RTL-Doku über Identitäre: Jetzt ermittelt der Staatsschutz

AUSTRIA-SECURITY-INTELLIGENCE-DSN
"Srbrenica 2.0" in Wien. Reporterin hat über Monate die rechtsextreme Organisation begleitet. Die FPÖ hat die Äußerungen "aufs Schärfste verurteilt", ÖVP fordert Abgrenzung von Identitären.

"Es waren keine sechs Millionen Juden. Es waren ja höchstens 175.000 vergaste Juden. Ich find's geil, dass es stattgefunden hat, das muss ich ehrlich sagen. Die Juden haben ja schon damals Kinder misshandelt und so einen Scheiß." Das sagt eine Frau auf einer "Identitären"-Feier in Wien. 
Dokumentiert haben Sätze wie diese oder "Deutschland braucht ein Srebrenica 2.0" (Anm. Völkermord im Bosnienkrieg 1995 mit 8.000 toten Muslimen) Journalisten von RTL in monatelanger Undercover-Recherche.

Aufgrund der in Wien getätigten Aussagen ermittelt nun, wie der KURIER erfuhr, die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) wegen gerichtlich strafbaren Handlungen. 

Aktuell laufen laut Innenministerium Ermittlungen gegen mehrere Personen wegen des Verdachtes gerichtlich strafbarer Handlungen. Um welche Straftatbestände es dabei genau geht - etwa Verhetzung oder Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz -, war am Donnerstag noch nicht klar. Die Ermittlungen würden jedenfalls "umfassend" geführt, hieß es auch auf APA-Nachfrage.

Die Identitären stehen in Österreich ebenso wie ihre Ableger und Splittergruppierungen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht wurde ein „erhöhtes Gefahrenpotenzial für den demokratischen Rechtsstaat“ durch die „Neue Rechte“ festgestellt, sei deren Ziel doch die „Überwindung der herrschenden demokratischen, rechtsstaatlichen und gesellschaftlichen Ordnung“. 

Von der betreffenden Frau, laut dem Bericht zum Zeitpunkt der Recherche AfD-Mitglied, haben sich mittlerweile sowohl AfD als auch die Identitären distanziert. Laut RTL hat die AfD angegeben, dass die betreffende Person die Partei kurz nach der Recherche verlassen habe. Identitären-Sprecher Martin Sellner betonte wiederum gegenüber der dpa, er habe die konkrete Position der Frau in der AfD nicht gekannt. Man habe sie nur aus Videoauftritten für diverse Kampagnen gekannt, sie sei aber nie Aktivistin der Identitären gewesen und habe mit diesen nichts zu tun. Von ihren Aussagen distanziere man sich klar.

Nach Bekanntwerden der Doku am Mittwoch melden sich Vertreter von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos zu Wort. „Die vom deutschen TV-Sender RTL veröffentlichten Recherchen zur Genozid- und Holocaust-Verherrlichung bei den Identitären sind widerwärtig und erschütternd. Hier muss die volle Härte des Rechtsstaats greifen“, so beispielsweise Verfassungsministerin Karoline Edtstadler in einer Aussendung.  Von FPÖ-Chef Herbert Kickl fordert die Ministerin ein „sofortige und deutliche Distanzierung“. 

Grund:  Kickl bezeichnete die "Identitären" 2021 als "so etwas wie eine NGO von rechts. So eine echte NGO, die diesen Namen auch  weil sie nämlich kein Geld vom Staat bekommt".

Am Rande einer Pressekonferenz nach der Haltung der FPÖ zur den Identitären gefragt, sagt FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker am Tag nach Bekanntwerden der Doku, die darin getätigten" Äußerungen sind schärfsten zu verurteilen. Dagegen verwehren wir uns mit aller Kraft, das ist inakzeptabel."

Und: "Es graust mir vor den Aussagen." Gleichzeitig hält er fest, dass die Dreharbeiten für die Doku ein halbes Jahr vor wichtigen Wahlen in Deutschland begonnen hätten - am 1. September wird in Thüringen und Sachsen gewählt, der AfD hohe Zugewinne prognostiziert - und es sich um einen "Frame" handle. 

"Die einzige Verbindung", die Hafenecker zu Österreich sieht ist, jene, dass eines der Treffen in Wien stattgefunden habe. Zu der in der Doku ebenfalls gezeigte Demo der Identitären in Wien hält er fest, diese sei nicht von der FPÖ ausgerichtet worden. Und: "Wir distanzieren uns sicher nicht vom Demonstrationsrecht." 

Die freiheitliche Partei werde aber ihre Haltung zu den Identitären nicht ändern. „Warum sollte ich mich gegen eine Gruppe von Bürgern stellen, die von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen und auf Probleme in der Zuwanderung hinweisen?“ In Sachen Sicherheit laufe in Österreich vieles in eine falsche Richtung, was auch vielen auffalle. „Dass sie damit nicht zufrieden sind, ist zu respektieren.“ Man werde den Menschen „sicher nicht untersagen, dass sie dagegen aufstehen“.

Für ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ist es "nicht akzeptabel, dass sich FPÖ-Hafenecker nicht von den Identitären distanziert." Die aufgezeichneten Aussagen der Identitären müssten, so Stocker in einer Aussendung "für jeden demokratischen Politiker vollkommen inakzeptabel sein und eine nicht überschreitbare rote Linie darstellen". Es handle sich um eine "ungeheuerliche Entgleisung als Einzelfall zu verurteilen und das große Ganze, nämlich die Identitäre Bewegung, zu unterstützen, ist inakzeptabel und entlarvend". Stocker erwartet sich, dass sich von "Kickl,der die Identitären seit Jahren verteidigt" und unterstütze  "höchstpersönlich eine klare Distanzierung.

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