nicht. Es gibt 18 Trakte, 19 Höfe und 2.600 Räume.
Die Hofburg ist geprägt von mehreren Epochen – von der Gotik im Mittelalter über die Renaissance, das Barock bis hin zu zeitgenössischer Baukunst im 19. und 20. Jahrhundert. Der älteste Teil ist der Schweizerhof, der jüngste die Neue Burg (siehe Plan).
Von dieser Geschichte zeugen aber nicht nur die kunstvollen Fassaden und Repräsentationsräume, sondern auch das Handwerk, das die Hofburg im Inneren zusammenhält.
Durch dieses Innere – die geheimen Gänge am Dachboden und im Keller – führte der Burghauptmann den KURIER.
Die Hofburg beschäftigt vier Bauabteilungen, die auf dieses Objekt und die verschiedenen Materialien mit ihren Besonderheiten spezialisiert sind. Über der Hofkapelle etwa befindet sich der älteste Dachstuhl.
Das Fichtenholz wurde im Jahr 1420 geschlägert und ist noch bestens in Schuss. Das Klima am Dachboden ist optimal – nicht zu feucht, nicht zu trocken, egal, in welcher Jahreszeit.
Man muss aufpassen, sich nicht den Kopf anzuschlagen, beim Rundgang richtet Sahl seinen Blick immer wieder nach unten. Teile, die auf dem Boden liegen, könnten irgendwo heruntergefallen sein und müssten repariert werden.
Durch die Dachböden der Hofburg
Die Fensterrahmen sind, wie man herausfand, mit Leinölseife bestrichen – ein altes, natürliches Konservierungsmittel, das vor Wind und Wetter schützt.
Die historischen Holzkonstruktionen sind umso empfindlicher bei Feuer. Die Hofburg hat eine eigene Feuerwehr, die regelmäßig Begehungen macht. Als 1992 Teile des Redoutentrakts abgebrannt sind, wurden 18.000 Rauchmelder installiert.
Die „geheime Schatzkammer“ befindet sich im Keller: Die Gipsfiguren sind Modelle großer Künstler, ihre Werkstätten haben dann Skulpturen und Fassadenelemente für prominente Gebäude hergestellt.
Der Keller ist „erst“ rund 400 Jahre alt und verbindet einzelne Trakte miteinander. Heute läuft hier die technische Infrastruktur durch – Wasser, Strom, Internet.
Durch die Keller der Hofburg
Mysterium
Die berühmten Tapetentüren in den Repräsentationsräumen sind übrigens gar nicht so mysteriös, wie sie anmuten. Die Geheimgänge dahinter hatten einst ganz pragmatische Zwecke: Dienstboten nutzten sie, um die Öfen zu beheizen oder die Hoheiten zu servicieren.
Hinter manchen Türen verbergen sich jetzt schlicht Abstellkammerln.
Und manche Gänge, die vielleicht einmal mysteriös waren, sagt Sahl, wurden zugeschüttet, als man Gebäude angebaut hat.
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